00:00:03: Um die 3.000 Forscherinnen und Forscher arbeiten zurzeit an der Uni Regensburg.
00:00:08: Jeder und jede von ihnen beschäftigt sich mit ganz eigenen, oft zukunftsweisenden Themen.
00:00:14: Aber habt ihr euch schon mal gefragt, wer da den Überblick behält?
00:00:18: Über die Unmengen an Forschungsergebnissen und Daten, die nicht nur gerade jetzt, sondern schon seit der Gründung der Uni vor mehr als 60 Jahren entstanden sind.
00:00:27: Was passiert eigentlich mit all den Infos über Studierende und Mitarbeitende, über Veranstaltungen und Publikationen, über Krisen und Erfolge an der Uni Regensburg?
00:00:38: Die kommen ins Archiv.
00:00:40: Und zwar in unser eigenes Archiv hier an der Uni Regensburg.
00:00:43: Und das nehmen wir in dieser Folge des Gasthörer mal genauer unter die Lupe.
00:00:48: Was genau wird da aufgehoben?
00:00:50: Und warum?
00:00:51: Und für wen?
00:00:53: Und ganz wichtig: Verbergen sich ungeahnte Schätze in unserem Archiv?
00:00:57: Das alles will ich wissen und ich hoffe, ihr seid auch neugierig darauf.
00:01:01: Ich bin Katharina Herkommer.
00:01:03: Schön, dass ihr nach unserer kleinen Winterpause wieder dabei seid.
00:01:06: Gasthörer
00:01:14: Heute geht es also ausnahmsweise nicht um die Forschung in einem bestimmten Fachbereich wie Medizin, Politik oder Geschichte, sondern um eine Institution hier am Campus, ums Archiv.
00:01:25: Der perfekte Gast dafür ist natürlich dessen Leiter und das ist Dr. Andreas Becker.
00:01:30: Herzlich willkommen, Andreas.
00:01:32: Hallo.
00:01:33: Andreas, du bist schon seit mehr als elf Jahren der Chef des Archivs hier in Regensburg.
00:01:38: Träumst du nachts von Leitzordnern und Aktendeckeln, die dich verfolgen?
00:01:42: Nein, nein, soweit ist es noch nicht.
00:01:44: Ich arbeite sehr gerne hier und schlimme Dinge träume ich nie.
00:01:49: Da hast du aber Glück.
00:01:51: Lass mich dich ganz kurz vorstellen, du kommst ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen, hast in Düsseldorf Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft studiert und du hattest dort auch deine ersten Stellen, zum Beispiel im Stadtarchiv in Düsseldorf und im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen.
00:02:05: Nach deiner Promotion in Köln hast du dein Archivreferendariat an der Archivschule in Marburg absolviert und warst dann im geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem.
00:02:17: Und seit 2012 bist du, wie gesagt, hier bei uns in Regensburg als Leiter des Universitätsarchivs.
00:02:23: Als ich mir deinen Lebenslauf angeguckt habe, bin ich gleich schon über den ersten Punkt gestolpert, wo ich neugierig geworden bin.
00:02:29: Was ist denn das geheime Staatsarchiv?
00:02:31: Ist es wirklich geheim?
00:02:34: Nein, geheim ist es überhaupt nicht.
00:02:36: Das geheim bedeutet nicht, dass da niemand rein darf, sondern da sind die Unterlagen, die sozusagen aus der geheimen Regierungs-Sphäre kommen.
00:02:43: Also geheim in früheren Zeiten.
00:02:45: Ja, genau, genau.
00:02:46: Das geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz hat eben die Unterlagen der preußischen Zentralbehörden.
00:02:51: Und Preußen war halt eben Norddeutschland oder drei Viertel Norddeutschlands.
00:02:56: Und da befinden sich eben die entsprechenden Unterlagen, die man heute in einem Ministerium, weiß nicht, in Wiesbaden oder sonst irgendwo finden würde oder hier auch in München.
00:03:04: Die werden dort in Berlin fürs Land Preußen aufbewahrt.
00:03:07: Und die sind nicht geheim, sondern zugänglich.
00:03:09: Nee, ja, genau, genau.
00:03:10: Also man muss einfach nur sagen, ich habe Interesse an einem bestimmten Thema und dann werden einem die Unterlagen vorgelegt.
00:03:16: Dass ich da hellhörig geworden bin bei dem Begriff geheimes Staatsarchiv, kommt aber, glaube ich, nicht von ganz ungefähr.
00:03:23: Denn zum Beispiel in Filmen oder Büchern werden Archive oft so ein bisschen so als mysteriöse dunkle Orte dargestellt.
00:03:31: Da gibt es oft Verfolgungsjagden in langen dunklen Gängen, wo irgendjemand hinter dem Riesenregal steht und auf den Verfolger wartet und horcht.
00:03:39: Oder andersrum auch öfters so als verwunschene Traumwelt, in der es vielleicht ganz viele Schätze zu bergen gibt oder so.
00:03:46: Was denkst denn du, woher kommt der Zauber und diese Fantasie, die Archive anregen?
00:03:52: Ich glaube, das ist einerseits sozusagen wirklich das Geheime.
00:03:55: Also man weiß einfach nicht, was ist da, was liegt dort.
00:03:58: Man kann ja wirklich Schätze finden.
00:04:00: Und zum anderen eben die Aura des Haptischen, sag ich mal.
00:04:03: Wenn man die Objekte anfassen kann, die, weiß ich nicht, die Napoleon persönlich angefasst hat, oder wo Wilhelm II mal seinen Otto drunter gesetzt hat.
00:04:12: Wenn man die tatsächlich anfassen kann und weiß, genau dieses Dokument hat halt eine bestimmte historische Folge gehabt, dann ist das natürlich schon besonders interessant.
00:04:20: Also selbst wenn es kein geheimes Archiv ist, ist es für dich ein spannender Arbeitsplatz?
00:04:24: Ja, sehr, sehr.
00:04:26: Also für mich ist es sehr motivierend.
00:04:29: Man entdeckt wirklich ständig was Neues.
00:04:31: Niemand kann alles aus jeder Epoche der Universität wissen.
00:04:35: Und ich lerne auch natürlich dann über meine Tätigkeit viele neue Leute kennen, die mir dann halt ganz faszinierende Dinge berichten.
00:04:41: Seien es Wissenschaftler die brennen für ihr Thema, aber auch Personen, die einfach Sachverhalte berichten.
00:04:46: Ja, so aus ihrer Sicht, was ist damals passiert.
00:04:49: Und manche Dinge sind natürlich schon ganz amüsant.
00:04:51: Manche sind vielleicht auch dramatisch.
00:04:53: Das finde ich tatsächlich einfach sehr spannend.
00:04:55: Du berichtest jetzt schon von ganz viel Interaktion mit anderen Menschen.
00:04:59: Da sprichst du schon gleich ein anderes Klischee an, das vielleicht der eine oder die andere hat von so einem Archivar, der menschenscheue, der irgendwie am allerliebsten alleine vor sich hin eigenbrötelt.
00:05:10: Entspricht das also nicht der Realität?
00:05:13: Nee, auf gar keinen Fall.
00:05:14: Also ich komme zwar mit Einsamkeit durchaus klar, aber als Archivar darf man nicht in seinem stillen Kämmerlein sitzen und sich denken, ich verzeichne einfach mal meine Unterlagen und dann ist alles gut.
00:05:25: Man muss sich auch drum bemühen.
00:05:26: Dass vielleicht interessante Unterlagen, dass die auch ins Archiv kommen.
00:05:30: Bevor wir jetzt drüber sprechen, was genau ihr im Archiv an der Uni Regensburg eigentlich macht, fangen wir nochmal etwas grundsätzlicher an.
00:05:38: Dir war es wichtig, dass wir eine Sache klarstellen, und zwar Bibliotheken und Archive werden ja oft zusammen in einem Atemzug genannt.
00:05:46: Zum Beispiel, wenn es um Recherchearbeit geht.
00:05:48: Aber das Uniarchiv ist nicht die Universitätsbibliothek, und die Bib ist kein Archiv.
00:05:53: Warum ist dir das so wichtig?
00:05:55: Wird das tatsächlich öfter verwechselt?
00:05:57: Ja, in der Tat.
00:05:58: Also das kommt wirklich ganz, ganz häufig vor, dass jemand meint, ah, bei den Büchern, die ihr da im Archiv habt, und das ist schlichtweg nicht so.
00:06:05: Es macht einen großen Unterschied bei der Art, wie wir mit Unterlagen umgehen, welche Unterlagen wir haben.
00:06:11: Wir haben Unikate, die Bibliotheken im Regelfall nicht haben.
00:06:15: Wenn ein Buch mal weg ist, dann kann man es neu kaufen.
00:06:18: Selbst wenn es eine ältere Auflage ist.
00:06:19: Man kann davon ausgehen, es gibt immer noch irgendwo anders ein Exemplar.
00:06:22: Die Frage ist, wie viel Geld möchte man aufwenden?
00:06:24: Wenn in einem Archiv eine Unterlage verschwindet, ja so die ist dann einfach weg.
00:06:29: Die existiert nur ein einziges Mal an einem einzigen Ort.
00:06:32: Und daher muss dafür Sicherheit getragen werden, dass diese Unterlagen dann auch erhalten bleiben.
00:06:38: Das ist ein Unterschied.
00:06:39: Zum anderen, wer in eine Bibliothek geht, der kann auch Bücher erstens einfach so einsehen und zweitens, er kann auch ein Buch mit nach Hause nehmen.
00:06:48: Und in einem Archiv muss man je nach Bundesland tatsächlich einen Grund angeben, warum man da rein sehen möchte.
00:06:54: In Bayern zum Beispiel, da muss man sagen, man ist Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler, man arbeitet in der Publizistik, man hat einen Rechtsstreit und benötigt dafür irgendwelche Rechtstitel, man betreibt Heimatkunde oder man ist Journalist oder Journalistin.
00:07:07: Und einer dieser Gründe, der verhilft einem sozusagen dazu, dass man die Unterlagen einsehen kann.
00:07:12: Also man muss sich rechtfertigen dafür, warum man das benutzen möchte, im Gegensatz zu einer Bibliothek.
00:07:16: Ja genau, genau.
00:07:17: Und das ist halt sozusagen auch die Wurzel fürs Geheime sozusagen, wo wir am Anfang dran waren.
00:07:21: Daher rührt das auch noch aus den Oberigkeitsstaaten von früher, weil die Unterlagen standen früher eben überwiegend aus staatlichen Behörden und das war halt für den Normalbürger nicht frei.
00:07:32: Niemand sollte wissen, wie der Staat handelt.
00:07:35: Geschweige denn, die Unterlagen sogar noch mit nach Hause nehmen, so wie ein Buch, das man sich in einer Bibliothek ausleiht.
00:07:40: Und was ist jetzt speziell das Universitätsarchiv?
00:07:43: Du hast gesagt, es gibt weniger Bücher als Dokumente.
00:07:46: Also was findet man bei euch und was sind eure Aufgaben?
00:07:49: Also das Universitätsarchiv ist tatsächlich das Gedächtnis der Universität.
00:07:53: Also man findet bei uns verschiedenste Unterlagen in Papierform, aber auch digital.
00:07:58: Also wir sind nicht nur für Papier zuständig.
00:08:01: Genau, und das kann anfangen von Flyern, zum Beispiel von Veranstaltungen, die hier an der Universität stattfanden, zum Beispiel kulturellen Veranstaltungen, Verwaltungsakten, studentische Presse, Fotos, Videos, ja jeglicher Form, bis hin zu Geschenken an den Präsidenten oder an die Mitglieder der Universitätsleitung.
00:08:19: Es geht also nicht nur um Akten, aber der Großteil der Kisten sind schon Verwaltungsunterlagen oder Akten?
00:08:25: Ja, genau, genau.
00:08:26: Wir haben Studierendenunterlagen, die Immatrikulationsunterlagen und die Exmatrikulationsunterlagen in Zweitausfertigung.
00:08:33: Wir haben Prüfungsunterlagen, Prüfungsarbeiten in Auswahl.
00:08:38: Genau, aber der Großteil, wirklich die große Menge, das sind wirklich Unterlagen, die sind in der Verwaltung, an den Lehrstühlen, in den Fakultäten sind diese Unterlagen entstanden und sind uns dann angeboten worden.
00:08:49: Ihr habt diese ganzen Unterlagen, diese Gegenstände zum Teil auch, diese Archivobjekte.
00:08:56: Was macht ihr dann damit?
00:08:58: Geht es wirklich nur ums Aufbewahren oder was ist eure Aufgabe als Archiv?
00:09:02: Es geht natürlich auch ums Aufbewahren, aber was wir dann damit machen, ist wir erschließen es zunächst einmal.
00:09:07: Das heißt, wir schreiben in unsere Datenbank: Das und das haben wir.
00:09:11: Und diese Datenbank kann man dann auch recherchieren, die ist auch online verfügbar, was datenschutzrechtlich geht.
00:09:18: Und dann nehmen wir alles Metall da raus.
00:09:21: Die Unterlagen sollen halt wirklich bis zum jüngsten Tag bei uns bleiben.
00:09:25: Deswegen, alles Metall kommt raus.
00:09:26: Da kommen Mappen drum, die säurefrei sind.
00:09:30: Und das bewahren wir dann auf.
00:09:31: Und wir stellen sie dann der Öffentlichkeit zur Verfügung.
00:09:35: Denn wenn die Unterlagen einfach nur aufbewahrt werden, um das Aufbewahrens Willen, damit ist niemandem geholfen.
00:09:40: Das ist witzlos, ja, geistlos.
00:09:42: Wichtig ist es für jede Generation immer wieder, sozusagen das, was wir wissen über unsere Vergangenheit, auch zu aktualisieren, damit wir dann halt verstehen können, warum sind wir jetzt gerade an dem Punkt, wo wir gerade stehen.
00:09:54: Sich selbst zu vergewissern, auch zu überprüfen im Zweifel, was ist damals eigentlich gut gelaufen, was ist schief gelaufen.
00:10:01: Und das stellen wir einfach bereit.
00:10:04: Also das heißt, es geht nicht nur ums Aufbewahren, wenn ich das mal zusammenfasse, sondern auch ums Konservieren und ums Erschließbar machen.
00:10:12: Genau, genau.
00:10:13: Und dann gehen wir mit unseren Unterlagen natürlich dann auch immer an die Öffentlichkeit.
00:10:17: Sei es durch unsere Kataloge, sei es durch Schriftenreihen, sei es durch Ausstellungen einfach zu zeigen, was haben wir, um dann darauf hinzuarbeiten, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tatsächlich zu uns kommen und dann mit unseren Unterlagen arbeiten.
00:10:30: Natürlich wollte ich dieses physische Gedächtnis der Uni auch mal sehen.
00:10:35: Und damit ihr, liebe Hörerinnen und Hörer, auch ein bisschen einen Eindruck davon bekommt, nehmen Andreas und ich euch jetzt kurz mit auf einen kleinen Ausflug in einen der Archivräume.
00:10:45: Andreas hat mir dort vorhin, kurz bevor wir ins Studio gekommen sind, einen seiner Lieblingsschätze gezeigt.
00:10:56: Wir gehen jetzt hier geradeaus und biegen dann rechts ab, dann sind wir da.
00:11:01: Also wir sind jetzt im PT-Gebäude und wir machen uns jetzt auf den Weg in die Katakomben.
00:11:06: Ja, genau.
00:11:06: Wie viele Räume habt ihr insgesamt?
00:11:08: Wir haben insgesamt vier Magazinräume über den gesamten Campus verteilt.
00:11:13: Und darin haben wir ungefähr 2,7 Kilometer Unterlagen.
00:11:19: Die wir aufbewahren in Papierform.
00:11:23: 2,7 Kilometer.
00:11:26: Wer hat das gezählt?
00:11:27: Das haben wir gezählt.
00:11:28: Wir zählen die Regalfächer.
00:11:31: Und dann wissen wir, wie viele Meter wir haben.
00:11:36: So, Licht ist schon an.
00:11:43: Jetzt stehen wir direkt in einem der Archivräume.
00:11:47: Es sind riesenhohe Regale hier.
00:11:49: Ich sehe ganz viele Aktenordner, blaue, gelbe, rote, grüne.
00:11:53: Die Regale gehen fast bis unter die Decke.
00:11:55: Andreas, was wird hier jetzt gelagert?
00:11:58: Hier lagern wir die Materialien, die wir demnächst bearbeiten wollen.
00:12:03: Also in unserem Arbeitsmagazin.
00:12:06: Hier haben wir die Überlieferung der Fakultäten.
00:12:08: Wir haben verschiedene Nachlässe.
00:12:10: Wir haben aber auch Gegenstände, technischer Art.
00:12:13: Sei es jetzt hier so eine riesige Schreibmaschine oder andere technische Geräte.
00:12:19: Und hier drüben, genau, folgt mir einfach mal.
00:12:24: Mein Lieblingsstück ist dieser Tresor.
00:12:28: Der stammt aus dem Jahr 1915.
00:12:30: Der steht hier in so einer Ecke mit relativ viel Gerümpel.
00:12:33: Der ist schwarz und sehr massiv, ist vielleicht so 60 Zentimeter hoch und 40 breit oder so.
00:12:38: Bin gespannt, was drin ist.
00:12:41: Ja, also diesen Tresor haben wir 2011 erhalten von der katholisch-theologischen Fakultät.
00:12:46: Die wussten selbst nicht, was drin war, weil denen der Schlüssel abhanden gekommen war.
00:12:51: Und der stand einfach so bei denen rum und dann haben sie gesagt, brauchen wir nicht mehr, geben wir mal euch?
00:12:55: Ganz genau, ganz genau.
00:12:57: Und dann wurde der Tresor aufgemacht.
00:13:00: Was du jetzt gerade auch gemacht hast?
00:13:01: Ganz genau.
00:13:02: Und da drin befanden sich nicht die Kisten, die jetzt da drin liegen, mit Mikrofilmen, sondern da befanden sich Jahresberichte von der Philosophisch Theologischen Hochschule und dem Königlichen Lyzeum - das sind Vorgängereinrichtungen der Universität - befanden sich da drin.
00:13:16: Aber das Spannende ist dann dieses Fach hier oben mit einer Sonderschließung.
00:13:21: Also das ist so ein kleines Extrafach, das obere Drittel ungefähr, wo nochmal ein extra Schlüssel benötigt worden wäre.
00:13:26: Genau. Und dieser extra Schlüssel war ebenfalls nicht vorhanden.
00:13:29: Wir mussten einen Schlosser kommen lassen.
00:13:31: Der Schlosser hat das dann auch nach zwei Stunden aufbekommen.
00:13:33: Und da drin befanden sich damals mehrere Urkunden.
00:13:37: Eine Urkunde von 1626 zur Geschichte der Dreieinigkeitskirche, warum die überhaupt existiert.
00:13:42: Und eine Urkunde aus dem Jahr 1290, die stammt aus Ypern in Flandern.
00:13:48: Von 1290? Weiß man, wie lang die da in dem Tresor lag?
00:13:52: Genau können wir es nicht sagen, aber wir haben die Vermutung, dass es seit etwa 1920 dann da drin lag.
00:13:57: Die Urkunde selbst hat mit Regensburg so rein gar nichts zu tun.
00:14:00: Es ging um Schifffahrtsrechte in einem Streit zwischen der Stadt Ypern und einem Kloster in der Nähe von Ypern in Mesen.
00:14:06: Da hatten sich während des Ersten Weltkriegs bayerische Soldaten versteckt gegenüber britischen Soldaten.
00:14:11: Und die britischen Soldaten haben dieses Kloster beschossen.
00:14:14: Und die bayerischen Soldaten haben dann das Klosterarchiv kurzhand geplündert, haben sich sozusagen Erinnerungsstücke mitgenommen.
00:14:21: Und diese Urkunde, die hat einer der Soldaten mitgenommen und irgendwie uns zukommen lassen, also beziehungsweise dem Lyzeum.
00:14:29: Und diese Urkunde, die lag hier in dem Tresor drin.
00:14:31: Ich habe die untersucht und habe sie dann der Universitätsleitung vorgelegt und gesagt, das ist Kriegsgut, das ist geklautes Kulturgut, das sollten wir zurückgeben.
00:14:40: Sie haben mit den Kollegen in Ypern Kontakt aufgenommen.
00:14:42: Das gestaltete sich insoweit ganz einfach, weil ich den Stadtarchivar von Ypern persönlich kenne.
00:14:46: Zu meiner eigenen Promotionszeit in Köln war ich mit dem mal ein Bier trinken.
00:14:50: Kennt man sich als Archivare?
00:14:52: Ja, die Archivwelt ist klein, genau, genau.
00:14:55: Und dann sind wir nach Paris geflogen, die Universitätsleitung, Herr Hebel, damals Herr Wagner und Herr Blomeyer.
00:15:03: Wir sind alle zusammen zunächst mal nach Paris und von da aus dann weiter nach Ypern.
00:15:08: Und die Urkunde musste auch deklariert werden als Kulturgut.
00:15:13: Ich habe das angemeldet und damals gab es einen großen Streik bei Air France.
00:15:17: Und ich habe die Vermutung, weil unser Flug war der einzige, der an dem Tag abhob, dass es tatsächlich damit zusammenhängt, dass wir die Unterlagen abgeben wollten, dass wir deswegen diesen Flug durchführen konnten.
00:15:28: Also so ein kleines bisschen wie die Benin-Bronzen, die jetzt nach Afrika zurückgeführt wurden.
00:15:32: Ja, genau.
00:15:33: Also es geht im Grunde genommen um genau das Gleiche.
00:15:35: Es geht halt um die Rückgabe eines Stückes kultureller Identität.
00:15:38: Und das haben wir dann damit auch erfüllt.
00:15:40: Es gab einen großen Festakt in Ypern.
00:15:43: Da waren dann, das belgische Königshaus hatte einen Vertreter entsandt, verschiedene Universitäten, Gemeinden.
00:15:50: Es waren wirklich eine ganze Reihe von Personen da.
00:15:53: Dazu ungefähr 60 Journalisten aus der ganzen Welt.
00:15:56: Und warum ist das so ein Lieblingsstück für dich, weil das so spannend war, weil ihr gar nicht wusstest, was drin ist?
00:16:00: Ja, genau.
00:16:01: Also einfach die Geschichte um dieses Stück herum, die ist einfach furchtbar spannend.
00:16:05: So etwas erlebt man nicht jeden Tag.
00:16:07: Und es hat ja auch dazu geführt, dass ich dann in Neuseeland dann tatsächlich in den Zeitungen mit Foto abgedruckt war bei der Rückgabe dieser Urkunde.
00:16:20: So, jetzt sind wir wieder hier zurück im Studio.
00:16:23: Andreas, es haben ja nicht alle Objekte und Unterlagen bei euch im Archiv, eine so spannende Geschichte wie die Dokumente aus dem Tresor zum Beispiel.
00:16:32: Hebt ihr alle Infos auf, die ihr bekommt?
00:16:34: Du hast jetzt gerade, als wir hier ins Studio reingegangen sind, dir an der Tür ein abgelaufenes Plakat geklaut und zusammengerollt und in deinen Rucksack gesteckt.
00:16:43: Also bist du so ein Horder, der wirklich alles alles aufhebt?
00:16:46: Ja, es ist nicht so schlimm wie bei einem Messi, dass wir einfach alles nehmen, sondern ein Archiv soll ein strukturiertes Gedächtnis bilden.
00:16:54: Es soll sozusagen dafür sorgen, dass wir bewusst auf Dinge zurückgreifen können.
00:16:58: Wir heben viel auf, aber wir schmeißen noch viel mehr weg.
00:17:01: Also wer als Archivar oder als Archivarin nichts wegschmeißen kann, der hat seinen Beruf verfehlt.
00:17:07: Das muss man einfach so sagen.
00:17:09: Wer entscheidet das dann, was weggeworfen wird und was nicht?
00:17:12: Gibt es da bestimmte Kriterien?
00:17:13: Ja, also das Entscheiden das mache ich oder auch meine Kolleginnen und Kollegen.
00:17:19: Und ich mein jeder Mensch ist nunmal subjektiv und sieht andere Dinge, wertschätzt auch andere Dinge, hat auch einen anderen Kenntnisstand einfach.
00:17:26: Also das Archiv würde anders aussehen, wenn ein anderer Chef das jetzt gerade anlegen würde?
00:17:31: Ja, das versuchen wir halt eben auszuschließen.
00:17:33: Denn ich kann nicht alles wissen, genauso wenig wie jemand anderes auf meinem Posten das könnte.
00:17:38: Und deswegen erarbeiten wir zum Beispiel Dokumentationsprofile.
00:17:41: Und in diesen Dokumentationsprofilen, da schreiben wir dann rein, diese und jene Unterlagen wollen wir auf jeden Fall haben.
00:17:46: Also zum Beispiel, wir nehmen alle Protokolle von den zentralen Gremien, die werden alle aufbewahrt.
00:17:52: Wir heben Personalakten in Auswahl auf.
00:17:55: Das sind dann bestimmte Buchstabenkombinationen, ja, sag ich mal A, D und S zum Beispiel.
00:18:01: Das klingt jetzt zunächst mal ziemlich willkürlich.
00:18:03: Das sind dann bestimmte Geburtstage, ja, alle Personen, die am 6. oder 16. oder 26. eines Monats geboren sind, deren Personalakten werden dann aufbewahrt.
00:18:12: Als Stichproben sozusagen, weil man nicht alle aufheben kann.
00:18:15: Ganz genau.
00:18:15: Wir wissen ja sozusagen, wie groß die Ausgangsbasis ist.
00:18:17: Und das heißt, die Ergebnisse, die wir in dieser Probe haben, die können die Forscher ja dann entsprechend hochrechnen.
00:18:22: Und dann wissen die, ah ja, so groß waren die Personalakten insgesamt.
00:18:25: Die haben nur so viel aufgehoben.
00:18:27: Das heißt, wenn wir das hochrechnen, ungefähr so hoch wird der Prozentsatz gewesen sein von den Betreffenden, die da waren.
00:18:32: Ihr habt bestimmte Dinge, die ihr einfach grundsätzlich haben wollt.
00:18:36: Das ist wahrscheinlich nicht nur aus der Verwaltung, sondern auch aus den verschiedenen Fakultäten so.
00:18:40: Wie funktioniert das dann?
00:18:41: Habt ihr eine Holschuld oder haben die Profs eine Bringschuld?
00:18:45: Ich stelle mir das gar nicht so leicht vor, musst du dann immer rumtelefonieren und sagen, geben Sie mir mal bitte Ihre Skripte vom letzten Jahr alle ab?
00:18:52: Mal so, mal so.
00:18:53: Also es gibt eine Abgabepflicht von den Einrichtungen der Universität.
00:18:57: Die müssen sozusagen ihre Unterlagen abgeben.
00:18:59: Aber bei den Professorinnen und Professoren, wenn die nicht abgeben wollen ihre eigenen Unterlagen, dann ist das halt so.
00:19:06: Also du musst nicht am Semesterende immer Klinken putzen gehen und sagen, hier ihr habt euer Heft noch nicht abgegeben.
00:19:10: Nein, nein, nein.
00:19:12: Okay, was mir neu war und was ich in der Vorbereitung für diese Folge erst rausgefunden habe, es liegt ja jetzt nicht nur an eurem Interesse oder am Interesse der Uni, dass ihr alles Mögliche aufhebt, sondern es gibt gesetzliche Vorgaben dazu.
00:19:26: Es gibt das Bayerische Archivgesetz, das seit 1990 gilt.
00:19:31: Wir wollen jetzt natürlich nicht jeden einzelnen Paragrafen aufzählen.
00:19:34: Es soll jetzt nicht dröge werden.
00:19:36: Aber ganz grundsätzlich, was ist da drin geregelt?
00:19:39: Warum braucht es das?
00:19:41: Die Archivgesetze sind in Deutschland aus der Diskussion um den Datenschutz entstanden.
00:19:46: Mitte der 80er Jahre gab es eine große Diskussion um die Volkszählung und aus dem Geist heraus sind die Archivgesetze entstanden.
00:19:53: Und in den Gesetzen ist eben geregelt, dass es Archive gibt und welche Aufgaben die zu erledigen haben.
00:19:59: Und auch wer ein Archiv überhaupt haben darf.
00:20:02: Es darf ja nicht jetzt jede beliebige Einrichtung, sondern es müssen tatsächlich bestimmte Standards dann erfüllt werden.
00:20:08: Ein eigenes Archiv zu besitzen ist immer ein Ausdruck von Autonomie.
00:20:12: Wir heben ja auch gerne die Hochschulautonomie hervor.
00:20:15: Eine Einrichtung, die nicht über ihre eigenen Archive verfügt, also nicht darüber bestimmen kann, was mit ihren Unterlagen passiert, ist nicht autonom.
00:20:24: Inwiefern bringt das Autonomie?
00:20:26: Wir haben jetzt gerade die ganze Zeit über Verpflichtungen gesprochen.
00:20:29: Es gibt das Gesetz, du musst es aufheben und so weiter.
00:20:32: Du stellst es ja jetzt gerade eher so da, als ob das ein Privileg wäre, ein Archiv zu haben.
00:20:36: Ja, ein Privileg und eine Verantwortung.
00:20:38: Denn man ist auch zuständig für die Fremdwahrnehmung, also wie andere auf die eigene Geschichte sehen.
00:20:44: Und ein Archiv zu haben bedeutet eben, man hat eine gewisse Verantwortung für die Identität.
00:20:49: Das sieht man jetzt dann auch am Beispiel der Ukraine, wie aktuell systematisch, wenn Angriffe von Russland durchgeführt werden, da dann eben auch die Kultureinrichtungen mit betroffen sind.
00:20:59: Das dient absichtlich dazu, um die Identität des anderen zu beseitigen oder zumindest einzuschränken.
00:21:05: Und das ist eben auch eine Aufgabe, die die Archive haben, auch als demokratische Einrichtung.
00:21:11: Das heißt, wenn man ein eigenes Archiv hat, hat man auch ein bisschen in der Hand, dass niemand anderes Fake News über einen verbreitet, zum Beispiel?
00:21:20: Ja, zum Beispiel.
00:21:21: Also das ist auch natürlich ein Aspekt.
00:21:23: Diese Kontrolle dann im Nachgang, die man dann ermöglicht: Wie sind Sachen wirklich gewesen?
00:21:28: Aber die Tatsache, dass man Unterlagen besitzt, die man vielleicht auch nur selbst besitzt.
00:21:34: Wir haben ja Unikate.
00:21:36: Das bedeutet auch, man ist halt besonders verantwortlich.
00:21:38: Und das muss auch kontrolliert werden, wie wir damit dann umgehen.
00:21:43: Wir haben jetzt schon wieder ganz viel gesprochen über Sachen, die man machen muss im Archiv und Sachen, die man machen sollte.
00:21:48: Und Vorgaben, die ihr habt, das ist bestimmt nicht das, was dir an deiner Arbeit so besonders viel Spaß macht.
00:21:54: Was ist es denn, was dich reizt an deiner Arbeit?
00:21:56: Was ist das Schöne für dich?
00:21:57: Also das Schöne ist tatsächlich der Kontakt mit den Benutzern, den Benutzerinnen, dass man da dann tatsächlich einfach sieht, wenn Leute sich freuen, oh, da habe ich was gefunden.
00:22:07: Das ist tatsächlich ein starkes Movens.
00:22:11: Andere Punkte sind einfach Ordnung, in eine Struktur reinzubringen, wo man denkt, das ist total chaotisch.
00:22:17: Und wenn man sich die Unterlagen mal anguckt, dann erkennt man dann sehr schnell, ja, da ist ein roter Faden drin.
00:22:23: So was, das spricht mich tatsächlich dann sehr an.
00:22:26: Das Kriminologische sozusagen, dass man dann da auch selbst mitunter für Anfragen dann auch recherchieren kann.
00:22:31: Das ist dann heiß: Ah wir haben jetzt da eine Anfrage, zum Beispiel, wie ist jemand auf einen Lehrstuhl bei uns gekommen? Ja so irgendwie
00:22:39: Und da gäbe es irgendwelche bestimmten Gerüchte.
00:22:43: Und wenn wir dann recherchieren und dann feststellen, an der Stelle gibt es Unterlagen, da gibt es Unterlagen und die ergeben zusammen dann halt ein bestimmtes Bild.
00:22:51: Das ist halt tatsächlich immer sehr befriedigend, wenn man dann halt jemandem so was mitteilen kann:
00:22:55: Ja, wir haben das herausgefunden, da und da sind die entsprechenden Unterlagen.
00:22:58: Da können sie dann reinschauen.
00:23:00: Wenn du merkst, dass eure Archivarbeit aufgeht für solche Recherchen.
00:23:03: Ja, genau, genau.
00:23:04: Kann ich gut verstehen.
00:23:06: Es gibt einen Raum, den du mir vorhin noch gezeigt hast, als wir im Archiv waren und der mir ganz besonders gut gefallen hat.
00:23:14: Darin nehmen wir euch, liebe Hörerinnen und Hörer, jetzt noch mal mit.
00:23:22: Wir stehen immer noch vor dem Tresor, aber von hier geht direkt eine Tür ab.
00:23:26: Und ich bin gespannt, was dahinter ist.
00:23:29: Andreas, zeig es uns.
00:23:32: Eigentlich ist es unsere Wandkartensammlung.
00:23:35: Hier hängen, wie man es vielleicht aus alten Schulzeiten kennt, hängen hier ganz viele so alte Rollen an der Decke, zusammengeschnürt mit Lederriemen, Landkarten oder sowas, was man ganz früher im Erdkundeunterricht noch hatte.
00:23:49: Ist das auch sowas?
00:23:50: Ja, genau.
00:23:50: Das sind Karten, die wurden hier an der Universität verwendet.
00:23:53: Und wir haben im Rahmen der Beständeaufteilung zwischen der Bibliothek und dem Universitätsarchiv, da haben wir diese Sammlung dann übernommen.
00:24:01: Der Raum ist ziemlich schmal, relativ lang. Hier hängen - also ich würde mal sagen, das sind schon tausend Karten, die da an der Decke hängen, oder?
00:24:09: Ja, ungefähr, ziemlich genau, ja, ja.
00:24:12: Gar nicht so schlecht geschätzt.
00:24:13: Aber vor den Karten auf dem Boden stehen lauter so Plop-Hüllen, zum Pakete verpacken, Kunststofffolie, die man ploppen lassen kann.
00:24:22: Und da drin sind, ich glaube, das sind Bilder, die da an der Wand gestapelt sind, und zwar richtig viele.
00:24:28: Andreas, was ist das für ein Raum?
00:24:30: Den Raum nutzen wir jetzt aktuell als Ersatz für unsere Kunstkammer, denn wir warten jetzt seit zwei/zweieinhalb Jahren darauf, dass wir anständige Räume für die Kunstkammer kriegen.
00:24:39: Die sind jetzt gerade auch in der Bearbeitung, aber da sollen die Kunstwerke eigentlich wieder hin.
00:24:43: Und dann kann man die Bilder auch dann bei uns ausleihen, eine unserer weiteren Aufgaben.
00:24:48: Genau, und da haben wir verschiedene Bilder, vor allen Dingen von Künstlern aus Ostbayern.
00:24:51: Aber wir haben unter anderem auch Bilder von Jutta Zambona, von der Ehefrau von Erich Maria Remarque.
00:24:58: Und wie kommt ihr zu diesen Bildern?
00:24:59: Also ich meine, wenn man ans Archiv denkt, dann denkt man jetzt nicht als erstes an eine Bilderausleihe, oder?
00:25:04: Ne das stimmt, das stimmt.
00:25:05: Die Ausleihe der Bilder ist tatsächlich einfach eine Zusatzaufgabe, die wir als Archiv übernommen haben.
00:25:10: Die Bilder zu erfassen und zu verwalten und dann eben im Falle der Ausleihe dann auch eben rauszugeben.
00:25:18: Darf ich mich ein bisschen reinbewegen?
00:25:20: Bitte.
00:25:22: Also wir haben hier an der Wand hängt ein alter Rahmen mit roten Blumen.
00:25:27: Das sieht aus wie Wasserfarbe vielleicht.
00:25:29: Oben drüber sind Dorfansichten.
00:25:32: Hier vorne ist ein Engel mit irgendwas Düsterem.
00:25:36: Gibt es da irgendeine Erfassung?
00:25:38: Gibt es einen Katalog?
00:25:39: Oder kommt da ein Prof und sagt, ich gucke mir die mal durch, welches möchte ich in mein Büro hängen?
00:25:43: Ja, in der Tat.
00:25:44: Also für die Kunstkammer haben wir tatsächlich noch keinen richtigen Katalog.
00:25:48: Da haben wir zwar Ordner, in denen wir dann sozusagen die Stammdaten haben mit Foto und welche wichtigen Informationen zu den Bildern vorhanden sind, von welchen Künstlern die stammen, wann die angeschafft worden sind, zu welchem Preis und sowas.
00:25:59: Das haben wir zwar, aber wir haben es nicht sozusagen digital vorliegen.
00:26:02: Und das heißt, wenn jemand bei uns sich etwas ausleihen will, muss die Person tatsächlich vor Ort hier hinkommen und jedes Bild dann halt durchgucken.
00:26:11: Wenn wir vorab schon mal erste Hinweise bekommen, ich möchte ein buntes Bild haben, ich möchte ein Bild haben mit, weiß nicht, einem bestimmten Motiv, dann gucken wir auch schon vorab, dass wir dann da was entsprechendes finden.
00:26:19: Aber ansonsten ist es auch so, dass die tatsächlich, ich sag mal, wirklich stöbern.
00:26:24: Und das ist auch wirklich für viele einfach das Spannendste dabei, weil sie dann auch Dinge entdecken, an die sie vorher gar nicht gedacht haben.
00:26:29: Und sind da richtige Schätze dabei?
00:26:31: Oder ist das alles eher von regionaler Bedeutung?
00:26:34: Ja, das eine schließt das andere ja nicht aus.
00:26:43: Und zack, wir haben uns wieder zurückgebeamt ins Studio.
00:26:47: Andreas, du hast mir gerade eben noch dort erzählt, dass die Professorinnen und Professoren, die vielleicht solche Bilder durchschauen wollen, wirklich in den Raum kommen müssen und sich die anschauen.
00:26:59: Wie sieht es denn sonst aus mit der Zugänglichkeit eurer Daten?
00:27:04: Stichwort und Zauberwort Digitalisierung.
00:27:07: Ist es für euch auch ein Mittel der Wahl?
00:27:10: Steht ihr jetzt gerade und deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Archiven und legt alles unter den Scanner, damit es digital aufbereitet ist?
00:27:18: Ja, wir scannen auch, aber das ist jetzt für uns nicht der primäre Zweck.
00:27:22: Das ist für uns ein Mittel, das können wir einsetzen, um zum Beispiel aktuelle Forschungsbedürfnisse zu befriedigen.
00:27:28: Dass nicht jeder immer zu uns während der Öffnungszeiten dann halt hingehen muss.
00:27:31: Also das heißt, wenn jemand kommt und sagt, ich bräuchte die und die Unterlagen, ich sitze aber in Hannover, dann scannt ihr das für den?
00:27:38: Ja, genau.
00:27:38: Also natürlich gegen Gebühr, das können wir dann halt machen, je nachdem.
00:27:42: Aber tatsächlich Digitalisate sind nun mal flüchtig.
00:27:45: Und als Archivar denke ich immer in Jahrhunderten.
00:27:48: Und Unterlagen in Papierform, sei es ein Papier aus der frühen Neuzeit, sei es tatsächlich ein ganz normales Papier aus der Gegenwart, da können wir tatsächlich garantieren, ja, das kann man in 100, in 200 Jahren ohne weiteres noch angucken.
00:28:02: Vielleicht ist es dann verblasst oder irgendwie die Schrift ist nicht mehr so deutlich.
00:28:06: Vielleicht sind auch schon Risse drin oder es ist vergilt.
00:28:09: Aber das Objekt ist vorhanden, man kann es sich angucken.
00:28:13: Bei Digitalisaten ist es tatsächlich ganz anders, denn da können wir nicht garantieren über die ganzen jeweils neuen Formate, die vielleicht in 10, 20 Jahren entwickelt werden, die dann aber nicht mehr abwärtskompatibel sind.
00:28:25: Das heißt, ein Digitalisat, wo wir jetzt sagen, oh, das ist up to date, das können wir vielleicht in 20 Jahren gar nicht mehr lesen.
00:28:32: Und das ist tatsächlich eine große Schwierigkeit.
00:28:34: Von daher, die Vorstellung, man könne alles digitalisieren und dann wegschmeißen, die würde ich nicht unterstützen.
00:28:41: Also das wäre ein ziemliches Risiko, da würde man wirklich in ein schwarzes Loch fallen und in der Gefahr sein, sein gesamtes Gedächtnis zu verlieren.
00:28:48: Also für einen Archivar ist das Papier zukunftsträchtiger als ein Online-Format?
00:28:54: Ja, wenn man es so nimmt, dann ist natürlich eigentlich der Tonkrug dauerhafter, weil den kannst du 5.000 Jahre lang aufheben und gut ist.
00:29:01: Ja, aber man muss ja wirklich bloß an die Floppy-Disc denken.
00:29:04: Mein Computer hat jetzt kein CD-Fach mehr oder DVD-Laufwerk.
00:29:08: Genau, wir stehen halt bei sowas tatsächlich vor solchen Problemen.
00:29:11: Ich habe in Stapeldisketten 3,5 Zoll abgegeben bekommen.
00:29:16: Ich wusste nicht, was ich damit machen soll, weil ich keinen Laufwerk mehr dafür hatte.
00:29:19: Ich musste mir extra eins besorgen.
00:29:20: Das sind ja alles, sag ich mal, Kulturtechniken oder Anwendungstechniken, die existieren heute in der Form ja gar nicht mehr.
00:29:25: Deswegen habe ich da eine gewisse Skepsis, wenn jemand sagt, wir müssen alles digitalisieren und dann ist die Welt gut.
00:29:32: Man muss immer schauen, was will man damit erreichen.
00:29:34: Wir sind ja der Forschungspodcast der Uni Regensburg oder der Wissenschaftspodcast.
00:29:40: Wir haben jetzt viel darüber gesprochen, wie Forschende zu euch kommen und wie ihr die Forschung unterstützen könnt.
00:29:46: Aber du bist ja nicht nur Archivar, sondern auch selbst Forschender.
00:29:51: Du hast vorher schon ganz kurz erwähnt, es gibt zum Beispiel auch eine Schriftenreihe, die du mit Kolleginnen und Kollegen von der Uni zusammen herausgibst.
00:29:59: Was ist denn das um was geht es da?
00:30:02: Also die Schriftenreihe existiert seit 2017.
00:30:05: Und in der Schriftenreihe veröffentlichen wir Aufsätze und Beiträge, die sich mit bestimmten Themen der Geschichte der Universität beschäftigen.
00:30:14: Der erste Band, den wir hatten, behandelte zum Beispiel die Universität Regensburg in der Zeit des Kalten Krieges.
00:30:19: Die Universität Regensburg sieht sich gerne als Brücke zwischen Ost und West.
00:30:22: Das war auch der Gründungsauftrag.
00:30:25: Und Klaus Buchner und ich haben das ein bisschen näher untersucht, wie die Universität sich in dieser Zeit des Kalten Krieges verhalten hat.
00:30:32: Ob da diese klassischen Klischees, dass man gar keinen Kontakt zwischen den Blöcken und so was, inwieweit die tatsächlich im realen Alltag aufzufinden waren.
00:30:42: Und da lässt sich dann zeigen, es gab viele viele Möglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zwischen den Blöcken zu wechseln.
00:30:49: Da haben auch ganz viele sich wirklich Lorbeeren verdient, von denen heute keiner spricht.
00:30:54: Der Verein der Freunde hat innerhalb weniger Jahre damals, in den 80er Jahren, 80.000 Mark genommen und hat damit dann halt Austauschprogramme finanziert zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Osteuropa, die dann nach Deutschland gekommen sind, und umgekehrt, Wissenschaftler hier aus Regensburg, die dann nach Osteuropa gegangen sind.
00:31:14: Also das heißt, ihr nutzt das Archiv, oder du nutzt das Archiv, um selbst in euren Unterlagen Themen zu recherchieren, die dir auffallen, dass sie spannend sein könnten für die Uni Regensburg?
00:31:24: Genau, genau.
00:31:25: Also, dass ich selbst das mache, das kommt nicht so häufig vor, wie ich mir das gerne wünsche.
00:31:29: So, weil ich halt einfach viele Aufgaben zu erledigen habe, aber ich nutze die Schriftenreihe tatsächlich einfach auch um Themen bekannter zu machen.
00:31:37: Ja, oder irgendwie überhaupt mal eine erste Bearbeitung zu ermöglichen. So.
00:31:42: Und was ist euer aktuelles Projekt?
00:31:44: Aktuell erforschen wir die Anwesenheit von Frauen hier an der Universität Regensburg bzw. die Absolventinnen.
00:31:50: Was ist aus den Frauen geworden, die hier studiert haben?
00:31:53: Also spannende Frauen aus der Geschichte der Uni Regensburg.
00:31:55: Ganz genau, ganz genau.
00:31:56: Und da gibt es ja auch wirklich viele Bekannte, von denen erfährt man gar nichts, weil das fällt einem einfach nicht auf.
00:32:03: Das fängt an bei den Vorgängereinrichtungen.
00:32:05: Mildred Wirtz, Gründerin der Deutschen Krebshilfe, ist später als Ehefrau von Walter Scheehl, dem Bundespräsidenten, bekannt geworden.
00:32:12: Ruth Klüger ist eine ganz bekannte österreichisch-amerikanische Literaturwissenschaftlerin.
00:32:17: Die hat hier in den 40er Jahren für ein Jahr ungefähr studiert.
00:32:22: Holocaust-Überlebende, die hat mit 15 Jahren angefangen, kam frisch aus dem Lager und hat hier dann angefangen zu studieren.
00:32:29: Bis hin eben zu neueren Personen, Roswitha Grümann zum Beispiel.
00:32:33: Die hat hier Physik studiert, hat dann hier auch promoviert und die hat zum Beispiel die Kameras bei der Mars-96 Mission entwickelt.
00:32:42: Und das sind halt wirklich einfach Personen, an die denkt man nicht.
00:32:45: Also das heißt, du sorgst dafür, dass ein paar der zu unrecht vergessenen Frauen hier an der Uni Regensburg mal an die Öffentlichkeit gezogen werden oder dass ein bisschen ein Schlaglicht auf sie gestellt wird?
00:32:58: Ja genau, das ist sozusagen dann einer der Punkte.
00:33:00: Aber der andere ist halt einfach, dass auch der aktuellen Generation der Studierenden einfach auch gezeigt wird, ja, solche Personen gab es hier auch.
00:33:06: Ja, so und ihr könnt sowas auch.
00:33:08: Ja, und es ist halt auch eine Identität, die dann damit gefördert wird.
00:33:12: Ja, also das Archiv nutzt halt da seine Möglichkeiten, um dann dazu beizutragen, dass sich auch die Studierenden stärker mit der Universität dann identifizieren können.
00:33:21: Also ein ganz tolles Beispiel dafür, wie die Bewahrung, wie das Archiv mit seiner ganzen Geschichte, tatsächlich auch uns hier und jetzt reinwirken könnte vielleicht.
00:33:30: Genau, genau.
00:33:31: Ja, wie gesagt, die Geschichte muss immer aktualisiert werden.
00:33:34: Immer für die jeweilige Gegenwart.
00:33:36: Wir können nicht davon ausgehen, dass halt das, was vor 10, 20 Jahren oder vor 50 Jahren, 100 Jahren, was da irgendwie an Sichtweisen vorhanden war, dass das tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist.
00:33:45: Sondern wir müssen immer gucken, das, was wir miterleben und was wir hier an Unterlagen haben:
00:33:51: Was können wir daraus für Schlüsse ziehen?
00:33:54: Wir sind leider schon am Ende unserer Podcast-Folge angekommen.
00:33:58: Und ich fasse mal ganz grob zusammen:
00:34:01: Archive sind keine Bibliotheken und Bibliotheken sind keine Archive.
00:34:05: Archive leisten viel mehr, als nur Dokumente aufzuheben.
00:34:10: Ein eigenes Archiv gibt die Hoheit über die eigene Geschichte und ist ein Instrument für unabhängige Recherche und gegen Fake News.
00:34:17: Und man muss nicht total weltfremd und menschenscheu sein, um glücklich in einem Archiv arbeiten zu können.
00:34:23: Ich glaube, Andreas, das hast du uns heute deutlich bewiesen.
00:34:27: Dir vielen, vielen Dank, dass du hier bei uns im Studio warst.
00:34:30: Ich hoffe, dir und euch allen, liebe Hörerinnen und Hörer, hat es Spaß gemacht.
00:34:34: Wenn ja, dann sage ich jetzt wie immer, abonniert den Gasthörer am besten gleich.
00:34:38: Dann verpasst ihr keine Folge mehr und empfehlt uns vor allem gerne weiter.
00:34:42: Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert hier immer noch am allerbesten.
00:34:46: In einer unserer nächsten Folgen wird es ums Thema Wahlen und ums Nichtwählen gehen.
00:34:51: Gibt es dazu Fragen, liebe Hörerinnen und Hörer, die ihr euch schon immer gestellt habt und die ich an meinen nächsten Gast weitergeben soll?
00:34:59: Wenn ja, dann schreibt uns die doch gerne einfach an kontakt@ur.de.
00:35:04: Ich bin gespannt und unter der gleichen Adresse freuen wir uns natürlich auch jederzeit über euer Feedback und über eure Anregungen zum Gasthörer.
00:35:12: Aber jetzt genug geredet.
00:35:13: Nochmal vielen Dank an dich, Andreas.
00:35:15: Schön, dass du da warst.
00:35:16: Ja, vielen Dank Katharina für die Einladung.
00:35:18: Sehr, sehr gerne.
00:35:19: Ich bin Katharina Herkommer und ich sage tschüss und bis zum nächsten Mal, liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.
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