Hidden Patterns: MISSBRAUCHSFORSCHUNG in der kath. Kirche mit Professorin Dr. Ute Leimgruber

Shownotes

Bildbeschreibung

"Missbrauch passiert an Kindern und an Erwachsenen. Missbrauch passiert an Männern und Frauen und allen dazwischen und darüber hinaus. Missbrauch passiert an alten und an jungen Menschen, an Gesunden und nicht Gesunden… unser Anliegen ist es, die Beschränkung, die in der katholischen Kirche passiert – also dass es sich bei Missbrauchsopfern vor allem um minderjährige Jungen handelt – aufzubrechen, und zu sagen: Es gibt so viel mehr, das bis jetzt unsichtbar geblieben ist."

So fasst Professorin Dr. Ute Leimgruber ihre Forschung am Lehrstuhl für praktische Theologie an der Uni Regensburg zusammen. Zusammen mit Kolleginnen untersucht sie den sexuellen und spirituellen Missbrauch an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche. Sie nennt dieses Thema ein "Known unknown": In den letzten Jahren hat es in der katholischen Kirche viel Aufarbeitung zum Missbrauch an Kindern und Jugendlichen gegeben. Aber nicht nur sie waren und sind Opfer, sondern auch zahllose Erwachsene – und darüber wird nach wie vor sehr oft geschwiegen.

Dass das nicht so bleiben darf, steht für Professorin Leimgruber fest. Aber ihre Forschung will nicht nur aufdecken. Welche Strukturen innerhalb der Kirche machen solche Vorfälle überhaupt erst möglich? Welche "hidden patterns" sorgen dafür, dass so viel vertuscht wurde und wird? Und was kann die Kirche tun, um daran möglichst schnell etwas zu ändern? Das untersucht die Theologin, und darum geht es in dieser Folge des Gasthörer.


Achtung: In dieser Podcast-Folge geht es um sehr sensible Themen wie sexuelle Gewalt und Missbrauch. Falls ihr Hilfe braucht, findet ihr Anlaufstellen zum Beispiel auf der Homepage missbrauchsmuster.de.
 

Bücher zum Thema, die zum Teil auch im Podcast angesprochen werden:

  • Barbara Haslbeck, Regina Heyder, Ute Leimgruber, Dorothee Sandherr-Klemp (Hg.): Erzählen als Widerstand – Berichte über spirituellen und sexuellen Missbrauch an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche. Aschendorff Verlag, 2021
  • Barbara Haslbeck, Ute Leimgruber, Regina Nagel, Philippa Rath (Hg.): Selbstverlust und Gottentfremdung – Spiritueller Missbrauch an Frauen in der katholischen Kirche. Patmos Verlag, 2023
  • Ute Leimgruber, Barbara Haslbeck (HG.): Spirituellen Missbrauch verstehen – Wissenschaftliche Essays zu Selbstverlust und Gottentfremdung. Matthias Grünewald Verlag, 2024

Weiterführende Informationen gib's außerdem auf der erwähnten Homepage missbrauchsmuster.de

Der Podcast Gasthörer ist eine Produktion des Bereichs Kommunikation & Marketing der UR. Ihr findet alle Folgen des Gasthörer mit den zugehörigen Infos auch direkt auf der Homepage der UR.

Habt Ihr Feedback, Anregungen oder Fragen zu dieser Folge oder zum Gasthörer allgemein? Schreibt uns gerne an kontakt@ur.de

Mehr spannende Nachrichten zu aktuellen Forschungsprojekten an der Uni Regensburg findet Ihr auf der Forschungswebsite der Uni Regensburg.

Transkript anzeigen

00:00:00: Hallo, liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.

00:00:03: Bevor wir mit dieser Podcastfolge starten, möchte ich euch eine wichtige Triggerwarnung aussprechen.

00:00:08: Im kommenden Gespräch geht es unter anderem um sexuelle Gewalt und Missbrauch, ein Thema, das sehr belastend sein kann.

00:00:15: Das, worüber wir reden, kann emotionale Reaktionen hervorrufen und im schlimmsten Fall vielleicht sogar schmerzhafte Erinnerungen auslösen.

00:00:23: Bitte seid deshalb achtsam mit euch selbst.

00:00:25: Falls ihr das Gefühl habt, dass die Inhalte für euch zu intensiv sind, ist es völlig in Ordnung, wenn ihr eine Pause einlegt oder diese Episode einfach auch mal komplett überspringt.

00:00:35: Und wenn euch was belastet, wenn ihr Redebedarf habt oder sonst in irgendeiner Art Hilfe braucht, wir verlinken in den Show Notes eine Seite, auf der ihr ganz unterschiedliche Anlaufstellen und Ansprechpartner findet.

00:00:46: Bitte zögert keine Sekunde, jemand von denen zu kontaktieren.

00:00:49: Ihr seid's wert, gehört zu werden.

00:00:50: Und es gibt Menschen, die für euch da sind.

00:00:56: Aber jetzt noch mal Hallo an euch zu Hause.

00:00:58: Schön, dass ihr auch diesmal beim Gasthörer dabei seid.

00:01:01: Ich bin Katharina Herkommer und heute ist bei mir die Professorin Dr. Ute Leimgruber zu Gast.

00:01:06: Hallo Frau Leimgruber.

00:01:07: Hallo Frau Herkommer.

00:01:08: Gasthörer

00:01:17: Wir sprechen heute über sexuelle und spirituelle Gewalt an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche.

00:01:23: Die MeToo-Debatte hat uns in den letzten Jahren deutlich gezeigt: Frauen erfahren in allen Lebensbereichen leider viel zu oft die unterschiedlichsten Formen von Gewalt, zum Beispiel häusliche Gewalt oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

00:01:36: Und dann gibt es noch ganz viele andere Arten von Übergriffen, für die es gar keine klaren Namen und eindeutige Definitionen gibt.

00:01:43: Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat im Jahr 2014 42.000 Frauen aus 28 EU-Ländern zu ihren Erfahrungen mit Gewalt befragt.

00:01:54: Dabei ging es um körperliche Gewalt, genauso wie um sexuelle oder psychische Gewalt.

00:02:00: Um Gewalt in der Partnerschaft, um Stalking, sexuelle Belästigung und auch um Missbrauch in den neuen Medien.

00:02:06: Und die Zahlen, die dabei rauskamen, haben mich wieder mal schockiert.

00:02:10: Jede zehnte Frau hat seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form der sexuellen Gewalt erlebt.

00:02:16: Jede zwanzigste wurde vergewaltigt.

00:02:18: Und etwas mehr als jede fünfte Frau hat körperliche oder sexuelle Gewalt entweder von ihrem aktuellen oder von dem früheren Partner erfahren.

00:02:27: Das sind wie gesagt die Zahlen zur Lage in Europa.

00:02:29: Und diese Übergriffe finden überall in allen Bereichen des Lebens statt.

00:02:34: Wenn man da nur eine Sekunde drüber nachdenkt, dann ist es utopisch zu glauben, dass der Kontext der Kirche da eine Ausnahme bildet.

00:02:41: Und genau dazu forschen Sie, Frau Professorin Leimgruber, zur Gewalt gegen Frauen innerhalb der katholischen Kirche.

00:02:48: Schockieren Sie diese Zahlen auch immer noch so wie mich oder haben Sie inzwischen sich da irgendwie daran gewöhnt, wenn Sie sich regelmäßig mit dem Thema auseinandersetzen?

00:02:57: Ich denke an Gewalt gewöhnt man sich nie und das ist auch gut so, wenn man sich da nie dran gewöhnt.

00:03:04: Das eher Erschreckende daran ist, dass die Zahlen eben nicht wirklich erschrecken.

00:03:09: Also dass die Gewalt und den Missbrauch, den wir im kirchlichen Bereich erforschen und sehen, in gewisser Weise niemanden überraschen.

00:03:18: Weil es gesellschaftlich genau die gleichen Phänomene gibt, ist es eigentlich völlig nachvollziehbar, dass es das gibt.

00:03:26: Man hätte es wissen können und das Erschreckende ist eher, dass man es nicht gewusst hat.

00:03:32: Wie immer am Anfang habe ich noch ein paar Infos zu Ihrem Hintergrund für unsere Hörerinnen und Hörer zusammengetragen.

00:03:37: Sie korrigieren mich, falls irgendwas nicht stimmt.

00:03:39: Sie sind in der nördlichen Oberpfalz aufgewachsen und dann haben Sie hier in Regensburg und in Graz zuerst Rechtswissenschaften und dann katholische Theologie studiert.

00:03:48: In Graz haben Sie promoviert und danach in Fulda habilitiert und dort auch an der theologischen Fakultät als wissenschaftliche Assistentin gearbeitet.

00:03:56: 2010 sind Sie Studienleiterin der Theologie im Fernkurs Würzburg geworden und danach sind Sie zurück hier zu uns an die Uni Regensburg gekommen, zuerst als Lehrstuhlvertretung in der Professur für Pastoraltheologie und im Jahr 2019 wurden Sie zur Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik ernannt.

00:04:13: Seit letztem Jahr sind Sie hier außerdem die Dekanin der Fakultät für katholische Theologie.

00:04:18: Und Sie sind Mitglied in verschiedenen Gremien und Kommissionen, zum Beispiel im Stiftungsrat der Herbert-Haag-Stiftung.

00:04:24: Das ist eine Stiftung, die sich für Freiheit in der Kirche einsetzt.

00:04:27: Passt alles so?

00:04:29: Wunderbar.

00:04:30: Sie sind Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik, habe ich gerade gesagt.

00:04:35: Ich selbst muss gestehen, ich kannte den Begriff nicht.

00:04:38: Ich oute mich hier.

00:04:39: Für alle, denen es geht wie mir.

00:04:40: Was ist denn Homiletik?

00:04:42: Homiletik kann ganz einfach erklärt werden.

00:04:44: Das ist nämlich die Lehre vom Predigen.

00:04:46: Also alles, was rund um die Predigt verortet ist, das macht man in der Homiletik.

00:04:51: Und im Rahmen dieser Professur forschen Sie jetzt eben unter anderem mit Ihren Kolleginnen zum Thema Missbrauch an erwachsenen Frauen und zu Machtstrukturen innerhalb der katholischen Kirche.

00:05:01: Wie kommen Sie dazu?

00:05:02: Warum?

00:05:05: Wenn man, wie ich, katholisch sozialisiert ist als Frau, kommt man relativ schnell schon biografisch an die Grenzen von Macht und Ohnmacht.

00:05:15: Und ich habe mich in meinem Studium und dann später auch in Promotion und Habilitation immer wieder auch mit diesen Fragen auseinandergesetzt, was Macht und Ohnmacht bedeutet und eben auch schon geschlechtsspezifisch.

00:05:27: Also meine Habilitation geht um Frauenorden in der katholischen Kirche.

00:05:32: Und damit war ich im Grunde schon auch wissenschaftlich auf einer gewissen Spur, die mich zu diesen Fragen gebracht hat.

00:05:39: Und das andere ist, ich bin ehrenamtlich in der Theologischen Kommission des Katholischen Deutschen Frauenbundes.

00:05:45: Das ist der größte Frauenverband in Deutschland.

00:05:48: Und dieser Verband fragt schon seit vielen Jahren, Jahrzehnten kann man sagen, auch immer nach der Stellung von Frauen in der Kirche und in der Gesellschaft, und ist von Anfang an immer auch ausgerichtet auf die Frage nach der Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, mit der Frauen in Gesellschaft und Kirche konfrontiert sind.

00:06:05: Das ist bestimmt nicht immer ganz leicht, oder?

00:06:08: Es ist eine total spannende Aufgabe und es ist ja auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die ich hier als Theologin machen kann.

00:06:17: Und auch das finde ich unglaublich bereichernd.

00:06:21: Ich finde es ein ganz wichtiges Thema, was wir uns heute vorgenommen haben, oder an dem Sie forschen.

00:06:26: Bevor wir eintauchen, möchte ich vielleicht ein paar Begriffe klären.

00:06:30: Wir sprechen nicht nur über sexuellen Missbrauch oder sexualisierte Gewalt, sondern auch über spirituellen Missbrauch.

00:06:36: Können Sie uns erklären, was ist das eigentlich?

00:06:38: Was verstehen Sie darunter?

00:06:40: Erstmal grundsätzlich der Missbrauchsbegriff.

00:06:42: Wir gehen bei dem Missbrauchsbegriff davon aus, dass es Rechte von Personen sind, die verletzt sind.

00:06:49: Also wir bevorzugen quasi einen personenbezogenen Begriff von Missbrauch und keinen sachbezogenen Begriff von Missbrauch.

00:06:56: Also sachbezogener Begriff von Missbrauch wäre, dass zum Beispiel Macht missbraucht wird oder dass eine bestimmte Autoritätsposition missbraucht wird.

00:07:04: Und wir gucken wirklich auf die Rechte von Personen, die missbraucht werden.

00:07:09: Also das sind vor allem jetzt in unserem Bereich Selbstbestimmungsrechte.

00:07:13: Und wenn wir jetzt gucken, sexueller Missbrauch wäre dann die Verletzung des sexuellen körperlichen Selbstbestimmungsrechts.

00:07:19: Und spiritueller Missbrauch ist die Verletzung des spirituellen, religiösen, geistlichen Selbstbestimmungsrechts einer Person.

00:07:26: Also eine Kollegin Doris Reisinger, eine ganz tolle Forscherin in dem Gebiet, auch mit der wir eng zusammenarbeiten, hat es definiert als gewaltsames Eindringen in die spirituelle Intimsphäre einer Person.

00:07:37: Das heißt, wir gehen wirklich davon aus, man kann einfach nicht Menschen gegen ihren Willen berühren oder körperlich sexuell eben angreifen, mit sexueller Gewalt denen begegnen.

00:07:48: Und so ist es auch im spirituellen Bereich, dass es also wirklich eine spirituelle Intimsphäre gibt.

00:07:54: Und da kann man auch nicht einfach ungefragt und gegen diesen Willen der Person eingreifen und die zu irgendwas zwingen oder manipulieren.

00:08:03: Und diese Kurzdefinition Verletzung des spirituellen Selbstbestimmungsrechts, die lässt sich dann auffächern in ganz unterschiedliche Merkmale, Faktoren und Ausprägungen, ganz viele unterschiedliche Formen von Manipulation und Ausbeutung.

00:08:20: Dann werden theologische Motive und Begriffe auch verwendet, um die Person zu was zu bringen, was sie eigentlich nicht möchte.

00:08:29: Also wenn immer wieder mit dem Namen Gottes und mit dem Willen Gottes operiert wird.

00:08:33: Wenn die Bibel verwendet wird, um Menschen klein zu machen und zu erniedrigen.

00:08:39: Oder wenn dann wirklich auch biblische Begriffe völlig verkehrt sind.

00:08:43: Also zum Beispiel die Rede von Liebe.

00:08:45: Wenn also ein Missbrauchstäter über Jahre hinweg eine Person manipuliert, in ein sexuelles Missbrauchsverhältnis gegangen ist.

00:08:53: Wenn die Person in einer emotionalen, spirituellen, psychischen Abhängigkeit zu diesem Täter ist, wenn der ihre Grenzen in spiritueller, körperlicher, sexueller Hinsicht überschreitet.

00:09:04: Und dann sagt aus dem Korinther Brief, Paulus zitiert, die Liebe hält alles aus, die Liebe hält allem Stand.

00:09:11: Dann wird da eine biblische Aussage, ein biblischer Satz, wirklich zu einem Instrument, zu einer Waffe gemacht.

00:09:17: Das fällt alles unter spirituellen Missbrauch, zum Teil eben auch unter sexuellen Missbrauch.

00:09:22: Und das ist ein riesiges Spektrum, letztlich, das wir uns angucken. Und eben auch aufdecken:

00:09:28: Zum einen, was machen die Täter?

00:09:30: Was machen die Täterinnen?

00:09:31: Wie arbeiten die?

00:09:32: Mit welchen Strategien?

00:09:33: Mit welchen Mitteln?

00:09:35: Wir gucken uns an, welche Auswirkungen hat es bei den Betroffenen?

00:09:38: Also spiritueller Missbrauch ist von den Auswirkungen her nicht weniger schlimm, in Anführungszeichen, als sexueller Missbrauch.

00:09:46: Das wäre jetzt auch meine Frage gewesen, denn der eine oder andere denkt vielleicht, naja, ist ja nur im Kopf sozusagen, ist ja nicht so schlimm, wie jetzt tatsächlich eine Vergewaltigung oder so.

00:09:54: Also leiden die Opfer da genauso drunter?

00:09:56: Ja, also die Opfer leiden sehr drunter.

00:09:59: Eine Betroffene hat gesagt, sexueller Missbrauch, die also beides erlitten hat, sexueller Missbrauch macht dich nackt, geht wirklich an deinen Körper, du stehst mit nichts da.

00:10:10: Und der spirituelle Missbrauch, der dann on top kommt, der geht ins Innerste, der nimmt dir das Allerletzte, du bist nicht mehr du selbst.

00:10:18: Also er hat gesagt, ich bin nicht mehr ich.

00:10:20: Und die Folgen können sein somatische Krankheiten, viele Berichten von Herzproblemen, von Magenproblemen, von nicht erklärbaren Krankheitssymptomen bis hin zu Burnout, Arbeitsunfähigkeit, aber eben auch von psychischen Erkrankungen bis hin zu Suizid.

00:10:39: Also in dem letzten Buch, was wir rausgegeben haben über spirituellen Missbrauch, sind mehrere Frauen, die tatsächlich als Folge des Missbrauchs Suizidalität beschreiben.

00:10:49: Das war mir vorher nicht so bewusst.

00:10:51: Also ich meine, dass Menschen ihre Macht missbrauchen, das ist ja das eine.

00:10:55: Aber dass es wirklich so viele verschiedene Ebenen gibt und so viele verschiedene Ausprägungen, das war mir, bevor ich mich vorbereitet habe, auf diese Folge nicht bewusst.

00:11:04: Und wir kommen da auf jeden Fall später nochmal genauer dazu, wie es dazu kommt und was man vielleicht auch dagegen tun kann.

00:11:09: Darum soll es ja in dieser Podcastfolge geben.

00:11:11: Lassen Sie uns nochmal ein bisschen Wording klären.

00:11:14: Sie unterscheiden auch zwischen Missbrauch und Gewalt gegen Frauen.

00:11:19: Können Sie uns erklären, wo machen Sie da eine Unterscheidung?

00:11:22: Warum ist es Ihnen wichtig, dass man das nicht einfach Synonym benutzt?

00:11:25: Grundsätzlich mal ist Missbrauch ja ein juristisch eingeführter Begriff, eben die Verletzung des in dem Fall sexuellen Selbstbestimmungsrechts bei sexuellem Missbrauch.

00:11:33: Und wir plädieren, eben weil wir das auch personenbezogen verstehen, im Moment dafür, den Missbrauchsbegriff quasi als Oberbegriff für diese gesamte Forschung zu verwenden, die wir machen.

00:11:43: Also ich sage immer, ich mache Missbrauchsforschung.

00:11:46: Selbstverständlich sprechen wir auch von Gewalt gegen Frauen.

00:11:49: Ich würde aber den Gewaltbegriff nicht als Oberbegriff verwenden, weil wir auch so betroffenenorientiert arbeiten.

00:11:55: Und viele Betroffene sagen, das, was mir passiert ist, ist quasi gewaltfrei gewesen.

00:12:01: Das waren zum Teil erschlichene, manipulierte, vermeintliche Konsense, dass die Frauen oft Jahre danach sagen, ich dachte immer, ich hätte das auch gewollt.

00:12:10: Aber nein, eigentlich, das ging gegen meinen Willen.

00:12:13: Eigentlich war ich nicht in der Lage, wirklich zuzustimmen.

00:12:15: Aber die sagen, ich habe keine Gewalt erfahren.

00:12:18: Und das möchten wir auch ernst nehmen.

00:12:20: Das heißt, wenn Betroffene sagen, ich habe keine Gewalt erfahren, wer bin ich als Forscherin, dann zu sagen, ich rede aber trotzdem bei dem, was dir passiert ist von Gewalt.

00:12:28: Also da möchten wir differenzieren.

00:12:31: Und zum anderen, es gibt ja einen kulturell geprägten Begriff von Gewalt, auf den wir uns alle relativ schnell einigen können, wenn es also wirklich zu Zwang kommt.

00:12:41: Und da gibt es ja auch Unterscheidungen, also zum Beispiel sexuelle und sexualisierte Gewalt.

00:12:46: Und wenn wir von sexueller Gewalt sprechen, dann sprechen wir davon, dass Sexualität gewalthaft daherkommt, also mit Zwang, unter Druck und so weiter.

00:12:55: Und sexualisierte Gewalt, das ist Gewalt, die mit sexuellen Mitteln kommt, wo es also letztlich gar nicht um Sex geht, sondern da geht es um Gewalt, da geht es um Unterdrückung.

00:13:03: Das beste Beispiel sind War-Rapes, also Kriegsvergewaltigungen, die man ja jetzt auch in Nahost wieder ganz massiv sieht.

00:13:11: Also die Hamas hat ja schlimmste sexualisierte Gewalt an den Frauen verübt und denen ging es natürlich nicht um irgendeine sexuelle Befriedigung, sondern das ist wirklich reiner Zerstörungs- und Unterdrückungs- und Gewaltwille.

00:13:25: Und deswegen versuchen wir hier sehr diffizil zu unterscheiden.

00:13:29: Ich meine, das ist ja auch Aufgabe von Forschung zu gucken, wie gehen wir begrifflich an die Dinge ran und versuchen eben deswegen nicht sexualisierte Gewalt als Oberbegriff für alle Phänomene zu nehmen, sondern um hier wirklich auch genau zu differenzieren und damit auch den Erfahrungen der Betroffenen gerecht zu werden.

00:13:51: Ja. Sie haben vorher gesagt, Sie sind Mitglied im katholischen Deutschen Frauenbund und schon da auf das Thema der Frau in der katholischen Kirche gestupst worden, sagen wir mal.

00:14:00: Sie sind ja auch einfach eine Frau in der katholischen Kirche, in der prominenten Stellung.

00:14:04: Warum ist Ihre Forschung jetzt spezifisch auf Gewalt gegen Frauen in der katholischen Kirche?

00:14:10: Warum braucht es diese Geschlechterspezifik?

00:14:13: Vielleicht fange ich da tatsächlich auch mit der ersten Veröffentlichung an, die wir gemacht haben zu diesem Thema.

00:14:19: Und zwar in Deutschland ist im Jahr 2010 sind so die ersten massiven Missbrauchsfälle auf einer systemischen Ebene bekannt geworden.

00:14:27: Und dann gab es erste Studien, die aber vor allem sich zu minderjährigen Opfern befasst oder darauf fokussiert haben.

00:14:34: Und wir haben im Frauenbund damals schon sehr klar gesagt, okay, das ist eine Einschränkung, wenn es um Minderjährige geht.

00:14:42: Es gibt auch unter Frauen Betroffene von sexuellem Missbrauch und haben dann im Jahr 2019/20, einen Aufruf gestartet über die Zeitschrift des Katholischen Deutschen Frauenbunds und haben Frauen aufgerufen: Wenn ihr Missbrauch erfahren habt in der katholischen Kirche, meldet euch bei uns, schreibt uns eure Geschichte auf.

00:15:01: Und aus diesem Aufruf ist dann ein Buch entstanden, das heißt "Erzählen als Widerstand", in dem wir 23 Berichte von Frauen gesammelt haben, eine davon aus der evangelischen Kirche, 22 aus der katholischen Kirche, die ganz unterschiedliche Fälle von Missbrauch erfahren haben.

00:15:20: Und man muss noch mal bedenken, wir waren damals wirklich am Anfang, also eine unserer Erkenntnisse damals aus diesen Berichten war, dass wir differenzieren können zwischen spirituellem und sexuellem Missbrauch und dass sexueller Missbrauch in der Regel in der Kirche mit spirituellem Missbrauch einhergeht, dass spiritueller Missbrauch aber nicht immer sexueller Missbrauch sein muss.

00:15:39: So, also das waren so die ersten Schritte, die wir gegangen sind.

00:15:41: Und dieses Buch ist tatsächlich eingeschlagen wie eine Bombe.

00:15:44: Also das ist bis heute, würde ich sagen, im deutschen Bereich die Initialzündung gewesen, um dieses Gebiet überhaupt auf den Tisch zu kriegen.

00:15:54: Es ist auch ausgezeichnet worden, dieses Buch mit dem Marga-Bührig-Preis, um das mal nebenbei zu erwähnen.

00:15:59: Dankeschön.

00:16:02: Die Frage war ja, warum Frauen?

00:16:04: Also unsere Forschung bedeutet jetzt nicht, dass wir sagen, es gibt keine anderen Betroffenen.

00:16:10: Also natürlich gibt es auch erwachsenen Männer, die betroffen sind.

00:16:13: Wir gucken aber spezifisch mit einem geschlechtsspezifischen Fokus eben auf Frauen, so wie man das in den Gender Studies ja auch macht.

00:16:21: Und Frauen sind eine Betroffenengruppe, wo wir auch wieder ganz spezifische Faktoren sehen können.

00:16:28: Zum Beispiel die Gruppe der Ordensfrauen ist eine spezifische Gruppe, von denen in den 1990er Jahren schon bekannt war, da ist schon nach Rom gemeldet worden, dass auf allen Erdteilen, wirklich auf allen Kontinenten, massiver Missbrauch stattfindet mit erzwungenen Abtreibungen, mit Vergewaltigungen, also schlimmste Dinge.

00:16:50: Und es ist nichts passiert.

00:16:52: Das heißt, wir haben hier eine Betroffenengruppe, die man sich genauer angucken könnte, was auch wieder nicht heißt, dass es nur Ordensfrauen sind.

00:16:59: Aber das ist eine Betroffenengruppe, die man sich genauer angucken kann.

00:17:02: Dann gibt es in der katholischen Kirche ja immer noch eine eigene Vorstellung von den Geschlechtern, also die Anthropologie, wie Männer sind und wie Frauen sind.

00:17:12: Das spielt da auch mit rein.

00:17:14: Und dann gibt es noch was.

00:17:15: Frauen haben eine erhöhte reproduktive Vulnerabilität.

00:17:19: Das heißt, die sind viel verletzlicher, dass sie schwanger werden können zum Beispiel, dass sie dann auch wirklich Kinder kriegen.

00:17:25: Das ist frauenspezifisch.

00:17:27: Und deswegen forschen wir eben auch zu diesem ganz bestimmten Fokus.

00:17:33: Das heißt, dass Missbrauch von Frauen innerhalb der Kirche, bevor sie jetzt damit angefangen haben, darüber zu forschen, tatsächlich noch ein Tabuthema war?

00:17:42: Missbrauch an Frauen war, man könnte sagen, so ein known unknown.

00:17:48: Also irgendwie hat man schon immer gewusst, dass was passiert.

00:17:52: Also wie gesagt, es gab ja auch schon Berichte, die sind nur einfach nicht rezipiert worden.

00:17:59: Der Blick auf Mädchen und Frauen ist auch so ein bisschen im Hintergrund auch gewesen.

00:18:04: Also diese große MHG-Studie, die hat nur auf Minderjährige geguckt, hat zum Ergebnis, dass circa 35 Prozent weibliche Betroffene sind.

00:18:13: Und klar, entsprechend 65 Prozent sind männliche Betroffene, aber 35 Prozent sind weibliche Betroffene.

00:18:19: Und die kamen so ein bisschen im Hintergrund immer.

00:18:21: Es ging vor allem um die Jungs.

00:18:23: Die missbraucht worden sind.

00:18:26: Wir wollen natürlich auf gar keinen Fall das eine gegen das andere irgendwie aufwiegen oder so, sondern nur, das Unrecht, das bisher widerfahren ist, dass eben die Frauen nicht so wahrgenommen worden sind, hier richtig stellen.

00:18:36: Also wir sagen nicht, dass das eine irgendwie schlimmer ist als das andere oder weniger schlimm.

00:18:40: Im Gegenteil.

00:18:41: Also unser Anliegen ist, dass wir zum Teil auch willkürliche Grenzziehungen aufheben.

00:18:46: Also Missbrauch passiert an Kindern und an Erwachsenen.

00:18:51: Missbrauch passiert an Männern und Frauen und allen dazwischen und darüber hinaus.

00:18:55: Missbrauch passiert an alten und an jungen Menschen.

00:18:59: Missbrauch passiert an gesunden und nicht gesunden Menschen.

00:19:02: Also unser Anliegen ist zum einen zu sagen, diese Beschränkung, die in der Öffentlichkeit passiert - Missbrauch in der katholischen Kirche, es sind vor allem minderjährige Jungen - das aufzubrechen und zu sagen, es ist ein Bereich und der ist wichtig und der ist auch zunehmend erforscht.

00:19:19: Aber es gibt so viel mehr, das unsichtbar geblieben ist und das aber auch spezifische Faktoren hat.

00:19:24: Also deswegen gucken wir ja eben auch geschlechtsspezifisch auf ganz bestimmte Faktoren, was überhaupt nicht heißt, dass wir was anderes ausschließen wollen, sondern das ist unser Forschungsfeld, unser Forschungsfokus und der hat auch eine unbedingte Berechtigung.

00:19:42: Sie haben die MHG-Studie jetzt schon öfters genannt.

00:19:45: MHG steht für Mannheim Heidelberg Gießen, also die Orte, wo dieses Forschungskonsortium sitzt.

00:19:52: In den letzten Jahren kam man ja überhaupt nicht drumrum, immer wieder in den Medien von Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche zu hören und zu lesen.

00:19:59: Aber ich habe mir gedacht, ein Überblick über das, was insgesamt bereits an Aufdeckung passiert ist, wäre bestimmt an dieser Stelle hilfreich, damit wir alle so ein bisschen auf dem gleichen Stand sind.

00:20:09: Deswegen habe ich meinen Kollegen Jan Kleine gebeten, die Geschichte und den Stand der Aufarbeitung für uns zu recherchieren und zusammenzufassen.

00:20:20: Unsere Wahrnehmung von Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche ist vor allem durch die Berichterstattung in den Medien geprägt.

00:20:26: Die Aufarbeitung lässt sich grob in drei Phasen einteilen.

00:20:30: Phase 1: In den 1990er und 2000er Jahren wurden vor allem Einzelfälle von Kinderpornografie oder sexuellen Übergriffen an Kindern und Jugendlichen publik.

00:20:39: Phase 2: Das Jahr 2010 stellt einen Wendepunkt dar.

00:20:43: In der Berichterstattung und damit auch in der öffentlichen Wahrnehmung des Themas.

00:20:47: Das Ausmaß und der systemische Charakter der Taten werden sichtbar.

00:20:51: Der öffentliche Brief des Jesuiten Klaus Mertes bringt den Stein Ende Januar ins Rollen.

00:20:56: Der Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin war von Betroffenen auf Missbrauchsfälle an seiner Schule aufmerksam gemacht worden.

00:21:03: Daraufhin wendet er sich mit einem Brief an ehemalige Schüler der Schule und macht den Missbrauch öffentlich.

00:21:09: Er schreibt, Jesuiten hätten an der Schule in den 70er und 80er Jahren Schüler missbraucht, systematisch und über Jahre hinweg.

00:21:17: Angesichts der bekannt gewordenen Missbrauchsfälle bitten die deutschen Bischöfe auf ihrer Vollversammlung in Freiburg im Februar 2010 um Entschuldigung.

00:21:25: Ein Sonderbeauftragter für das Thema wird ernannt und eine Hotline für Betroffene eingerichtet.

00:21:30: In den folgenden Monaten kommen immer mehr Vorfälle in immer mehr Einrichtungen ans Licht.

00:21:36: Eine Meldung folgt auf die andere.

00:21:38: Die Berichterstattung und das Sprechen über Missbrauch in der Kirche verändern sich.

00:21:42: Es stehen nicht mehr nur einzelne Täter im Zentrum, sondern ganze Systeme werden hinterfragt.

00:21:48: Phase 3: Die Berichte aus dem Jahr 2010 hinterlassen deutliche Spuren.

00:21:52: Der Ruf nach Aufarbeitung und Maßnahmen zur Systemveränderung ist laut.

00:21:56: Wissenschaftliche Studien werden angekündigt.

00:21:59: Die wichtigste ist die MHG-Studie, veröffentlicht im Jahr 2018.

00:22:03: Ihr Ziel: Sie sollte die Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen durch Diözesan-Priester, Diakone und Ordenspriester im Verantwortungsbereich der Deutschen Bischofskonferenz ermitteln.

00:22:15: Sie zeigt aber auch die strukturellen Möglichkeiten für Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche auf.

00:22:20: Ebenso die Strategien der Vertuschung und den mangelhaften Umgang mit Betroffenen.

00:22:25: Untersucht wurde der Zeitraum zwischen 1946 und 2014.

00:22:30: Die Studie fand bei 1670 beschuldigten Klerikern Hinweise auf sexuellen Missbrauch.

00:22:35: Das sind 4,4 Prozent aller Kleriker im Untersuchungszeitraum.

00:22:40: Bei Diözesan-Priestern beträgt der Anteil 5,1 Prozent.

00:22:44: Laut der Studie wurde also mehr als jeder 20. Diözesan-Priester zum Täter.

00:22:49: 3677 Kinder und Jugendliche waren betroffen.

00:22:53: Mehr als die Hälfte der Kinder war beim ersten Missbrauch 13 Jahre oder jünger.

00:22:58: Und jenseits der Studie wird noch eine hohe Dunkelziffer vermutet.

00:23:01: Die Studie weist darauf hin, dass die Reaktion der Kirchenverantwortlichen in einer Vielzahl der Fälle inadäquat war.

00:23:08: Der Schutz von Institutionen und Beschuldigten hatte oft Vorrang vor den Interessen von Betroffenen.

00:23:13: Die Verschleierung und mangelnde Aufarbeitung von Missbrauchsdelikten weise auf ein systemisches Versagen in der katholischen Kirche hin.

00:23:20: Was die Studie überhaupt nicht erfasst hat, sind Übergriffe und Missbrauch an Erwachsenen.

00:23:25: Deshalb kann man etwa ab dem Jahr 2020 eine vierte Phase in der Aufarbeitung erkennen.

00:23:30: Zum ersten Mal treten jetzt auch erwachsene Betroffene an die Öffentlichkeit und werden wahrgenommen.

00:23:41: Frau Leimgruber, ich hab das selten so deutlich formuliert gehört.

00:23:44: Es geht also tatsächlich nicht um Einzeltäter, sondern das Problem ist in der Kirche tatsächlich strukturell bedingt.

00:23:51: Stimmt das?

00:23:51: Sehen Sie das auch so?

00:23:53: Ja, es ist tatsächlich ein, wir nennen es ein falsches Narrativ, zu sagen es seien nur Einzeltäter, weil die könnte man ja dann ganz einfach identifizieren und das große Ganze würde da nicht angetastet werden.

00:24:06: Also als müsste man quasi nur diese einzelnen Personen, wenn man die identifiziert hat, rausnehmen.

00:24:10: Und der Rest ist gut und heile.

00:24:13: Und das stimmt einfach nicht.

00:24:14: Also es gibt wirklich systemische Faktoren und die sind aus unserer Sicht auf unterschiedlichen Feldern auch angesiedelt.

00:24:24: Also das ist institutionell, das ist von der Theologie her, das ist von der Organisation her.

00:24:31: Und also als Beispiel die MHG-Studie nennt als einen solchen Faktor den Klerikalismus.

00:24:38: Klerikalismus bedeutet, wenn Kleriker, also Geweihte Männer, Priester, ihren eigenen Status innerhalb der Kirche, als einen überhöhten Status, als Dominanzstatus verstehen und als besseren Status verstehen und von dem her dann Menschen dominieren wollen und unterdrücken wollen.

00:24:56: Also wenn die quasi ihr eigenes Kleriker-Sein überhöhen.

00:24:59: Und da kann man auch wieder sagen, gut, es sind vielleicht Einzelne, die das so machen.

00:25:04: Wir in der Forschung würden aber sagen, es ist gewissermaßen das katholische Dispositiv, weil das Katholische ist darauf angelegt, diese Unterscheidung zwischen Kleriker und Laien zu machen.

00:25:14: Die Kleriker, die ja zum Beispiel auch als in Persona Christi handelnd dargestellt werden in den Sakramenten, also wirklich stellvertretend für Christus.

00:25:23: Das heißt, es ist ein theologischer Topos, der dazu führen kann, dass dieses Klerikale in der Kirche herrscht, wo eine Asymmetrie ist, inklusive wirklich Hierarchie zwischen Kleriker und Laie-Laiin, also Laie oder Laien in der Kirche sind nicht Dilettanten oder Dilettantinnen, sondern das sind Menschen, die nicht geweiht sind.

00:25:44: Und natürlich hört man immer wieder von Bischöfen, nein, nein, da ist überhaupt kein Werteunterschied da, aber de facto ist es einer und er wird immer wieder auch so gelebt.

00:25:54: Das sind systemische Faktoren, also das erforschen wir und das ist jetzt nur ein systemischer Faktor.

00:26:00: Wir können nur noch ganz viele andere systemische Faktoren identifizieren.

00:26:04: Ich persönlich forsche z.B. zu Seelsorgesettings.

00:26:09: Das heißt, was bedeutet ein Seelsorgesetting für die Personen, für die Institution?

00:26:14: Und auch da ist ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Person, die Seelsorge betreibt, also Seelsorger, Seelsorgerin, das muss noch gar nicht mal ein Priester sein, und der Person, die begleitet wird in der Seelsorge.

00:26:28: Und das sind dann also nicht einzelne Menschen, sondern das ist eine systemische Frage und ich forsche eben zu diesen systemischen, wie ich das nenne, Vulneranzen, also wirklich ein systemischer institutioneller Verletzungspotenzial, was in diesen Seelsorgebeziehungen steckt.

00:26:46: Und dann frage ich, was gehört denn dazu, professionell Seelsorge zu betreiben?

00:26:50: Die Asymmetrie, von der sie gerade im ersten Punkt gesprochen haben, die kommt wahrscheinlich auch dadurch, dass einfach vor allem Männer in diesen Machtpositionen sitzen in der katholischen Kirche, dass eben nur Männer Priester werden können.

00:27:03: Oder ist das ein plattes Argument?

00:27:06: Das ist ein Argument, das zählt, das aber nicht hinreichend ist.

00:27:10: Also selbstverständlich sind Priester in vielen Bereichen auf Positionen, wo sie eben eine Leitungsposition haben, wo sie auch theologisch in einer übergeordneten oder in einer Macht- und Abhängigkeits-, in einer hierarchischen, asymmetrischen Position sind.

00:27:26: Gleichzeitig gibt es aber auch Umstände, in denen es nicht darauf ankommt, ob jemand Priester ist als Mann, sondern wo auch Frauen oder nicht Priester in Macht, in hierarchischer, übergeordneter oder zumindest in einer verantwortungsvolleren Position sind.

00:27:42: Also wo da Asymmetrien sind, das ist eben bei der Seelsorge zum Beispiel, das muss nicht nur ein Priester sein.

00:27:47: Oder in Ordensgemeinschaften, wo Frauen die Leitungsposition inne haben, also wo die Äbtissinnen sind, wo die Generaloberinnen sind und damit also wirklich auch eine Machtposition inne haben.

00:27:58: Frauen sind genauso geistliche Begleiterinnen wie Männer oder Priester geistliche Begleiter sind.

00:28:03: Also das heißt, wir haben so mehrfache Asymmetrien, die wir beobachten.

00:28:08: Es gibt also die eine Asymmetrie in einem hierarchischen Verhältnis eben, zum Beispiel eine professionelle Position in der Seelsorge und eine begleitete Position in der Seelsorge.

00:28:19: Das ist eine Hierarchie.

00:28:21: Wir haben eine Hierarchie zwischen Chef oder Chefin und Angestellter oder eben Ordensleitung und Auszubildender in einem Orden.

00:28:29: Und wir haben noch eben diese - und das ist eine spezifisch kirchliche Asymmetrie - die zwischen Kleriker und Laien und Laiinnen.

00:28:36: Und zum Teil kommen mehrere dieser asymmetrischen Verhältnisse zusammen und führen dann eben zu Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen.

00:28:45: Also auch die Deutsche Bischofskonferenz hat in ihrer Ordnung, wo es um sexuellen Missbrauch geht, die ist schon einige Jahre alt, steht, dass eben in der Seelsorge so ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis entstehen kann.

00:28:58: Das heißt, die sehen diese Probleme.

00:29:01: Es wird halt aus unserer Sicht nur ungenügend dann angewandt.

00:29:05: Aber dass diese Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse bestehen, die dann ausgenutzt werden können, das liegt eigentlich auf dem Tisch.

00:29:12: Das liegt in der Kirche auf dem Tisch.

00:29:13: Wir in der Forschung erforschen das intensiv.

00:29:17: Aber da könnte durchaus noch mehr passieren, auch in der Arbeit mit den Betroffenen.

00:29:23: Aus dem, was Sie jetzt gerade gesagt haben, höre ich aber ganz klar raus, es sind also nicht nur Täter, über die wir sprechen, sondern auch Täterinnen.

00:29:31: Ich denke, das muss man ganz klar nochmal sagen.

00:29:33: Also die Menschen, die Übergriffe an anderen vornehmen, sind nicht immer männlich, wie man sich das vielleicht vorstellt.

00:29:42: Richtig.

00:29:42: Also natürlich sind nach dem, was wir bisher wissen, die Mehrzahl Männer und die Mehrzahl Priester.

00:29:50: Gleichzeitig, das ist glaube ich wirklich wichtig zu betonen, es sind nicht nur Priester, sondern wir wissen zum Beispiel auch von einem Organisten, der wirklich schweren Missbrauch begangen hat an den Chormitgliedern.

00:30:03: Und es sind eben auch Frauen, die als Täterinnen infrage kommen, als Haupttäterinnen, aber eben auch als Mitwisserinnen, als Mittäterinnen.

00:30:11: Also in dem Buch "Erzählen als Widerstand" gibt es die Szene, wo eine Ordensfrau mit dem Priester gemeinsam die Frau, die zu geistlicher Begleitung bei ihnen ist, dann vergewaltigt.

00:30:22: Also der Priester vergewaltigt die und die Frau, die Ordensfrau, ist wirklich mit dabei.

00:30:26: Also da wissen wir von einigen Geschichten, dass es hier Mittäterinnen gab.

00:30:30: Und dann gibt es ja noch diesen ganz großen Bereich, der auch noch viel mehr erforscht werden muss, der sogenannten Bystander und Bystanderinnen.

00:30:38: Also dass Menschen wissen, was passiert, dass die Zuschauen es nicht wahrhaben wollen, es nicht glauben wollen, nichts dagegen unternehmen, die Unsichtbarkeit auch übernehmen.

00:30:51: Also das ist ja noch mal ein riesiges Feld.

00:30:53: Und da sind natürlich auch wiederum alle Geschlechter vertreten.

00:30:56: Und damit sind wir jetzt in ihrer Forschung eigentlich schon längst angekommen.

00:31:01: Sie schauen nach Mustern und Strukturen, die es eben in diesem Missbrauch und in dieser Gewalt gegen Frauen gibt.

00:31:10: Was genau untersuchen sie denn da?

00:31:12: Wie gehen sie vor?

00:31:13: Was machen sie?

00:31:15: Also Sie haben ja gerade diese Rede von den Mustern angesprochen.

00:31:18: Also wir reden von Missbrauchsmustern.

00:31:20: So heißt auch unsere Homepage missbrauchsmuster.de oder eben auf Englisch Hidden Patterns, also verborgene Muster.

00:31:26: Damit sind wir schon relativ nah an dem, was wir erforschen.

00:31:28: Das heißt, für uns ist der Missbrauch von erwachsenen Frauen, was ja unser Spezialfokus ist, ist ja in der Öffentlichkeit quasi unsichtbar und war auch über lange Zeit unsichtbar.

00:31:41: Also vielleicht als known unknown bewusst.

00:31:44: Aber bis heute hört man ja ganz oft, missbrauch an Erwachsenen gibt es nicht, die können ja Nein sagen.

00:31:50: Es stimmt natürlich nicht, dass die einfach Nein sagen können, by the way.

00:31:55: Wir sagen also, dieser Missbrauch an erwachsenen Frauen ist ein epistemisches Problem, also ein Wissensproblem.

00:32:02: Denn diese Unsichtbarkeit oder Nichtbewusstheit, Nichtgewusstheit ist auf Prozesse von gesellschaftlichen, kirchlichen, kulturellen oder theologischen Wissensproduktionen zurückzuführen.

00:32:16: Das heißt, wir stellen Fragen wie: Was wissen wir über Missbrauch und was wissen wir nicht über Missbrauch?

00:32:21: Wie entsteht Wissen über Missbrauch?

00:32:23: Nehmen sich Betroffene selber als Wissenssubjekte wahr, werden sie von anderen als Wissenssubjekte wahrgenommen?

00:32:30: Was wird kommuniziert und von wem wird es kommuniziert?

00:32:33: Wie wird es kommuniziert?

00:32:33: Also diese Fragen stellen wir.

00:32:35: Stellen sie sich die selbst oder machen sie auch Umfragen?

00:32:38: Umfragen ist eine der methodischen Arten, wie wir forschen.

00:32:42: Also derzeit entsteht bei mir an der Professur eine Studie von einer Kollegin, die mit 15 Ordensfrauen Interviews geführt hat, wie diese Ordensfrauen als Ordensfrauen sexuellen Missbrauch erfahren haben.

00:32:57: Und übrigens auch da kommt als eines der Ergebnisse raus, die wurden auch von Frauen im Orden sexuell missbraucht.

00:33:03: Also auch da wieder spiritueller Missbrauch, sexueller Missbrauch von Priestern, aber eben auch von Frauen innerhalb.

00:33:09: Also das ist so eine Studie, wie wir arbeiten.

00:33:12: Es gibt aber ja auch schon andere Texte von Betroffenen, wie zum Beispiel Gerichtsakten.

00:33:17: Und die Sache mit den Patterns ist, wir sagen also, dass die Praxis von Menschen mehr ist als nur ihre Handlung, sondern dass es eben auch unbekannte und trotzdem sehr wirkungsvolle Wissensordnungen gibt, kulturelle Ordnungen, die eben sowohl das Wissen als auch die Handlung und die Ausprägung von Gesellschaften und von einzelnen Menschen prägen.

00:33:38: Und mit dieser Herangehensweise gucken wir, welche Muster wirken und gelten in den Missbrauchserfahrungen, die Menschen machen.

00:33:51: Das nennen wir eben Hidden Patterns und können da dann ganz unterschiedliche Ebenen von solchen verborgenen Muster und Missbrauchsmustern identifizieren.

00:33:59: Also ein ganz einfaches Beispiel: Wie wird eine Beziehung, wie wird eine sexuelle Beziehung gedeutet?

00:34:05: Und so eine sexuelle Beziehung zwischen einem Priester und, sagen wir, einer Gemeindereferentin kann man oder wurde auch über lange Zeit gedeutet, nur so, es ist ja eine Affäre oder es ist halt so ein bisschen eine verkorkste Beziehung.

00:34:19: Wenn man sich das dann aber anguckt mit bestimmten Tools und hermeneutischen Werkzeugen, dann sehen wir da drinnen Abhängigkeitsverhältnisse, dann sehen wir da drinnen bestimmte geschlechtsspezifische Rollenerwartungen an Frauen, dann finden wir da bestimmte klerikalistische Erwartungen und Stereotype, dann sehen wir da also ganz unterschiedliche Muster kulturell, die wirken und die uns dann wieder erschließen lassen:

00:34:44: Also erst mal zu sagen, das ist nicht einfach eine konsensuelle Affäre.

00:34:47: Natürlich kann es sein, aber wer unter Ausnutzung von Macht und Abhängigkeitsverhältnissen, Chef - Angestellte, ganz einfaches Beispiel, es kann noch komplexer werden, aber wer unter Ausnutzung von solchen Verhältnissen eine sexuelle Beziehung eingeht, dann ist es Missbrauch.

00:35:03: Es gibt Settings, in denen ist ein Konsens überhaupt nicht möglich.

00:35:06: Also beim therapeutischen Bereich ist es völlig klar, wenn ich eine Psychotherapie mache, dann ist absolut eindeutig geregelt, auch strafrechtlich geregelt, Paragraf 174c, Strafgesetzbuch, dass eine sexuelle Handlung innerhalb dieses Verhältnisses, unter Ausnutzung dieses Verhältnisses, strafbar ist.

00:35:24: Und egal von wem das dann ausgeht, der Therapeut, die Therapeutin, diese Person, die das eben verantwortet, die steht als Täterin dann im Mittelpunkt.

00:35:33: Und das gilt für seelsorgliche Beziehungen auch.

00:35:37: Das heißt also -

00:35:38: Gilt auch, dass das strafbar ist?

00:35:41: Nein, leider nicht.

00:35:42: Das wäre so eines der politischen Ziele, die wir haben, dass also diese Analogie von seelsorglichen Verhältnissen zu therapeutischen Verhältnissen ins Strafgesetzbuch in diesem § 174c mit aufgenommen wird.

00:35:54: Das interessante daran ist, dass die Bischöfe selber in einem offiziellen Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz sagen, dass diese Analogie besteht.

00:36:04: Sie verweisen auch auf diesen § 174c Strafgesetzbuch, sagen auch, es ist wie in einem therapeutischen Verhältnis.

00:36:11: Nur der Gesetzgeber müsste das halt auch umsetzen, damit es dann auch wirklich angewandt werden kann, weil sonst ist es ein bisschen ein zahnloser Tiger.

00:36:20: Das heißt, dass Frauen selbst solche Übergriffe nicht als Missbrauch wahrnehmen, ist ein solches Pattern.

00:36:26: Und dass die Außenwelt das deswegen auch nicht wahrnimmt, auch.

00:36:31: Habe ich das richtig verstanden?

00:36:32: Ja, bei den Betroffenen ist es oft so, dass die - das ist aber auch ein Ergebnis dieser Missbrauchsbeziehung, die ja in der Regel strategisch und über eine lange Zeit hinweg vorbereitet wird, man nennt das auch Grooming - dass die oft eben glauben, sie geben eine Zustimmung.

00:36:48: Also es gibt natürlich also diese klassischen Fälle, wo ein Priester hergeht und eine Frau vergewaltigt.

00:36:53: Das ist aber eher die Ausnahme.

00:36:54: Sondern es gibt oft eine sehr lange Grooming-Phase, wo eine Abhängigkeit hergestellt wird.

00:37:00: Und dann wirken aber geschlechtsspezifische Muster.

00:37:04: Also wir sind der Überzeugung, dass der Missbrauch von Frauen nicht zu trennen ist von der Macht von Geschlechtergrammatiken, die den Körpern und auch den Identitäten von Frauen eingeschrieben ist.

00:37:15: Also Frauen sind auch in der Gesellschaft immer noch diejenigen, die quasi Bedürfnisse von anderen über die eigenen Bedürfnisse stellen.

00:37:22: Also sei es jetzt die Bedürfnisse des Ehemannes oder die Bedürfnisse der Kinder.

00:37:26: So die Frau kommt als Letzte.

00:37:27: Die Frau ist auch in der Gesellschaft immer noch die, die süß und zart zu sein hat, die eher mal Ja sagt.

00:37:32: Dann gibt es auch so Vergewaltigungsmythen.

00:37:34: Eine Frau, die Nein sagt, meint aber ja eigentlich Ja.

00:37:37: Und so weiter und so fort.

00:37:39: Also da sind ganz viele solche gesellschaftlichen Wissensstrukturen und Wissensordnungen.

00:37:44: Wenn man mit denen auf die spezifischen Fälle guckt, dann erschließt sich ein völlig anderes Bild.

00:37:51: Und mit diesen Mustern sieht man, dass die den Missbrauch überhaupt erst ermöglichen.

00:37:55: Weil eine Frau - das haben wir ja ganz viele - nie gelernt hat, zum Beispiel mit einem Priester zu widersprechen, die befördern Vertuschung, weil es war ja nur eine Affäre, obwohl es alles andere als eine Affäre war, weil sie eben nicht frei zustimmen konnte.

00:38:09: Oder die überhaupt die Existenz verleugnen.

00:38:11: Die sagen, es waren zwei erwachsene Menschen, geht uns nichts an.

00:38:14: Und dann gibt es auch noch Muster, wo wir sagen, die sind wirklich ein Instrument, um den Missbrauch aktiv zu verbergen.

00:38:22: Also wir nennen die Hiding Patterns, verbergende Muster.

00:38:26: Dazu gehört zum Beispiel, dass man sich eine Frau als Täterin kaum vorstellen kann.

00:38:30: Eine Frau, die aggressiv jemand anderen unterdrückt, entspricht einfach nicht den Stereotypen von Frauen.

00:38:37: Und in der katholischen Lehre widerspricht es dann auch noch dem, wie in der Lehre eine Frau ist, die also stark mit mütterlichen Attributen, mit hingebungsvollen, aufopferungsvollen Attributen besetzt ist.

00:38:48: Das heißt, diese Muster verhindern, dass wir den Missbrauch sehen.

00:38:55: Und das versuchen wir wirklich auch wissenschaftlich und methodisch gesichert zu erforschen und aufzudecken.

00:39:03: Haben diese Hidden Patterns auch Auswirkungen auf ihre Forschung?

00:39:07: Macht das irgendwas mit ihnen?

00:39:09: Also wenn man bedenkt, dass 2020 "Erzählen als Widerstand" erschienen ist.

00:39:13: Wir haben jetzt 2023 einen neuen Band nur zu spirituellem Missbrauch herausgegeben.

00:39:18: Und trotzdem, jetzt haben wir 2024, müssen wir zum Teil immer noch begründen, warum wir geschlechtsspezifisch zu erwachsenen Frauen forschen.

00:39:30: Da würde ich schon sagen, den Widerständen sollten wir eigentlich nicht mehr begegnen.

00:39:33: Also da könnte man schon sagen, es sollte sich mittlerweile durchgesetzt haben.

00:39:38: In manchen der katholischen Diözesan-Studien hat sich das auch schon niedergeschlagen, dass man wirklich sagt, man macht nicht mit dem 18. Geburtstag einen Cut.

00:39:47: Übrigens, ich behaupte auch, wer diese Linie zieht zwischen Minderjährig und Erwachsenen und dann auch noch diesen 18. Geburtstag quasi als Distinktionsmerkmal nennt, der betreibt letztlich auch das Spiel der Täter.

00:39:59: Denn wir kennen einige Fälle, wo der Täter wirklich bis zum 18. Geburtstag gewartet hat, um dann Geschlechtsverkehr zu haben.

00:40:07: Das heißt, der hat das Mädchen damals noch mit 14, 13, 14 kennengelernt, so ganz klassisch, in irgendeiner Jugendgruppe, hat sich mit der extrem intensiv angefreundet, war irgendwie so ein bisschen geistliche Begleitung und bester Freund.

00:40:20: Dann kam es zu so Isolierungsprozessen, dass sie also extrem fokussiert auf ihn war.

00:40:26: Er hat es dann auch wirklich als die große Liebe, die Liebe Gottes, die Gott will für ihn und sie.

00:40:32: Und der weiß natürlich, dass mit Minderjährigen das auch rechtlich, auch natürlich kirchenrechtlich, nicht in Ordnung ist.

00:40:39: Und dann mit dem Acht...also teilweise, wir kennen Fälle, da hat der Priester als Geburtstagsgeschenk zum 18. Geburtstag verkleidet quasi: Jetzt können sie miteinander schlafen.

00:40:50: Und das ist quasi ein Ausdruck der Liebe Gottes zu ihr.

00:40:53: Und diese große Liebe, die da wirkt.

00:40:56: Also wer dann sagt, ja das geht uns da nichts mehr an, weil die Frau war erwachsen, da merkt man schon auch, dass das einfach auch eine willkürliche Grenzziehung ist.

00:41:05: Das heißt, eigentlich sollte es in der Missbrauchsforschung mittlerweile commonsense sein zu sagen, es gibt Missbrauch an unterschiedlichen Gruppierungen, unterschiedlichen Formen, mit unterschiedlichen systemischen betroffenen Täterfaktoren.

00:41:20: Und die gucken wir an und schließen nicht irgendwas nur nach dem Alter aus.

00:41:24: Also ich bin sprachlos bei den Beispielen, die sie bringen.

00:41:27: Das ist wirklich grauenvoll.

00:41:31: Lassen sie nicht nur uns über betroffene Menschen sprechen, sondern lassen sie uns zusammen auch mal betroffene Menschen zu Wort kommen lassen.

00:41:40: Sie haben vorher schon die Homepage missbrauchsmuster.de genannt.

00:41:43: Und da gibt es Ausschnitte aus dem Buch "Erzählen als Widerstand".

00:41:48: Und da hören wir jetzt in zwei Beispiele rein.

00:41:52: Möchten Sie kurz sagen, was haben Sie als erstes mitgebracht?

00:41:55: Die erste Geschichte ist die von Momo Eiche.

00:41:57: Alle Namen sind selbst gewählte Pseudonyme.

00:42:01: Momo Eiche ist insofern entsprechend das Beispiel, weil sie als Kind bereits missbraucht worden ist.

00:42:08: Und es ist eines von so Patterns, die wir immer wieder feststellen, dass es - also grundsätzlich können alle missbrauchsbetroffene werden.

00:42:18: Aber es gibt natürlich besondere Gefährdungen und das sind eben Menschen, die schon mit einer Vormissbrauchserfahrung, mit einer Vorvulnerabilität quasi den Tätern begegnen.

00:42:27: Und dieser Täter ist ihr Exerzitienleiter, hat dann eine lange Groomingphase auch mit ihr und dann kommt es zu einem relativ krassen sexuellen Missbrauch.

00:42:37: Er macht diesen sexuellen Missbrauch, aber indem er quasi an die vorher erlebte, als Kind erlebte Missbrauchserfahrung anknüpft und das als Heilung betitelt.

00:42:47: Also er sagt, das ist dann gut für dich, das werden wir jetzt dann gleich hören.

00:42:50: Und vielleicht noch, bevor wir reinhören, das letzte: Wir beobachten so Hidden Scripts, also verborgene Scripte, als wüssten die Täter, als hätten die sich alle abgesprochen und würden nach ähnlichen Drehbüchern verfahren.

00:43:02: Und zum Teil ist das wirklich so, ich lese einen betroffenen Bericht und denke, huch, habe ich den gestern schon gelesen?

00:43:08: Das ist aber ein anderer.

00:43:09: Die Täter sind zum Teil wirklich bis in die wörtlichen Zitate hinein, begründen die die Taten gleich.

00:43:16: Und eines dieser Hidden Scripts ist eben, dass das Täter sagen, das ist gut für dich, ich kann dich heilen.

00:43:21: Das, was du vorher an Verletzungen erfahren hast, kann ich quasi mit dem, was ich dir Gutes tue, heilen.

00:43:28: Und so ein Fall ist eben Momo Eiche.

00:43:31: In den Exerzitien 1984 hat P. Kroll mich das erste Mal in den Arm genommen.

00:43:38: Er ist auf einmal mitten im Gespräch aufgestanden, hat sich hingestellt, seinen Arm ausgestreckt und gesagt, komm, nimm diesen Arm, du darfst ihn nehmen.

00:43:48: Er wiederholte das immer wieder.

00:43:49: Ich sagte, ich will ihn ja nehmen, aber ich habe Angst, dass dieser Arm mich festhält.

00:43:54: Er sagte, nein, da musst du keine Angst haben.

00:43:58: Dann nahm ich den Arm.

00:43:59: Er legte den Arm um mich und sagte, ich will dich lieben, weil du das brauchst.

00:44:04: Aber du sollst wissen, dass es nicht nur darum ist.

00:44:08: Er sagte, das ist völlig in Ordnung.

00:44:11: Das ist ganz rein, ganz sauber.

00:44:13: Gott will dir damit helfen, aber das darf niemand wissen.

00:44:17: Das ist unser Geheimnis.

00:44:19: Ich habe ziemlich stark gezittert.

00:44:22: Als ich abends mit den Schwestern in der Kommunität saß, fing ich immer wieder an zu zittern.

00:44:28: Die Schwestern fragten, was ist mit dir los?

00:44:30: Ich sagte, ich weiß es nicht.

00:44:32: Obwohl ich es genau wusste. Ich war völlig überfordert, weil ich nicht mehr wusste, was richtig und was falsch war und weil ich fürchtete, dass mir niemand glaubt.

00:44:45: Diese Texte sind von einer professionellen Sprecherin eingesprochen worden.

00:44:48: Das sind eben Texte, die in diesem Buch erscheinen.

00:44:50: Können Sie das Gehörte ein bisschen einordnen für uns?

00:44:53: Also an diesem ganz kurzen Ausschnitt kann man einige ganz typische Merkmale erkennen aus unserer Forschung.

00:45:01: Also zum Beispiel, das ist der Exerzitienleiter.

00:45:04: Das ist ein Pater, der als geistlicher Begleiter für diese Person in der Seelsorge zuständig ist.

00:45:09: Das heißt, da ist ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis wieder missbraucht, dieses professionelle Verhältnis.

00:45:14: Also in psychiatrisch und psychologischen Zusammenhängen spricht man hier von Professional Sexual Misconduct.

00:45:21: Dann dieses Ding, wo ich vorhin schon gesagt habe, also er sagt, Gott will dir damit helfen.

00:45:26: Also nochmal, das ist ja ganz perfide.

00:45:28: Es geht ihm um seine Bedürfnisse, die maskiert er aber einerseits mit Gott.

00:45:35: Also das heißt, es ist spiritualisiert, spiritueller Missbrauchsanteil.

00:45:39: Und dass es gut für die Person wäre.

00:45:42: Auch mit dem: Es ganz rein und ganz sauber.

00:45:45: Und das ist völlig in Ordnung.

00:45:47: Und du brauchst das.

00:45:48: Also es kommt alles da hinein.

00:45:50: Und dann sagt er, aber wir reden nicht drüber.

00:45:53: Auch ganz klassisch ein Schweigegebot, was die Betroffenen maximal isoliert.

00:45:58: Weil sie sagt ja auch, ich würde gerne drüber reden, aber ich kann nicht.

00:46:01: Ich muss schweigen.

00:46:03: Nächster Schritt, weil es hätte mir eh niemand geglaubt.

00:46:05: Also auch das wieder.

00:46:06: Die Frauen sind maximalst beschämt, fühlen sich schuldig auch und wissen, da gibt es einen Glaubwürdigkeits Vorbehalt.

00:46:15: Wer würde mir denn glauben?

00:46:18: Sie haben uns noch ein zweites Beispiel mitgebracht, um zu zeigen, dass es eben nicht nur sexuelle Übergriffe sind, sondern eben auch andere Formen von Missbrauch.

00:46:28: Wollen Sie uns vorher auch kurz noch was dazu sagen?

00:46:31: Das zweite Beispiel ist von einer Ordensschwester, Schwester Maria Gärtner, auch das ist ein selbst gewähltes Pseudonym.

00:46:37: Das ist ein Missbrauch, der sich über Jahrzehnte, also ich glaube 17 oder 18 Jahre hinweg erstreckt hat, auch da wieder ein Ordensmann, der über die Exerzitien in dieses Kloster gekommen ist.

00:46:51: Dieser Ordensmann ist ein ganz extrem charismatischer Typ.

00:46:54: Auch das beobachten wir oft, so ein sogenanntes Gurusyndrom.

00:46:57: Also je charismatischer diese Täter sind, umso weniger traut man ihnen das auch zu und umso mehr Erfolg haben sie auch.

00:47:05: So, und da ist es wirklich eine jahrzehntelange spirituelle Manipulation, Abhängigmachung, Unterdrückung von dieser Frau und die sagt, eigentlich ist sie erst frei geworden, als er dann tot war.

00:47:17: Sie ist richtig befreit an seinem Grab gestanden.

00:47:20: Und da hören wir auch jetzt einen ganz kurzen Ausschnitt aus dieser sehr langen Geschichte.

00:47:26: Der Pater hatte mich um besondere Augentropfen für einen Erzbischof in Osteuropa und auch um Spenden gebeten.

00:47:33: Ich sagte es meiner Oberin, die diese Medikamente besorgte und ihm auch Geld gab.

00:47:39: Immer wieder kam diese Bitte um Augentropfen, aber ich traute mich nicht immer, die Oberin zu fragen.

00:47:45: Und da ich als Krankenschwester arbeitete, bestellte ich sie über den Stationsbedarf und schickte sie ihm.

00:47:53: Ich bekam immer wieder von ihm befohlen, was und wie ich Dinge einfordern sollte, die in unserer Gemeinschaft nicht üblich, für ihn aber selbstverständlich waren.

00:48:04: Meine Schwierigkeiten wurden größer.

00:48:06: Zugleich hatte ich Angst, wenn ich ihm kein Geld mitbrachte oder Medikamente schickte.

00:48:13: Also tat ich es weiter heimlich.

00:48:16: Mich plagte ständig das schlechte Gewissen.

00:48:19: Einmal sagte ich am Telefon, das darf ich nicht, das ist gestohlen.

00:48:24: Daraufhin antwortete er, ich kann das vergeben.

00:48:28: Das ist für einen guten Zweck.

00:48:30: Das beruhigte mich kein bisschen.

00:48:34: Sieht man auch hier typische Muster?

00:48:37: Also auch hier sieht man wieder so eine Macht- und Autoritätsposition, die der Täter ausnutzt.

00:48:41: Und in dem Fall sogar, der animiert die zu Straftaten.

00:48:47: Und die Schwester sagt dann auch selber am Ende dieses Berichts, spricht sie also die Lesenden an und sagt, sie fragen sich bestimmt, warum ich dem so höhrig gegenüber war.

00:48:56: Und so eine jahrzehntelange Abhängigkeit führt wirklich eben dazu, dass solche Dinge gemacht werden.

00:49:03: Und es darf kein Blaming the Victim geben, sondern es ist wirklich so, dass diese Person Opfer war, immer auch in diesen Straftaten.

00:49:12: Dann, man sieht auch, der geht über jegliche Zweifel hinweg.

00:49:15: Also es ist ihm völlig egal.

00:49:16: Das heißt oft ja: Warum sagt er nicht nein.

00:49:18: Sie meldet ja Zweifel an.

00:49:20: Aber das spielt überhaupt keine Rolle für ihn.

00:49:23: Die werden wirklich nivelliert, diese Zweifel.

00:49:26: Und sagt dann, in der Beichte kann ich ja alles vergeben.

00:49:29: Also damit wieder ein theologisches Instrument wird da gebraucht, um diesen Missbrauch zu legitimieren und überhaupt auch durchzuführen.

00:49:38: Und das letzte, auch sie zeigt ganz viel Scham und Schuld.

00:49:41: Die ist isoliert, sie ist mit dem Problem allein.

00:49:44: Die kann mit niemandem drüber sprechen.

00:49:46: Und das ist dann ja auch wieder so eine spirale, ein Teufelskreis, der zu noch mehr Isolierung und zu noch mehr Abhängigkeit auch vom Täter führt.

00:49:54: Zum Teil ist der Täter die einzige Person, wo die noch ein halbwegs irgendein Verhältnis haben.

00:50:01: Jetzt sind sie ja Forschende und keine Beraterin.

00:50:04: Man möchte natürlich irgendwie gerne den Menschen helfen, aber das ist eigentlich nicht ihre Aufgabe.

00:50:09: Trotzdem kann und soll ihre Forschung auf vielen Ebenen helfen.

00:50:14: Was denken Sie, wobei und wie?

00:50:16: Also zum einen, ich glaube, das ist ja auch schon deutlich geworden, ist uns wirklich die Betroffenenperspektive extrem wichtig.

00:50:22: Wir forschen, wir priorisieren in unserer Forschung von den Betroffenen her und wollen wirklich das Wissen der Betroffenen decken und heben und eben die Betroffenen hören.

00:50:33: Und das andere ist, wir haben ein Online-Tutorial entwickelt.

00:50:38: Also das ist ein völlig kostenlos und frei und flexibel für jede Person zugängliches Tutorial, wo man zu Missbrauch an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche sich fortbilden kann.

00:50:50: Wir möchten gerne, dass das in die Präventionsprogramme der Bistümer, der Orden, der Verbände implementiert wird.

00:50:57: Das kann man auch entsprechend mit ECTS Punkten umberechnen, um hier auch wirklich das, was wir wissen, aus unserer Forschung in die Prävention zu implementieren.

00:51:07: Das ist wirklich eine ganz fantastisch aufbereitete Homepage.

00:51:10: Ich habe mich ja da in der Vorbereitung auch drauf umgeschaut.

00:51:12: Man findet da so viel Information und so viel Material.

00:51:15: Also ich kann es jedem nur ans Herz legen, der sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchte.

00:51:20: Missbrauchsmuster.de.

00:51:21: Mach ich mal nochmal Werbung für Sie.

00:51:23: Und vielleicht auch noch zu dem Tutorial, wer das komplett durchmacht mit allen Tests, der kriegt auch nachher ein Zertifikat von mir unterschrieben.

00:51:30: Wenn das mal keine Anregung ist, kann man auch mal lachen in so einem Podcast.

00:51:33: Das ist doch schön.

00:51:35: Ihre Forschung allein und auch diese Information allein kann die Missstände in der katholischen Kirche nicht beheben.

00:51:43: Was bräuchte es denn Ihrer Meinung nach?

00:51:45: Wo müsste sich was ändern?

00:51:46: Was müsste anders werden?

00:51:48: Also zunächst mal braucht es wirklich eine Awareness. Dass klar ist, Erwachsene, erwachsene Frauen, Männer auch, sind genauso von Missbrauch betroffen und es sind nicht nur Opfer zweiter Klasse, in Anführungszeichen, die man irgendwie auch noch, diese Awareness, die erwarten wir uns.

00:52:05: Das geht ja dann auch weiter.

00:52:07: Also ich habe auch angesprochen, dass ja nicht nur unterschiedliche Geschlechter, unterschiedliche Alter, sondern intersektional.

00:52:13: Was ist mit Missbrauch zum Beispiel in Behindertenheimen, wo eben Menschen mit geistiger körperlicher Behinderung leben, in Pflegeheimen, also der Missbrauch an alten Menschen, der auch sexuell und spirituell ist.

00:52:26: Da gibt es gar keine Studien noch dazu.

00:52:28: Und spiritueller Missbrauch an Migrantinnen, auch hier, wenn man jetzt intersektional denkt, da braucht es wirklich eine Awareness und natürlich ganz, ganz dringend weitere Forschungen.

00:52:39: Dann braucht es aber auch auf Seite von Kirchen gut eingerichtete Anlaufstellen für Betroffene, wo Betroffene anrufen können und wahrgenommen und ernst genommen werden als Betroffene.

00:52:49: Und nicht, eine Frau erzählte uns vor kurzem, sie hat bei einem Bistum angerufen und wollte ihre Geschichte erzählen, die ist als Erwachsene geschädigt worden.

00:52:57: Und dann hat die Bistumsperson gesagt: Wir sind nicht für Erwachsene zuständig, wir machen nur Kinder und Jugendliche.

00:53:03: Und dann hat die Betroffene gesagt. Ja, was soll ich jetzt machen?

00:53:06: Und dann hat die Bistumsfreude gesagt: Ja, sie können ja mal beim weißen Ring anrufen.

00:53:10: So, also das darf nicht mehr passieren.

00:53:13: Dann braucht es noch vertiefte Prävention.

00:53:16: Auf unser Tutorial habe ich schon hingewiesen.

00:53:18: Es braucht aber auch Interventionsmaßnahmen.

00:53:20: Also wenn klar ist, da passiert Missbrauch, dann muss eingegriffen werden, dann muss da interveniert werden können.

00:53:26: Und die Kirche muss die Möglichkeiten, die Instrumente, die sie hat, auch wirklich anwenden.

00:53:31: Also es gibt ja kirchliche Verfahrenswege.

00:53:34: Man kann die Beschuldigten, sollte die Beschuldigten damit konfrontieren mit den Vorwürfen, und zwar professionell.

00:53:41: Man kann Visitationen anordnen, man kann eine Beichterlaubnis entziehen, man kann eine Predigterlaubnis entziehen.

00:53:46: Man kann jemanden, Pfarrer oder Priester, entpflichten von den Aufgaben, mit denen sie betraut sind.

00:53:54: Man kann denen verbieten, als geistliche BegleiterInnen weiterhin tätig zu sein.

00:53:59: Diese Instrumente gibt es, die müssen aber auch wirklich angewandt werden.

00:54:04: Dann, ich habe ja schon erwähnt, der § 174c Strafgesetzbuch, dass seelsorgliche Verhältnisse in Analogie zu therapeutischen Verhältnissen auch wirklich dann verstanden werden.

00:54:16: Und es braucht, denke ich, auch auf Seiten von Bistumsleitungen wirklich auch ein Risikomanagement.

00:54:21: Also, dass die Möglichkeit von vor allem spirituellem Missbrauch in dem Fall jetzt, sexueller Missbrauch natürlich sowieso, auf deren Agenda steht.

00:54:30: Also, dass die sagen, wir kennen zum Beispiel, dass - eine bestimmte geistliche Gruppierung - die sind schwierig.

00:54:39: Also, da wissen wir, da gab es schon Fälle von spirituellem Missbrauch.

00:54:42: Dann, wo setzen wir die ein?

00:54:44: Wie setzen wir die überhaupt ein?

00:54:46: Werden die in die Jugendarbeit eingesetzt?

00:54:49: Werden die mit bestimmten Sakramenten betraut, mit bestimmten Aufgaben betraut?

00:54:53: Oder sagt man, die können wir eigentlich nicht einsetzen?

00:54:56: Also, ein Risikomanagement und dann wirklich auch entsprechende Maßnahmen, das würde ich mir wünschen.

00:55:02: Also, es gibt extrem viele Hebel, an denen man ansetzen könnte und die auch rechtlich oder kirchenrechtlich schon vorhanden sind.

00:55:08: Man müsste sie wirklich einfach nur einsetzen.

00:55:11: Was möchten denn Sie in Ihrer Forschung weiter angehen?

00:55:13: Was haben Sie denn vor?

00:55:15: Also, zunächst mal sind wir gerade in einem großen Forschungsprojekt in Kooperation mit einer Universität in Newcastle in Australien.

00:55:23: Wo wir mit dem dortigen sozialwissenschaftlichen Institut zusammenarbeiten.

00:55:28: Und das Projekt fokussiert die Hermeneutik.

00:55:31: Wie gehen wir mit Quellen um?

00:55:32: Wie können wir die auslegen?

00:55:33: Wie können wir überhaupt Interviews führen, dass es auch ethisch angemessen ist?

00:55:38: Und dann möchten wir in ein paar Jahren wirklich auch eine quantitative Studie machen, die es bisher nicht gibt.

00:55:45: Es gibt eine einzige quantitative Studie zu Ordensfrauen.

00:55:49: Und die ist noch nicht mal in unserem Jahrhundert, also 1998 im US-amerikanischen Raum gemacht worden, mit wirklich überraschenden Ergebnissen.

00:55:57: Über 30%, also ich glaube 38%, aller Ordensfrauen haben in der Ordensgemeinschaft Missbrauch erfahren.

00:56:05: Das ist mehr als jede dritte.

00:56:07: Und das ist aber eine, wie gesagt, schon relativ alte Studie.

00:56:11: Und wir würden da eben gerne quantitative Studien machen.

00:56:14: Die können wir aber ja nur machen, weil wir jetzt schon die Muster identifiziert haben und noch weiter identifizieren müssen, weil wir jetzt qualitativ arbeiten, um quasi auch zu wissen: Was erfragen wir, um nicht wieder neue Unsichtbarkeiten und neue blinde Flecke zu produzieren?.

00:56:31: Lassen Sie mich ganz zum Schluss, wenn ich darf, noch ein kleines bisschen persönlicher werden.

00:56:36: Ich stelle mir das unheimlich schwierig vor, jeden Tag mit solchen Themen konfrontiert zu werden und mit solchen Opfergeschichten auch umzugehen.

00:56:44: Wie gehen Sie damit um?

00:56:46: Wie machen Sie weiter?

00:56:47: Was hilft Ihnen?

00:56:49: Also zunächst mal ist diese Arbeit für mich eine unheimlich sinnvolle Arbeit.

00:56:55: Also ich erlebe wirklich Sinn und Bedeutung in dem, was ich tue, was eine Auswirkung hat.

00:56:59: Und wir kriegen das ja auch von den Betroffenen wieder gespiegelt.

00:57:02: Die beobachten unsere Arbeit sehr genau.

00:57:04: Das ist auch gut so.

00:57:06: Und dass es für die Betroffenen wirklich einen positiven Impact hat, was wir machen.

00:57:12: Und das gibt mir schon auch wirklich einen Auftrieb und gibt mir Sinn in dem, was ich tue.

00:57:18: Gleichzeitig braucht es gute Self-Care.

00:57:20: Wir achten da auch drauf.

00:57:21: Ich bin in Supervision, selbstverständlich.

00:57:24: Und wir arbeiten im Team.

00:57:25: Das heißt, ich mache das ja nicht alleine, sondern wir arbeiten sehr intensiv teamorientiert, auch wo wir uns gegenseitig stärken und entlasten.

00:57:34: Und ich glaube, eine Mischung aus all dem ist es, was die Forschung auch gut erträglich sein lässt, auch wenn es natürlich sehr schlimme Geschichten sind.

00:57:43: Und ich glaube wirklich, dass wir was Gutes machen, dass wir was Positives machen.

00:57:48: Und das ist unheimlich sinnerfüllend, wenn ich das so sagen darf.

00:57:55: Haben Sie zum Abschluss noch irgendwie einen Wunsch an die Kirche?

00:58:00: Kann man das so sagen?

00:58:02: Ja, mein Wunsch wäre, dass die Kirche, das was sie ja immer wieder sagt, nämlich diese Betroffenenorientierung, dass sie das wirklich ernst nehmen.

00:58:13: Also dass sie den Betroffenen glauben und nicht wieder defensiv reagieren, sondern wirklich den Geschichten der Betroffenen Glauben schenken.

00:58:26: Und natürlich braucht es weitere Aufarbeitung, weitere Forschung, weitere Gelder.

00:58:30: Und es braucht eine ordentliche finanzielle Entschädigung.

00:58:32: Auch das ist wichtig.

00:58:35: Frau Professorin Leimgruber, herzlichen Dank, dass Sie heute hier bei mir im Studio zu Gast waren.

00:58:40: Das war wirklich ein sehr augenöffnendes Gespräch, finde ich.

00:58:44: Und ein ganz, ganz wichtiges Thema, vielen Dank.

00:58:46: Ich danke, vielen Dank

00:58:48: Ich hoffe, ihr, liebe Gasthörerinnen und Gasthörer, habt auch wieder viel mitnehmen können.

00:58:52: Wie ich schon am Anfang gesagt habe, das heute war absolut kein leichtes Thema.

00:58:56: Wenn ihr jetzt Redebedarf habt, tauscht euch mit Freunden oder mit eurer Familie aus.

00:59:02: Das ist wirklich wichtig.

00:59:03: Und nochmal, wenn ihr Hilfe braucht, ihr findet professionelle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner über den Link in unseren Show Notes.

00:59:10: Wenn euch unsere Podcast-Folge gefallen hat oder wenn ihr Kritik oder Anregungen für uns habt, gebt uns doch gerne Feedback unter kontakt@ur.de.

00:59:21: Wir freuen uns wirklich über eure Meinung.

00:59:23: Und vielleicht habt ihr ja auch Wünsche, mit welchem Forschungsthema ich mich in der nächsten Zeit mal beschäftigen soll oder wen ich unbedingt mal einladen müsste.

00:59:30: Immer her damit.

00:59:31: Und wenn ihr unser Format mögt, empfehlt den Gasthörer doch gerne weiter.

00:59:35: Mund zu Mund Propaganda ist für uns großartig, um noch mehr Leuten zeigen zu können, was für spannende Menschen hier bei uns an der Uni Regensburg forschen.

00:59:43: Ich bin Katharina Herkommer und ich freue mich auf nächsten Monat.

00:59:46: Tschüss, liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.

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