Trump zum Zweiten: US-POLITIK mit Prof. Dr. Stephan Bierling

Shownotes

Er provoziert: Noch bevor er wieder im Amt war, hat Donald Trump einmal mehr Aufsehen erregt, als er Anfang Januar verkündet hat, die Kontrolle über Panama, Grönland und Kanada gewinnen zu wollen. Kaum wiederernannt, begnadigt er mit einer einzigen Unterschrift rund 1.500 Straftäter vom Sturm aufs Kapitol aus dem Jahr 2021, und unterschreibt noch am gleichen Tag etliche weitere höchst umstrittene Dekrete – unter anderem den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation WHO. Da verwundert es nicht, dass sich viele Menschen Sorgen um die Zukunft der Demokratie machen, und das nicht nur in Bezug auf die Vereinigten Staaten, sondern auch in Europa. Wie lässt sich Trumps Erfolg erklären? Was haben wir von seiner Politik die nächsten vier Jahre über wohl tatsächlich zu erwarten? Und welche konkreten Auswirkungen kann das für uns hier in Europa haben? Darüber spricht unser Host Katharina Herkommer in dieser Podcastfolge mit Prof. Dr. Stephan Bierling, Professor für - Internationale Politik und transatlantische Beziehungen.

Themen aus der Sendung:

Transkript anzeigen

00:00:03: Hallo liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.

00:00:06: Ich bin's, wie immer, Katharina Herkommer aus dem Team der Kommunikation hier an der Uni Regensburg.

00:00:11: Normalerweise sind unsere Podcast-Folgen relativ zeitlos.

00:00:14: Die werden nicht schlecht oder ungültig, wenn man sie mal eine Woche früher oder später hört.

00:00:19: Aber diesmal ist es wichtig, dass ich euch als allererstes sage, wann wir diese Folge aufnehmen.

00:00:24: Heute ist Mittwoch, der 8. Januar 2025.

00:00:29: Wenn ihr diese Folge hört, ist aber auf jeden Fall schon Ende Januar.

00:00:32: Da wird die Folge nämlich live gehen, wie immer am letzten Donnerstag des Monats.

00:00:37: Warum ist es wichtig?

00:00:38: Weil bei dem Thema und besonders bei dem Menschen, um den sich heute sehr vieles dreht, zwischendrin so ziemlich alles möglich ist.

00:00:45: Wir sprechen über Politik und zwar über die Situation in den USA, jetzt zu Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump.

00:00:52: Am 20. Januar ist seine Amtseinführung die Inauguration und für uns ist es demnächst, für euch war es aber vor kurzem.

00:01:00: Und wie gesagt bei Trump weiß man nie, also wundert euch bitte nicht, wenn wir auf Dinge, die vielleicht in der Zwischenzeit passieren, hier keinen Bezug nehmen, weil sie für uns einfach noch nicht passiert sind.

00:01:10: Das macht aber glaube ich überhaupt nichts aus.

00:01:12: Im Gegenteil, ich freue mich, dass wir diesmal ein so aktuelles und spannendes Thema haben.

00:01:17: Und dafür natürlich auch wieder den perfekten Gast, den Amerika-Experten Professor Dr. Stephan Bierling.

00:01:23: Hallo Herr Bierling.

00:01:24: Ich grüße Sie.

00:01:28: Gasthörer.

00:01:35: Im November waren die Wahlen in den USA und sie haben auch bei uns in Deutschland so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie noch nie zuvor.

00:01:42: Trotzdem hat kaum jemand vorausgesehen, dass der Sieg so deutlich ausfallen würde für Trump.

00:01:48: Sie hatten es auch nicht erwartet, oder Herr Bierling?

00:01:50: Naja, es war nicht völlig überraschend.

00:01:53: Warum?

00:01:54: Weil es ja um diese sieben Swing States ging und es schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit hatte, dass der ein oder die andere Kandidatin, wenn sie sozusagen das Momentum, den Schwung hinter sich hat an den Wahlurnen, dann nicht nur vier zu drei Swing States gewinnt, sondern durchaus alle abräumen kann.

00:02:13: Insofern war es eine nicht absolut wahrscheinliche, aber auch nicht eine außergewöhnliche Entwicklung, die wir da am 5. November erleben mussten.

00:02:23: Trotzdem waren viele bei uns in Europa wahrscheinlich nicht gerade positiv überrascht, sagen wir mal so.

00:02:29: Hatten Sie gehofft, dass Kamala Harris gewinnt?

00:02:31: Darf ich das fragen?

00:02:32: Ja, ich hatte auf Kamala Harris auch eine Flasche Rotwein gesetzt.

00:02:36: Aber das wichtigste Argument in meinen Augen war nicht die ein oder andere inhaltliche Frage.

00:02:44: Es war im Letzten auch nicht unbedingt eine Stilfrage, obwohl das auch eine Rolle spielte, sondern es war die Frage: Wer ist für die Demokratie gut?

00:02:55: Wer hält überhaupt die Prinzipien der Demokratie hoch? Dass man so eine Frage überhaupt stellen muss, ist schon überaus ungewöhnlich in der amerikanischen Politik.

00:03:05: Die geht ja 230 Jahre zurück, diese Geschichte der Amerikaner unter dieser Verfassung.

00:03:12: Und dass man so eine Frage stellen muss, hätten wir uns im 21. Jahrhundert nicht gedacht.

00:03:18: Dass dann natürlich nur Kamala Harris übrig blieb - nicht als Traum- oder Wunschkandidatin, aber als Kandidatin, die keine Gefahr ist für die Demokratie -

00:03:27: glaube ich, das hat im Letzten für mich den Ausschlag gegeben.

00:03:31: Ist ja schon traurig, dass man wirklich das als Minimalanforderung hat.

00:03:36: Aber es ist so ausgegangen, wie es ist.

00:03:38: Wir sprechen gleich intensiver darüber.

00:03:41: Bevor wir loslegen, möchte ich Sie aber wie immer unseren Hörerinnen und Hörern ein kleines bisschen vorstellen, damit die auch wissen, wem sie jetzt zuhören.

00:03:48: Und dafür habe ich ein paar Eckpunkte aus ihrer Bio mitgebracht.

00:03:52: Herr Bierling, Sie haben in München Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

00:03:56: Und sind der Stadt dann auch relativ lang treu geblieben.

00:03:59: Sie haben an der LMU auch promoviert, sich dort habilitiert und einige Jahre lang unterrichtet.

00:04:04: Wichtige Forschungsschwerpunkte waren für Sie von Anfang an die Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik der USA und transatlantische Beziehungen, also die Verbindung zwischen Nordamerika und Europa.

00:04:16: Nach einer kurzen Station in Nürnberg sind Sie im Jahr 2000 hierher zu uns an die Uni Regensburg gekommen.

00:04:21: Seitdem sind Sie am Institut für Politikwissenschaft Professor für internationale Politik und transatlantische Beziehungen.

00:04:28: Gastprofessuren haben Sie über die Jahre immer wieder ins Ausland geführt, nach Südafrika, Israel, zweimal in die USA und nach Australien.

00:04:35: Sie werden als USA-Experte extrem viel von den unterschiedlichsten Medien angefragt und haben eine ganze Reihe von Büchern veröffentlicht.

00:04:42: Ganz aktuell ist pünktlich zur Wahl ein neues Buch über die USA erschienen, "Die Unvereinigten Staaten" heißt es.

00:04:47: Und worum es da drin geht, da werden wir auf jeden Fall noch mal ausführlich sprechen nachher.

00:04:52: Hab ich alles richtig gesagt?

00:04:53: Passt das so?

00:04:54: Absolut perfekt.

00:04:55: Super.

00:04:56: Sie beschäftigen sich also seit vielen Jahren intensiv mit der Politik in den USA.

00:05:00: Da habe ich mich natürlich gefragt, woher kommt das?

00:05:03: Mögen Sie das Land einfach so gerne?

00:05:05: Sind Sie ein großer Fan von Hollywood, Route 66 und riesigen Shopping-Malls oder gibt es einen anderen Grund für diese Spezialisierung?

00:05:12: Naja, es begann eher durch Zufall.

00:05:15: Ich musste meine Magisterarbeit damals schreiben und war sehr stark auf Osteuropa konzentriert.

00:05:20: Das waren die 80er Jahre, die Zeit des Kalten Krieges.

00:05:24: Ich bin in die Sowjetunion gereist.

00:05:25: Ich war in der DDR, in Ungarn, in Polen.

00:05:28: Alles zu diesen schrecklichen, diktatorischen Zeiten der Kommunisten.

00:05:33: Aber es hat mich unglaublich fasziniert.

00:05:34: Ich habe angefangen, Russisch zu lernen und habe meinem Professor damals vorgeschlagen in München, ich würde gerne Magisterarbeit schreiben - 1987 war das - über die Wirtschaftsreformen von Gorbatschow.

00:05:44: Und dann sagt er, ja, schöne Idee, aber da tut sich ja nichts.

00:05:47: Das sind ja nur Ankündigungen, da haben sie gar kein empirisches Material, mit dem sie arbeiten können.

00:05:51: Und dann sagt er, aber ich habe heute früh in der Neuen Zürcher gelesen, dass es diese Funktion des nationalen Sicherheitsberaters im politischen System der USA gibt.

00:06:00: Schauen Sie sich doch mal an, ob es da schon was gibt.

00:06:02: Und wenn nicht, dann schreiben Sie Ihre Magisterarbeit darüber.

00:06:05: Und ich hatte mich mit den USA ein bisschen beschäftigt, war aber noch nie im Land gewesen, wie gesagt immer in Osteuropa rumgehangen.

00:06:13: Und dann dachte ich mir, mit dem Thema, das macht wirklich Spaß.

00:06:17: Habe mich eingearbeitet, dann kriegte ich eine gute Note auf die Magisterarbeit, die ist als Buch veröffentlicht worden.

00:06:24: Ich habe die längste und schönste Besprechung meiner Karriere gekriegt, nämlich eine ganze Seite in der Weihnachtsausgabe der SZ.

00:06:31: Und die war so gut, dass ich dachte, hey, der Job ist ziemlich easy.

00:06:36: Das heißt, das hat meine Liebe zu Amerika gestärkt, als Forschungsfeld, weil es dort offenbar nicht so viel Konkurrenz gab.

00:06:42: Und das hat mich dann auch im Grunde der Wissenschaft näher gebracht.

00:06:44: Da dachte ich mir, wenn ich als gerade Magistrierter so locker so eine gute Besprechung kriege, dann kann der Job nicht wirklich so schwer sein.

00:06:52: Und es hat sich auch richtig herausgestellt.

00:06:54: Na ja, es gehört wahrscheinlich schon einiges dazu, aber vor allem zeigt es, wie offen sie waren, einfach sich auf was komplett Neues einzulassen und sich da auch einfach reinzufuchsen, sich auch dem Tipp hinzugeben ihres Magistervaters damals.

00:07:06: Das ist die schöne Interpretation.

00:07:09: Man kann auch sagen, ich war nicht wirklich mit einem klaren Design in mein Leben gestartet.

00:07:15: Aber so ist es immer.

00:07:16: Was dann später in Lebensläufe rein interpretiert wird, das ist immer die Ex-Post-Analyse.

00:07:22: Und das sieht alles so stringent aus und zwangsläufig und geplant.

00:07:26: Und da gehörte ich zu einer ganz anderen Generation.

00:07:29: Heute glaube ich, viele meiner Studenten sind schon sehr viel cleverer.

00:07:33: Und so ist heute auch die Anfordernis, dass man seinen Lebenslauf dicht macht und dass man dort noch ein Praktikum macht und hier noch was hat und da noch ein Gutachten kriegt.

00:07:42: Ich kam aus einer ganz anderen Welt.

00:07:45: Ich bin die erste Generation, die sozusagen überhaupt an die Uni ging.

00:07:49: Meine Vorfahren waren Bauern und Schnitzer und Wilderer.

00:07:54: Alles sehr anarchistisch bei uns in der Familie.

00:07:57: Und so habe ich eigentlich auch mein Studium betrieben.

00:07:59: Ich habe mich treiben lassen und sie hat mich dann im Letzten die Liebe zu den USA getrieben.

00:08:04: Das wäre nochmal ein komplett anderes Thema, dass wir hier Studienberatung machen könnten.

00:08:08: Aber darauf wollen wir jetzt heute nicht so intensiv eingehen, denn Sie haben ein anderes Fachgebiet.

00:08:14: Und auch wenn die Wahlen jetzt schon ein paar Monate rum sind, ich möchte es nicht zu weit ausbreiten.

00:08:18: Aber wenn ich so einen Experten vor mir habe, dann möchte ich doch noch mal ein bisschen auf die Wahlen zurückkommen.

00:08:23: Sie haben im Vorfeld gesagt, dass das wahrscheinlich die wichtigsten Wahlen ihres Lebens sein würden.

00:08:29: Warum? Inwiefern?

00:08:31: Erstens, weil es um die größte und älteste Demokratie der Welt geht.

00:08:35: Das sind die USA.

00:08:36: Das ist das mächtigste Land auf dem Planeten.

00:08:39: Und was in den USA passiert, does not stay in the United States.

00:08:44: Das heißt, es hat Konsequenzen für den ganzen Planeten und es hat vor allem Konsequenzen natürlich für die Demokratien auf den Planeten.

00:08:52: Die USA waren unser Vorbild, sie haben Demokratien gefördert, sie waren unser Beschützer, sie waren unser wichtigster Wirtschaftspartner.

00:09:00: Sie haben diese Ordnung, diese Welt, in der ich groß geworden bin, diese westliche liberale Ordnung quasi im Alleingang nach dem zweiten Weltkrieg - with a little help of the European friends - geschaffen und diese Welt ist am Zusammenbrechen in vielen Bereichen.

00:09:19: Russland versucht diese Welt zu zerstören mit Artillerie und Granaten, China versucht sie zu zerstören mit wirtschaftlicher Abhängigkeit und Drohpolitik.

00:09:28: Und wenn da die USA ausfallen als Führungsmacht, auch als Macht, die den Westen organisiert, dann hat das dramatische Konsequenzen.

00:09:39: Und dann kommt natürlich dazu, das tun sie am besten, wenn sie eine überzeugte Demokratie sind.

00:09:45: Und insofern ist Trump der Härtetest, wie gut Demokratie in den USA jemand wie ihn überleben kann.

00:09:54: Und das ist der Härtetest für uns im Westen, ob wir überhaupt zusammenstehen können in dieser Welt, wo diese Ordnung, die uns so viel an Wohlstand, an Freiheit und Frieden gebracht hat, überleben kann angesichts totalitärer Diktaturen wie China oder brutaler Aggressionsregime wie Russland.

00:10:16: Denken Sie, dass die Demokraten sich ihre Niederlage selber eingebrockt haben durch den späten Wechsel auf Kamala Harris oder war Kamala Harris vielleicht einfach nicht eine stark genuge Kandidatin?

00:10:26: Oder kann gegen jemanden wie Trump, der seine Befürworter so stark hinter sich hat einfach, konnte da überhaupt niemand gewinnen?

00:10:35: Da könnte man jetzt stundenlang drüber philosophieren.

00:10:37: Und es gibt auch unterschiedlichste Erklärung, warum die Demokraten es nicht geschafft haben diesmal.

00:10:43: Ich glaube, die beste Erklärung, die wir haben, ist, dass es sehr viel Angst in unseren Gesellschaften gibt.

00:10:52: Und das geht über Amerika hinaus.

00:10:54: Und deshalb ist Amerika so wichtig, weil wir in unsere eigene Gegenwart und Zukunft schauen, wenn wir die amerikanische Politik betrachten.

00:11:00: Es gibt unglaublich viel Angst in unseren Gesellschaften.

00:11:05: Angst vor illegaler Immigration.

00:11:07: Angst vor der Konkurrenz durch China.

00:11:10: Angst vor Verlust von Arbeitsplätzen.

00:11:14: Angst vor dem Wertewandel, der insgesamt viele positive Seiten hat, aber viele Menschen fühlen sich überfahren.

00:11:23: Und in dieser Welt der Angst sucht man immer wieder nach neuen Lösungen, nach Leuten, die schnelle Rezepte anbieten, um diese ja verunsicherten Menschen in Demokratien abzuholen.

00:11:39: Und das gelingt im Grunde den Außenseiter-Parteien immer besser als den Inside-Parteien.

00:11:47: Und was wir sehen in allen westlichen Demokratien ist nicht unbedingt eine eindeutige Tendenz zu den Populisten, sondern es ist einfach der unglaublich schnelle Wandel.

00:11:56: Das heißt, kaum eine Regierung, die mehr als eine Amtszeit durchsteht.

00:12:00: Fast alle westlichen Demokratien sind gerade durch einen Regierungswechsel gegangen oder gehen gerade durch einen Regierungswechsel.

00:12:07: Trudeau hat Anfang Januar angekündigt zurückzutreten.

00:12:11: In Deutschland werden wir einen Regierungswechsel haben im Februar.

00:12:13: In Österreich erleben wir gerade sowas.

00:12:15: Also es gibt kein Land, das nicht im Grunde seine Regierung die sie vier Jahre oder noch manchmal ein bisschen länger oder weniger vertragen musste sofort wieder rauswirft.

00:12:25: Und ich glaube, das ist auch die beste Erklärung, das Phänomen Trump zu verstehen.

00:12:30: Nach acht Jahren Obama war man den Demokraten überdrüssig.

00:12:35: Man hat Trump reingehievt 2016.

00:12:38: Dann war man ihm überdrüssig und hat Biden für eine Amtszeit geholt.

00:12:41: Jetzt ist man seiner überdrüssig, holt Trump zurück.

00:12:45: Und wahrscheinlich wird es in vier Jahren so sein - das ist meine Prognose - dass dann die Demokraten einfach, weil sie dann die Out-Partei sind, die nicht regierende Partei, wieder sehr gute Chancen haben, egal ob sie ihr Programm dramatisch verändern, egal mit wem sie antreten, sehr gute Chancen haben, die Regierung wieder zu stellen.

00:13:02: Das heißt, wir überlegen uns in der Politikwissenschaft oft sehr komplizierte Erklärungen und Mechanismen.

00:13:09: Waren die Demokraten zu woke?

00:13:11: Haben sie zu wenig Rücksicht genommen auf den Wähler im Mittleren Westen?

00:13:16: Haben sie ihre ursprüngliche Klientel vernachlässigt?

00:13:19: Warum ist Trump auf einmal so stark bei Hispanics und bei Schwarzen?

00:13:24: Warum läuft ihm die Mittelklasse gerade am Land im Mittleren Westen?

00:13:29: Das sind alles legitime Fragen, die können wir alle gut erklären.

00:13:32: Wahrscheinlich ist die einfachste Antwort, die beste Antwort: Weil Menschen Wandel wollen.

00:13:37: Und wer draußen ist und nicht in der Regierung, selbst wenn er schon einmal ein Chaos angerichtet hat wie Trump, kriegt dann noch mal eine Chance, Hauptsache er ist jemand, der Wandel, Rebellion, Aufstand gegen das Establishment verspricht.

00:13:51: Sie haben die starken Persönlichkeiten erwähnt, auch in verschiedenen Ländern.

00:13:55: Also wir haben einen Putin, wir haben einen Orban, wir haben einen Trump.

00:14:00: Lauter Leute, wo man manchmal das Gefühl hat, denen wäre vielleicht eine Alleinherrschaft eigentlich lieber als eine Demokratie.

00:14:06: Gehört das auch dazu zu diesen einfachen Lösungen?

00:14:10: Also gibt es da so eine Art Personenkult?

00:14:12: Ist es für die Leute leichter als was ungriffiges wie eine Regierung?

00:14:17: Da würde ich ihn erstmal ganz direkt widersprechen.

00:14:19: Also Xi und Putin und Trump würde ich nie in einem Atemzug nennen, weil Xi ist der Chef eines totalitären Unterdrückerstaats, wo Tausende hingerichtet werden, jedes Jahr an Dissidenten und eingesperrt werden, der mit Konzentrationslagern arbeitet und Ähnlichem.

00:14:39: Über Putin müssen wir nicht sprechen, das ist der aggressivste Diktator, den wir in Europa seit 1945 haben, der mehr Menschen auf seinem Gewissen hat als jeder andere von seinesgleichen.

00:14:52: Und Trump hat autoritäre Instinkte, das ist vielleicht der einzige Vergleich.

00:14:56: Aber er lebt natürlich in einer Demokratie, selbst wenn es ihm nicht passt.

00:15:01: Und dass es ihm nicht passt, wird jeden Tag klarer, weil er immer wieder mit solchen Ideen ventiliert.

00:15:08: Er würde die Amtszeitbegrenzung abschaffen wollen.

00:15:11: Er würde durchregieren wollen an Kongress und an Gerichten vorbei und so weiter und so fort.

00:15:17: Er will sich die Medien untertan machen.

00:15:19: Das sind bei ihm Ideen, die aber natürlich in den vier Jahren, die er noch hat im Weißen Haus, nicht wirklich gelingen werden.

00:15:28: Also das würde ich einfach nicht akzeptieren wollen, dass er hier gleichgesetzt wird mit den anderen beiden Schurken.

00:15:36: Er ist auch ein Schurke, aber er ist ein Schurke in einem System und es gibt Widerstandsmöglichkeiten und es gibt auch Widerstände.

00:15:43: Und wenn wir uns seine erste Amtszeit anschauen, dann war die ja weniger durch Autoritarismus gekennzeichnet als durch Chaos.

00:15:52: Seine autoritären Ideen, damit ist er meistens ziemlich auf die Nase gefallen.

00:15:57: In der zweiten Amtszeit ist er besser vorbereitet, um das durchzusetzen, ganz bestimmt.

00:16:01: Er spielt natürlich mit dem Image des starken Mannes, des Verhandlers.

00:16:06: Das ist auch etwas aus der Macho-Kultur, ganz bestimmt.

00:16:09: Das hat auch immer wieder gegen Hillary Clinton und gegen Kamala Harris ins Feld geführt, dass im Grunde wichtige und richtige Politik nur von großen Männern gemacht wird.

00:16:18: Das stimmt alles, aber man darf nicht unterschätzen.

00:16:21: Es gibt trotz allem nach wie vor die sogenannten checks and balances, die Gewichte und Gegengewichte, die Kontrollen, die ihn einhegen.

00:16:30: Und er hat nur sehr hauchdünne Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses.

00:16:36: Das heißt durchregieren in dem Sinne wie ein Putin oder ein Xi, das wird ein Trump nie können, selbst wenn er davon träumt und halluziniert.

00:16:46: Trotzdem ist ja der Personenkult unwiderlegbar gewesen.

00:16:51: Also die Republikaner wären nicht so stark gewesen, wenn sie nicht so viele Leute hinter Trump vereint hätten.

00:16:57: Und man sieht es ja an den Duellen, die jetzt auch zu uns nach Deutschland schwappen.

00:17:01: Früher war man für die CDU oder für die Grünen und heute wählt man Team Habeck oder so.

00:17:06: Also gehört diese, ich sag jetzt mal, Personalisierung der Politik eben zu diesen leichteren Antworten und Erklärungen, die Sie vorher erwähnt haben.

00:17:15: Ja, aber die kann auch in positive Richtungen gehen.

00:17:19: Also das würde ich jetzt nicht nur negativ abqualifizieren, weil diese Vorstellung, dass man sozusagen Parteiprogramme abwägt gegeneinander - kein Schwein liest Parteiprogramme, ich auch nicht.

00:17:32: Oder dass man wirklich sehr klar, rational abwägt, was denn die Wahlentscheidung dann im Letzten ist.

00:17:39: Das gehört glaube ich eher an universitäre Seminare, als an die Realität der Politik.

00:17:45: Ich wollte gerade sagen, das ist ja auch schwierig, also das muss man ja auch gelernt haben.

00:17:49: Man muss es gelernt haben, es ist schwierig, es ist unglaublich verquast, was in diesen Parteiprogrammen steht.

00:17:56: Das heißt, im Letzten geben wir bei Wahlen in Demokratien einen Vorschuss auf das, was wir erwarten und das personifizieren Menschen.

00:18:07: Und insofern glauben wir immer, dass die Person, die wir mit Macht ausstatten, in etwa das tun wird, mit dem wir sie beauftragen.

00:18:18: Und das ist bei Trump eben der Kampf gegen das Establishment, die Rebellion, das untere nach oben kehren, also schon fast etwas Revolutionäres, was er manchmal hat.

00:18:28: Aber das wollen die Mehrheit der Amerikaner.

00:18:32: Okay, da müssen wir jetzt vorsichtig sein.

00:18:33: Er hat auch diesmal nur 49,8 Prozent der Stimmen gewonnen.

00:18:38: Aber es hat gereicht natürlich im Zweiparteiensystem.

00:18:41: Aber sein Mandat ist jetzt nicht so außergewöhnlich, dass er sagen kann, er hat drei Viertel oder zwei Drittel der Amerikaner hinter sich.

00:18:49: Das heißt, Personen sind wichtig.

00:18:51: Es müssen halt die richtigen Personen sein.

00:18:55: Auch Populismus ist per se nichts schlechtes, sondern Populismus bindet Politiker auch daran zurück, dass sie nicht abgehoben agieren und sich nicht um die Probleme der Leute da draußen kümmern.

00:19:09: Und ich glaube, das ist schon etwas, was man quer über alle westlichen Demokratien sagen kann, dass die etablierten Parteien, die Volksparteien bei uns, in den USA, auch die lange regierenden Demokraten, die hatten ja jetzt gerade acht Jahre Obama und vier Jahre Biden, dass sie doch viele Probleme nicht angefasst haben, die den Leuten unter den Nägeln brennen.

00:19:33: Und das ist ganz oben illegale Immigration.

00:19:37: Das ist ganz oben zunehmende Konkurrenz durch Staaten wie China, was dann zu Lohnabwärtsspiralen führen kann, zu Verlust von Industriearbeitsplätzen und Ähnlichem.

00:19:50: Und vor allem die Zukunftsperspektiven den Leuten nicht aufzeigen können.

00:19:55: Und ich glaube, das ist wirklich was Entscheidendes in den USA wie hier, dass die Gesellschaften, denen es ja insgesamt ökonomisch immer besser geht, aber auseinander driften zwischen den Leuten, die diese neue schöne Welt als Chance sehen, wo technologische Neuerungen, wo die Möglichkeiten zu reisen, wo die Möglichkeiten, die ganzen Internetgüter zu nutzen, für viele Menschen befreiend sind, wo kulturelle Werte, die Liberalisierung, die wir haben, Homo-Ehe und so weiter für viele Menschen eine schönere, freiere Welt bedeutet.

00:20:35: Aber es gibt eben auch sehr viele Menschen, die fühlen sich einfach überfahren von diesen Entwicklungen.

00:20:40: Und wenn sie nicht die Ausbildung haben und wenn sie nicht in den Städten wohnen, wo ihnen sozusagen die breitere, progressive Welt offen steht, dann können sie sehr viel Ängste entwickeln.

00:20:55: Und das ist etwas, was zunehmend am Bildungsgraben sich festmachen lässt.

00:21:00: Man spricht in den USA mittlerweile vom Degree Gap.

00:21:03: Das heißt, die besser Ausgebildeten wählen die Demokraten.

00:21:07: Die schlechter Ausgebildeten und das Neue jetzt bei diesen Wahlen 2024, nicht nur der Weißen, sondern auch der Schwarzen und der Hispanics und auch der Asian Americans wählen Trump.

00:21:19: Das heißt, er ist in der Tat der Sprecher der Forgotten People, die bei uns, die Sozialdemokraten in den USA, die Demokraten, bei uns auch die Union, quasi als Auslaufmodell gesehen haben, den Arbeiter, der in der Maloche ist, die Leute, die etwas ins Hintertreffen zu geraten drohen und für die macht Trump die Rebellion, für die macht damals Johnson den Brexit, für die spricht Le Pen und Meloni und die AfD will auch für sie sprechen, obwohl es der nicht so wirklich ganz gelingt, einfach weil sie sich so unglaublich dämlich anstellt im Vergleich zu den erfolgreichen Populisten.

00:21:57: Aber das Groundwork sozusagen, der Boden wäre auch bei uns da.

00:22:03: Sie sind ja auch erfolgreich genug.

00:22:04: Sie sind erfolgreich genug, gerade in Ostdeutschland, aber wir müssen damit zurechtkommen, dass wir diese Probleme eigentlich vernachlässigt haben.

00:22:16: Und da spielen Universitäten, die immer abgehobener sind und immer, ja, in einer Sprache sprechen, die nicht mehr verständlich ist, die sich Problemen annehmen, die auf der normalen Bürger-Ebene nicht mehr gesehen werden, auch keine sehr rühmliche Rolle.

00:22:33: Ich komme aus einem kleinen Ort Oberammergau.

00:22:34: Wenn ich mich da zusammensetz mit meinen Handwerkern, mit denen ich in die Schule gegangen bin, in die Volksschule, oder mit den Bauern, mit denen ich oft zu tun hab, und erzähle, wie wir an den Unis sprechen würden und was wir mit Studierenden und StudentInnen und so weiter machen, dann bin ich froh, wenn sie nicht gleich zur AfD, sondern nur bis zu Aiwanger laufen.

00:22:53: Das heißt, wir tun auch der Universität keinen Gefallen, wenn wir sie zu weit entfernen von der Realität der Probleme der Bürger und von der Realität des Lebens.

00:23:06: Und Trump ist sozusagen in einem gewissen Sinne die schlimmstmögliche Rache an diesen Dingen.

00:23:12: Bildung fängt ja nun nicht an der Universität an, sondern schon sehr viel früher.

00:23:17: Ich hab ganz oft das Gefühl, dass das zum Problem auch der Selbstwirksamkeit ist, dass viele nie erkennen, dass sie Teil dieses Fortschritts sein können, dass sie einfach immer denken, die machen das für die da oben.

00:23:28: Aber dass gerade in Amerika im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eigentlich mehr Freiheit für jeden gut wäre, da müsste die Bildung wahrscheinlich sehr viel früher ansetzen.

00:23:37: Ja, ich weiß auch nicht, ob es nur eine Bildungsgeschichte ist.

00:23:40: Vielleicht reden wir uns das auch ein an den Universitäten, weil wir sie genießen durften.

00:23:46: Es geht einfach, glaube ich, um Problemlösung.

00:23:48: Demokratien sind ja nicht - wir nennen das jetzt und jetzt mache ich ein bisschen Politikwissenschaft - inputorientiert.

00:23:55: Das heißt, es hängt nicht nur von unseren guten Absichten ab und dass wir alle im Herzen Demokraten sind, sondern Demokratien sind auch Output legitimiert.

00:24:04: Das heißt, sie müssen Probleme lösen.

00:24:06: Und was wir gesehen haben in den letzten 10, 15 Jahren ist, dass eine Mehrheit der Bürger, zumindest eine substanzielle Minderheit, sich nicht wirklich aufgehoben fühlt in der Tatsache, dass Demokratien ihre Probleme lösen.

00:24:22: In der Immigrationsdebatte natürlich kristallisiert sich das am meisten heraus.

00:24:27: Aber sie können dutzende andere Probleme aufzeigen, von der Wokeness-Bewegung über im Grunde Sprachdiktate und ähnliches.

00:24:37: Die ganze Bürokratisierung, die aus dem Ruder läuft, wo die Leute sagen, es war früher einfacher.

00:24:44: Und wenn Demokratien nicht nachweisen können, dass sie diese wichtigen Probleme der Leute in Angriff nehmen, dann werden sie über die Output-Legitimation verlieren.

00:24:56: Und was Trump und die Seinen versprechen ist, der Input ist gar nicht so wichtig.

00:25:00: Das heißt, die demokratische Gesinnung ist gar nicht so wichtig.

00:25:03: Es zählt nur der Output.

00:25:05: Und das ist natürlich auch sehr, sehr gefährlich, weil sie dann zu autoritären Ideen und zu autoritären Vorschlägen neigen.

00:25:13: Stichwort Personal um Trump herum.

00:25:15: Was halten Sie denn in dem Zusammenhang vom Kabinett, das sich Trump jetzt schon so zusammengestellt hat in den letzten Wochen und Monaten?

00:25:22: Trump erstmal hat es geschafft seit seinem Wahlsieg, der schon am 6. November feststand, die amerikanische Debatte fast völlig zu dominieren.

00:25:33: Das ist eine seiner großen Fähigkeiten, die wir immer wieder unterschätzt haben, dass er aus der politischen Diskussion allen Sauerstoff ziehen kann, weil er alles auf sich zentriert.

00:25:46: Er ist der geborene Alleinunterhalter, Entertainer.

00:25:50: Und was er am erfolgreichsten betrieben hat in seinem ganzen Berufsleben, war ja nicht sein Immobilien-Imperium, das hat er von seinem Papa geerbt und hat das meiste an die Wand gefahren, sondern sein erfolgreichstes Unterfangen war, als er als Moderator dieser Casting-Show The Apprentice 12 Jahre sehr sehr viel Geld verdiente.

00:26:10: Er weiß, wie flach die Menschen sind, wie flach die Medien sind, auch die Qualitätsmedien.

00:26:16: Wir alle hängen dann an seinen Lippen, was er von sich gibt.

00:26:20: Wir sprechen jetzt am 8. Januar, gerade gestern hat er eine Pressekonferenz gegeben, wo er gesagt hat, er wird Grönland und Kanada vielleicht zum Teil der USA machen.

00:26:29: Und schon ist die Weltpresse voll davon.

00:26:32: Er weiß, wie man sozusagen dem Affen immer wieder Zucker gibt.

00:26:36: Und der Affe ist die gesamte Öffentlichkeit und wir nehmen ihm den Zucker ab.

00:26:41: Das ist etwas, was Trump kann.

00:26:43: Kommen wir zum Kabinett.

00:26:44: Das ist ja die eigentliche Frage.

00:26:46: Dort hat er sehr schnell, schneller als seine Vorgänger, sehr getaktet immer wieder Ernennungen von sich gegeben, die im Grunde vier bis fünf Wochen die gesamte Qualitätspresse und natürlich die weniger qualitative Presse und Medien dauernd beschäftigt hat.

00:27:07: Zum Teil mit unmöglichen Kandidaten.

00:27:10: Wenn wir eine Quintessenz daraus ziehen wollen, er hat in zwei Bereichen eigentlich relativ solide Leute eingesetzt.

00:27:18: Das ist in der Wirtschaftspolitik mit dem Finanz- und dem Wirtschaftsminister, mit Bessent und er hat in der Außenpolitik mit dem Sicherheitsberater und dem Außenminister auch zwei Leute vom rechteren Rand genommen, aber die durchaus im zurechnungsfähigen Bereich sind.

00:27:36: Wenn man jetzt sagen würde Full Stop, könnte man damit leben.

00:27:40: Das wirklich gefährliche ist, dass er die Ministerien und die Behörden, die wirklich wichtig sind für die Demokratie - nehmen sie etwa das Justizministerium, nehmen sie etwa das FBI, nehmen sie die Geheimdienste - mit Leuten besetzt hat, die eigentlich nur den Auftrag haben, diese Behörden umzuformen nach seinem Willen oder abzuwickeln.

00:28:07: Und über alle dem thront Musk, der eigentlich keine wirkliche formelle Funktion hat.

00:28:13: Er hat kein Ministerium, er hat so ein neu geschaffenes Amt für die Reorganisation der Regierung bekommen.

00:28:20: Da wissen wir gar nicht, was das so wirklich bedeutet.

00:28:22: Regierungseffizienz, hab ich gelesen.

00:28:24: Regierungseffizienz, ja.

00:28:26: Das spielt natürlich in die Idee rein, dass Trump in seiner ersten Amtszeit viele seiner Projekte nicht durchsetzen konnte, weil sie randlegal waren und sich die Behörden, die Bürokratie ihm widersetzt hat.

00:28:41: Und deshalb will er die Bürokratie zerstören.

00:28:43: Das ist das, was er immer als Deep State, als tiefer Staat schilt.

00:28:49: Und er sieht darin den Feind.

00:28:51: Er sieht darin nicht eine auf Recht und Ordnung verpflichtete Behördenstruktur, die ja auch auf die Verfassung eingeschworen sind und nicht auf den Präsidenten.

00:28:59: Und das widerstrebt ihm schon.

00:29:01: Und deshalb passt es ganz gut zusammen mit Musk, der in seinen ökonomischen Funktionen immer wieder durch große Disruptionen und vor allem durch Kürzungen von Arbeitskräften aufgefallen ist.

00:29:15: Effizienz war sein großer Erfolg, sowohl bei Tesla wie bei SpaceX, dass man das so einfach auf den bürokratischen Apparat übertragen kann.

00:29:27: Natürlich, wir haben viel zu viel Bürokratie.

00:29:29: Aber das zu erkennen und es zu verändern sind natürlich zwei paar Stiefel.

00:29:34: Und dort ist Trump natürlich mit Musk ein Coup gelungen, umgekehrt auch, weil der mächtigste und der reichste Mann des Planeten zusammenspielen, um im Grunde Amerika auf diese CEO Vorstellung, also diese Vorstellung, dass Amerika geführt wird wie ein Privatunternehmen.

00:29:55: Also nicht wie ein öffentliches Unternehmen, wo es ja ein Aufsichtsrat gibt und wo ein CEO auch nur eine bestimmte Amtszeit bekommt und dann wiedergewählt werden muss, sondern wie ein Privatunternehmen, wo man auf Lebenszeit amtiert und auch nicht auf ein Aufsichtsrat Rücksicht nehmen muss.

00:30:10: Und das trifft für Trump und seine Erfahrung und für Musk und seine Erfahrung zu.

00:30:15: Und das ist natürlich hochgefährlich, wenn man diese Ideen in die Politik implantieren will.

00:30:22: Also die Demokratie wirtschaftlich machen unter allen?

00:30:25: Ich bin schon fürs wirtschaftlich machen.

00:30:27: Verstehen Sie mich nicht falsch.

00:30:28: Ich bin auch fürs wirtschaftlich machen von Universitäten.

00:30:31: Aber ich bin nicht fürs Durchregieren von Leuten, die im Grunde niemandem mehr rechenschaftspflichtig sind.

00:30:39: Und das ist die Gefahr.

00:30:41: Und so ticken die beiden Herren, die jetzt im Moment die amerikanische Staatsspitze, so kann man es fast sagen, ausmachen.

00:30:47: Obwohl als wir sprechen weder Trump im Amt ist, noch Musk formell sein Amt übernommen hat.

00:30:53: Und trotzdem gebären sie sich schon so, als ob sie die neuen Herren nicht nur Amerikas, sondern der Welt wären.

00:31:00: Sie bespielen die Medien, Trump vor allem.

00:31:03: Sie haben es schon gesagt, seit Monaten liest man wieder unheimlich viel und ist einfach wahnsinnig präsent.

00:31:08: Es war ja schon während seiner letzten Amtszeit so, dass wir in unseren deutschen Medien zum Teil mehr über Trump lesen mussten, als über unseren eigenen Kanzler oder Kanzlerin damals.

00:31:19: Ist das, weil die Medien da einfach aufspringen, weil es immer eine gute Geschichte ist, sagen wir mal, wenn Trump wieder irgendeinen Quatsch macht, so?

00:31:25: Oder liegt es tatsächlich daran, dass die amerikanische Politik eben auch für uns hier immer wichtiger wird?

00:31:33: Ich glaube, es sind beide Facetten richtig.

00:31:36: Das erste, was man sagen muss, Amerika ist eben für jedes Land auf diesem Planeten das wichtigste Land.

00:31:43: Selbst für China, die Nummer zwei auf dem Planeten, ist das, was in Washington passiert, von absoluter Bedeutung.

00:31:49: Das heißt, die schiere Macht, die schiere Größe der USA ist natürlich von herausragender Wichtigkeit für alle Länder auf dem Planeten.

00:32:01: Vor allem natürlich für die europäischen Demokratien, die im Vergleich zu den USA so viel kleiner sind, ökonomisch sowieso.

00:32:09: Und wir sind in den letzten 30 Jahren um ein Drittel zurückgefallen gegenüber den USA.

00:32:13: Wir werden also immer schwächer im Vergleich zu den USA.

00:32:16: Und wir werden auch sicherheitspolitisch immer abhängiger.

00:32:19: Das heißt, das haben wir uns zum Teil auch selbst zuzuschreiben, dass die USA über so einen langen Hebel verfügen uns gegenüber, weil wir eben unsere Bundeswehr in Deutschland, unsere Armeen systematisch verrotten haben lassen, wenn nicht sogar systematisch zerstört haben.

00:32:36: Und das bringt uns einfach in ein Abhängigkeitsverhältnis und eine Position der Schwäche.

00:32:42: Nicht alles, was Trump sagt, ist falsch, nur weil es Trump sagt.

00:32:46: Denken Sie etwa zwei Prozent Ziel der NATO, das hat schon George W. Bush verkündet, dann hat Obama sehr stark drauf gedrängt, dann hat Trump drauf gedrängt, dann hat Biden drauf gedrängt.

00:32:56: Und wir schaffen es zum ersten Mal, jetzt 2024 als Deutschland dieses Ziel zu erreichen.

00:33:03: Und das nur, wenn wir alle unsere Sachen zusammenstopseln, bis hin zu den Kindergärtenplätzen an der Bundeswehr und den Pensionen für NVA-Offiziere, also der alten Volksarmee der DDR, noch einen Teil mit reinrechnen.

00:33:15: Dann kommen wir erst mal auf zwei Prozent.

00:33:17: Das heißt, unsere Schwäche ist selbstgewählt.

00:33:21: Und wenn wir in beiden Bereichen unsere Wirtschaften auf Vordermann bringen, unsere Sicherheitspolitik auf Vordermann bringen, tun wir das nicht, um den Amerikanern gefallen zu tun, wie es oft rumkommt bei uns und diskutiert wird von so komischen Parteien wie der Wagenknecht-Partei und der AfD, also ob wir das nur tun müssten, weil Washington das uns vorgibt.

00:33:42: Nein, es ist in unserem ureigensten Interesse, auch um den Amerikanern in vielleicht mal besseren Zeiten als unter Trump ein besserer Partner zu sein.

00:33:51: Wir sind einfach kein guter Partner mehr für die USA und das lässt uns ein Trump natürlich so viel stärker spüren.

00:33:57: Der zweite Teil der Frage ist natürlich Trump sells.

00:34:01: Und er verkauft sich eben nicht nur in den profitorientierten Medien, sondern auch in den öffentlich-rechtlichen.

00:34:09: Und das ist etwas, wo man schon fast Trump zustimmen könnte, wie verkommen zum Teil die Medienlandschaft ist, weil sie lässt sich von ihm vorführen.

00:34:19: Der Chef von NBC, einer angesehenen amerikanischen Fernsehanstalt 2016, hat gesagt also nach Trumps ersten Wahlsieg, das ist eine Katastrophe für Demokratie, aber es ist gut für unser Geschäft.

00:34:31: Und so sehe ich es relativ häufig.

00:34:34: Trump hat einfach einen Wiedererkennungseffekt.

00:34:37: Trump ist der, gibt es jetzt Umfragen, bekannteste Name auf dem Planeten.

00:34:43: Das wollte er immer werden und wir haben es ihm ermöglicht.

00:34:46: Er ist auch gerade im 2016er Wahlkampf von den Medien mit Samthandschuhen angefasst worden.

00:34:53: Er hat so viel Aufmerksamkeit gekriegt, wofür Hillary Clinton damals viel Geld bezahlen musste, um in die Öffentlichkeit zu kommen.

00:35:00: Und das heißt, wir unterliegen auch diesem Phänomen, dass wir besoffen von Stars und Sternchen sind und auch im Journalismus viel zu wenig gut ausgebildete rationale Leute haben, die kommen halt alle nicht in die Politikwissenschaft in Regensburg, um so ein Phänomen auch ordentlich einordnen zu können, sondern sie gehen ihm immer wieder auf dem Leim.

00:35:24: Aber was kommt denn konkret auf uns zu?

00:35:27: Sie sagen die ganze Zeit, die Demokratie ist in Gefahr, aber was bedeutet denn jetzt tatsächlich diese zweite Amtszeit für uns ganz konkret?

00:35:33: Haben Sie ein paar Beispiele, die das in unser Leben reinrücken sozusagen?

00:35:37: Nun, die Demokratie ist zunächst in Amerika in Gefahr.

00:35:40: Trump wird das Land nicht in eine Diktatur ummodeln können, aber er wird die Grenzen des demokratisch Machbaren und Erlaubten austesten, wie er es in seiner ersten Amtszeit ausgetestet hat, nur dass er jetzt viel besser vorbereitet ist.

00:35:56: Ein Beispiel nur in Amerika, und dann kommen wir zu uns, er wird sehr viel stärker sozusagen durchregieren wollen.

00:36:04: Das heißt, er wird über Verwaltungsanordnungen regieren, er wird den Kongress quasi nur als Vollstreckungsorgan seiner Politik sehen und nicht als eigenständige demokratische Institution.

00:36:18: Er hat sich jetzt schon immer wieder Dinge herausgenommen, einfach auch im sprachlichen Umgang, die einer Demokratie nicht würdig sind, den Gegner als Ungeziefer zu bezeichnen und so weiter und so fort.

00:36:28: Das heißt, er bohrt an allen Ecken und Enden dieses schöne Brett Demokratie durch.

00:36:35: Ich glaube, es wird nicht brechen in diesen vier Jahren.

00:36:38: Das ist die beste Rückversicherung, die wir haben.

00:36:40: Er hat nur noch vier Jahre qua Verfassung, aber er wird es natürlich zu Schwächen versuchen, wo es nur irgendwo geht.

00:36:48: Was bedeutet es für uns in Europa?

00:36:50: Zum einen verlieren wir natürlich unsere demokratische Vormacht, den demokratischen Leuchtturm, auf den wir uns immer wieder berufen konnten.

00:36:59: Und wir werden viel schlechtere Argumente haben, gerade gegenüber den Despoten im Kreml und in Peking zu sagen, schaut doch, wie unsere Demokratien funktionieren.

00:37:09: Wir haben zwar Streit, aber im Letzten finden wir immer wieder zusammen.

00:37:13: Nein, er treibt hier auch die Demokratie an den Rand der Softpower, nennt man das, der weichen Macht, der Ausstrahlung, die die USA im Moment zu verlieren drohen.

00:37:26: Und sie sind die Macht Nummer eins, deshalb ist das für uns in dem Systemwettbewerb mit den Diktaturen sehr schlecht.

00:37:34: Ganz direkt heißt es, dass unsere Sicherheit und unsere Wirtschaft gefährdet sind, gerade in Deutschland, weil wir von diesem System, das ich am Anfang beschrieben habe, dieser liberalen westlichen Ordnung, diesem System, das basiert auf Regeln, auf Werten wie Menschenrechten, Völkerrecht, individueller Freiheit, auf Institutionen wie UNO, NATO, Multilateralismus, auf Marktwirtschaft.

00:38:05: Das alles droht im Grunde aufs Schwerste beschädigt zu werden.

00:38:10: Und wir Deutsche haben mehr als jede andere Nation auf diesem Planeten von diesem System profitiert.

00:38:16: Dass wir heute so reich sind, dass wir so sicher waren die längste Zeit, dass wir so frei waren, hat mit diesem System zu tun, das im letzten die Amerikaner garantiert haben.

00:38:28: Das heißt, wenn die Amerikaner das nicht mehr garantieren, wir sind viel zu schwach als Deutschland und als EU, es aus eigener Kraft zu garantieren.

00:38:37: Wir bräuchten bestimmt 15, 20 Jahre zielgerichteter Politik vieler Investitionen, vor allem in unsere Sicherheit, um das selbstständig machen zu können.

00:38:46: Das heißt, uns droht im schlimmsten Fall, dass wir an Wohlstand verlieren, dass wir an Freiheit verlieren und dass wir an Frieden verlieren.

00:38:57: Und an Frieden verlieren wir, wie wir sehen in der Ukraine.

00:39:01: Sollte Putin diesen Krieg gewinnen, wonach es im Moment aussieht, weil die Amerikaner ihre Unterstützung der Ukraine wahrscheinlich zurückfahren oder einstellen werden, werden wir es mit einem Putin zu tun haben, der sehr viel aggressiver auftritt.

00:39:17: Das heißt nicht, dass er die baltischen Länder überfallen wird, aber für die Moldau oder für Georgien würde ich es nicht völlig ausschließen.

00:39:24: Das heißt, die Grenzen des Veränderbaren, vor allem von Grenzen mit Gewalt, ist etwas, woran wir uns vielleicht gewöhnen müssen, wie im 19. oder im 18. Jahrhundert.

00:39:35: Das wird zurückkommen und das wird nicht gut gehen für die Westeuropäer.

00:39:39: Unsere Freiheit wird weniger sein.

00:39:41: Schon jetzt erleben wir, dass wir in manchen Dingen, gerade gegenüber China, einknicken.

00:39:47: Vor 10, 15 Jahren hat eine Bundeskanzlerin, hat ein französischer Präsident den Dalai Lama noch empfangen können, bis die Chinesen uns deutlich gemacht haben, nee, das wird Handelskonsequenzen haben.

00:40:00: Wir kaufen woanders ein und schon ist der Dalai Lama eine Persona non grata und wird nirgendwo mehr empfangen in Europa.

00:40:08: Stück für Stück kaufen uns die Chinesen im Grunde unsere politische Freiheit, unseren souveränen Umgang mit solchen Fragen ab.

00:40:16: Das ist die wirkliche Gefahr, vor der wir unsere Augen nicht verschließen können, auch an Universitäten nicht, wo wir unsere China-Aktivitäten eher ausbauen und mit einer kriminellen Naivität im Grunde uns den Chinesen ausliefern.

00:40:30: Und das letzte ist natürlich unser Wohlstand.

00:40:32: Und das werden die Leute natürlich als erstes merken.

00:40:35: Die Aufgabe von Freiheit und Sicherheit, das ist relativ abstrakt, aber im Wohlstand werden wir es sehen, wenn wir nicht mehr exportieren können auf den amerikanischen Markt, der unser größter Abnehmer ist, mit Abstand von unseren Exportgütern, nicht nur für Gesamtdeutschland, sondern insbesondere für Bayern und gerade für die Region, um Regensburg, Autozulieferer und so weiter und so fort, dann wird unser Wohlstand zurückgehen.

00:40:57: Ich spreche oft bei Veranstaltungen, wo CEOs dabei sind, also die Chefs von mittelständischen Unternehmen und die sagen, es geht uns ganz gut, wir investieren ziemlich, aber wir investieren halt jetzt in den USA, weil die Zukunftsaussichten in Deutschland nicht mehr so gut sind, von der demografischen Struktur, von der Überbürokratisierung, aber auch von den Zoll-Ankündigungen, die Trump immer wieder ins Spiel bringt.

00:41:20: Da müssen wir hinter den Zoll-Mauern sein, die Trump erheben will.

00:41:24: Und dann ist für uns die einzige Option diesen gigantischen amerikanischen Markt, der sich auch prächtig entwickelt hat die letzten 30 Jahre, dass wir dort vertreten sind.

00:41:34: Das heißt wir verlieren Kompetenz, wir verlieren Leute.

00:41:38: Ich habe eine ganze Zahl von meinen sehr talentierten Studenten, die in den USA Karriere machen, die bei uns die Karrierechancen so nicht mehr sehen, auch nie wieder zurückkommen und dort verheiratet sind und Familien gründen.

00:41:50: Und das merken wir natürlich nicht von heute auf morgen.

00:41:53: Aber wir merken es natürlich über kürzere und auch mittlere Zeiträume.

00:41:57: Und wir sehen es ja jetzt schon.

00:41:58: Das gesamte deutsche Modell unseres Wohlstands, unserer Außenpolitik der letzten 25 Jahre ist krachend gescheitert.

00:42:07: Das basierte auf billigem Gas aus Russland, auf ewig aufnahmefähigen Märkten in China und auf der amerikanischen Sicherheitsgarantie für Lau.

00:42:17: Und das russische Gas ist weg.

00:42:19: Da haben wir uns in einer völligen Idiotie Putin angedient und ausgeliefert.

00:42:24: Der chinesische Markt bricht zunehmend zusammen, weil die chinesischen Produzenten so gut geworden sind, dass wir selbst in unseren wirklichen Vorzeigebereichen - Chemieindustrie, Werkzeugmaschinen, Luxusautos - zunehmend die chinesische Konkurrenz fürchten und sie uns aus den Märkten in China drängt.

00:42:43: Und die amerikanische Sicherheitsgarantie unter Trump ist mehr oder weniger perdu.

00:42:48: Das heißt unser gesamtes Modell, unsere Existenz in Deutschland kracht zusammen.

00:42:54: Und das große Versagen von Schröder bis Scholz war, dass wir uns nie vorbereitet haben auf eine Welt, wo es anders kommt als wir es uns erträumen.

00:43:06: Ob das jetzt naiv war oder ob es einfach so unvorstellbar war, dass die Situationen, die jetzt eintreten, eintreten,

00:43:13: aber ich mein, es ist ja die Aufgabe der Politiker vorauszuschauen.

00:43:17: Ja, und es haben uns ja viele gesagt.

00:43:19: Denken sie an die baltischen Länder, denken sie an die Polen.

00:43:22: Die erzählen uns, wenn wir jetzt nur auf die Sicherheitspolitik schauen, seit 20 Jahren: Macht es nicht mit Nord Stream 1 und Nord Stream 2.

00:43:30: Ihr gebt den Russen nur einen Hebel, um euch zu erpressen und um die Ukraine im Grunde sturmreif, politisch sturmreif zu schießen.

00:43:38: Und genauso ist es gekommen.

00:43:40: Es klebt ziemlich viel, jetzt sage ich es ziemlich brutal, Blut an den Händen der deutschen Politik, weil wir über unserem billigen Gas im Letzten die Ukraine geopfert haben.

00:43:51: Die ganze Osteuropa-Politik wäre nochmal ein komplett anderes Thema.

00:43:56: Lassen sie uns wieder in den Westen gucken.

00:43:59: Wir haben jetzt ganz oft gehört, Amerika macht das oder Amerika hat früher das gemacht und so.

00:44:04: In ihrem Buch sprechen sie ganz viel über die Auswirkungen der Demokratie oder des Demokratieverlusts in Amerika auch für Europa.

00:44:13: Aber ein ganz wichtiger Punkt ist, dass Amerika ja nicht eine große Einheit ist.

00:44:19: Der Titel ihres Buchs ist "Die Unvereinigten Staaten" mit Untertitel "Das politische System der USA und die Zukunft der Demokratie", um es einmal ordentlich ausgesprochen zu haben.

00:44:28: Wir verlinken das natürlich auch gerne in den Show-Notes, wer sich dafür interessiert.

00:44:32: Die unvereinigten Staaten.

00:44:34: Ich habe mich gefragt, als ich über diesen Titel nachgedacht habe: Wenn man spitzfindig ist, dann kann man fragen, sind wirklich die amerikanischen Staaten unvereint?

00:44:43: Also geht es um Föderalismus auf der politischen Ebene oder ist es nicht vielmehr das Wortspiel, dass sie machen das Land des unvereint ist und damit eben auch die Leute oder ist es beides?

00:44:52: Es hat beide Facetten.

00:44:54: Das haben Sie natürlich sehr klug erkannt.

00:44:56: Es geht erstmal darum, dass die USA gespalten sind und zwar parteipolitisch gespalten, wie zu keinem anderen Zeitpunkt ihrer Geschichte.

00:45:06: Und das zieht sich durch das ganze politische System und fräst sich in alle Institutionen und Prozesse der Politik rein.

00:45:15: Amerika war natürlich nie homogen, aber die Spaltung war im Grunde nie anhand parteipolitischer Linien.

00:45:25: Das waren regionale, religiöse, andere Spaltungen, die es immer gab.

00:45:30: Und mit denen eine Demokratie, gerade von der Dimension der USA - schon auf dem Festland vier Zeitzonen - einfach zurechtkommen muss.

00:45:38: Da gibt es einfach so große Gebilde, das können wir uns ja in Westeuropa gar nicht vorstellen.

00:45:44: Deutschland würde ja 39 mal in die USA reinpassen.

00:45:47: Das kann man nur mit sehr viel Föderalismus bewältigen.

00:45:50: Nein, was das wirklich Neue ist an den USA, ist vor allem, dass diese Parteipolitik mittlerweile jeden Lebensbereich durchzieht.

00:46:00: Wir sehen es auch, dass sich Leute zunehmend über ganz normale Fragen, wie entwickelt sich die Wirtschaft, welche Freunde habe ich, es erstmal durch parteipolitische Brillen betrachten.

00:46:13: Nur ein Beispiel, vor den Wahlen haben Republikaner die ökonomische Lage in den USA nur zu 10% als gut bezeichnet, Demokraten zu 50%.

00:46:25: Obwohl sie beide dieselben Zahlen kriegen, dieselben Wachstumszahlen, dieselben Inflationszahlen, dieselben Außenhandelszahlen und trotzdem ist die parteipolitische Brille so stark, dass man nur Dinge danach beurteilt, ob jemand der eigenen Partei im weißen Haus sitzt oder nicht.

00:46:46: Also das heißt, die Demokraten sind gerade an der Macht und dann können die Demokraten die Wirtschaftspolitik nicht so kritisch sehen, wie sie sie vielleicht sehen würden, wenn gerade die Republikaner an der Macht wären.

00:46:56: Genau und umgekehrt.

00:46:58: Die Republikaner, die die Out-Partei sind, die letzten vier Jahre bis zum 20. Januar, die haben alles, was Biden gemacht hat überaus kritisch gesehen, auch wenn es ihnen zum Teil selbst geholfen hat.

00:47:10: Weil Biden hat eine sehr starke Politik gemacht für die Industriearbeiter zum Beispiel um die großen Seen, also diese ominösen Swing States, Pennsylvania, Michigan, Wisconsin.

00:47:22: Da haben Leute sehr stark profitiert über die Sicherung der Arbeitsplätze.

00:47:26: Aber sie haben es Biden nicht angerechnet.

00:47:29: Warum?

00:47:30: Auch weil sie zum Teil Republikaner waren und deshalb nichts Gutes aus Washington von der demokratischen Regierung kommen konnte.

00:47:37: Aber diese Spaltung, Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche, aber diese Spaltung zwischen Demokraten und Republikaner gab's ja schon immer dieses Zwei... - oder sehr lange zumindest.

00:47:43: Die gab's in der Form eben nicht.

00:47:46: Das ist etwas, was sich wirklich in den letzten 30, 40 Jahren entwickelt hat.

00:47:50: Die Parteien waren früher, wenn sie in die 70er, 80er, 90er Jahre sogar zurückgehen, Catch-all-Parties.

00:47:57: Das heißt, sie hatten in beiden Parteien recht konservative und recht liberale.

00:48:02: Das heißt, ein Republikaner aus Massachusetts, einem relativ progressiven Staat an der Ostküste, war in der Regel viel linker als ein Demokrat aus Texas, weil Texas ein sehr konservativer Staat war.

00:48:14: Das heißt, sie hatten in beiden Parteien ideologisch, aber auch von der Wählerklientel oft ganz heterogene Gruppen.

00:48:21: Das heißt, beide Parteien mussten sehr viele unterschiedliche Gruppen bedienen, große Zeltparteien nennen wir sie auch, wo jeder irgendwie Unterschlupf finden konnte.

00:48:31: Und das war für das politische System der USA, das ist ein präsidentielles System, absolut essenziell.

00:48:38: Warum?

00:48:39: Weil in einem präsidentiellen System der Präsident und der Kongress aus unterschiedlichen Wahlen hervorgehen.

00:48:45: Das heißt, der Präsident kann nie damit rechnen, dass er in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit hat.

00:48:50: Der muss also immer wieder versuchen, Koalitionen neu zu schmieden.

00:48:54: Und das geht nur, wenn die Parteien sozusagen durchlässig sind, wenn sie nicht ideologisch hundertprozentig festgelegt sind.

00:49:01: Das ist das Geheimnis der amerikanischen Demokratie.

00:49:05: Sobald die Parteien so funktionieren, wie sie in Deutschland in den 70er, 80er Jahren noch funktioniert haben, quasi als ideologisch geschlossene Programm-Parteien mit Fraktionsdisziplin und ähnlichem, dann funktioniert das amerikanische System nicht mehr.

00:49:20: Und genau das ist mein Hauptargument in diesem Buch, dass diese parteipolitische Polarisierung, dass die ideologische Geschlossenheit und Getrenntheit der beiden Parteien alle Prozesse und alle Funktionen und alle Institutionen in den USA dysfunktional macht.

00:49:40: Und das spiel ich dann durch am Präsidentenamt, am Kongress, an Verfahren wie den Wahlen, aber auch am Föderalismus und ähnlichen Dingen.

00:49:48: Aber wie kommt das?

00:49:49: Also was ich meinte ist ja, dass es diese zwei Parteien-Landschaft schon sehr lange gibt.

00:49:54: Und jetzt hat sich das aber eben gewandelt, deren Selbstverständnis, deren Außenwirkung.

00:50:01: Haben Sie da eine Theorie oder?

00:50:04: Ja, das war eine lange offene Frage.

00:50:07: Dass es so ist, können wir sehr schön empirisch feststellen als Wissenschaftler.

00:50:11: Da können wir das Abstimmungsverhalten im Kongress etwa analysieren, das immer homogener wird.

00:50:17: Also alle Demokraten stimmen immer stärker wie die Demokraten ab und die Republikaner stärker wie die Republikaner.

00:50:22: Früher ging das querbeet.

00:50:24: Das ist jetzt wirklich fast einheitlich.

00:50:27: Und das ist sozusagen die Diagnose.

00:50:30: Wir sehen, dass es so ist und auch, dass sich Wähler immer stärker, wie ich vorher schon ausführte, durch die parteipolitische Brille an der Realität orientieren.

00:50:39: Die Frage ist, passiert das alles, weil die Wähler ideologischer geworden sind?

00:50:44: Oder weil die Politiker ideologischer geworden sind?

00:50:47: Und wir hatten da keine gute Antwort.

00:50:50: Bis vor vielleicht zehn Jahren, wir immer mehr sehr überzeugende Studien bekamen bei diesem Henne und Ei Problem, dass es im Letzten die Politiker sind, die diese, ja, Polarisierung in die Bevölkerung und in die Parteien reingeprügelt haben.

00:51:06: Warum?

00:51:07: Weil es ihnen Wahlerfolge versprach.

00:51:09: Weil es die Leute am stärksten motiviert hat, zu den Wahlurnen zu gehen, wenn man sie verhetzt hat.

00:51:16: Ich sag's jetzt mal ganz direkt zugespitzt, wenn man ihnen also Red Meat, das rohe Fleisch, geboten hat.

00:51:23: Und da kamen natürlich vor allem so kulturelle Themen zu pass, wo man nur Ja oder Nein sagen kann.

00:51:28: Also Abtreibung, Waffenkontrolle, Schulgebet und ähnliches.

00:51:33: Das wurden auf einmal die großen Themen.

00:51:36: Nicht irgendwelche Sachen, die sehr schwierig sind - ist die Wirtschaftspolitik, muss man da die Steuern - und so weiter.

00:51:42: Sondern es wurde wirklich anhand dieser großen Kulturkampfthemen die Gesellschaft im Grunde polarisiert.

00:51:51: Und das haben Politiker reingeprügelt.

00:51:54: Die Republikaner haben das sehr stark gemacht, aber auch die Demokraten.

00:51:58: Beide haben sich immer sehr viel stärker den Randgruppen gewidmet, die Republikaner den Evangelikalen, also fundamentalistischen Christen, die Demokraten immer stärker irgendwelchen obskuren Linkenvereinigungen, vor allem an Universitäten.

00:52:13: Und auf einmal ging man in völlig entgegengesetzte Entwicklungen und machte das quasi zu Markern der eigenen Parteiidentität.

00:52:23: Und damit haben Politiker die Nation auseinandergezogen und die Mitte im Grunde fast verschwinden lassen.

00:52:31: Also groberer Stil, wir sind wieder zurück bei einfachen Fragen und einfachen Antworten, einfachen Themen.

00:52:38: Wir sind jetzt ganz tief eingetaucht in die Politik der USA.

00:52:42: Vielleicht machen wir ganz kurz einen Schritt zurück und lockern das Ganze wieder ein bisschen auf, bevor jetzt allen das Hirn zu sehr raucht.

00:52:50: Ich habe ein kleines Spielchen mitgebracht.

00:52:52: Und darauf habe ich sie nicht vorbereitet.

00:52:54: Aber ich hoffe, dass sie einfach mitmachen.

00:52:55: Das ist das A oder B Spiel.

00:52:56: Das heißt, ich nenne ihnen immer ein Wortpaar, zwei Begriffe.

00:52:59: Und sie müssen sich einfach aus dem Bauch raus schnell entscheiden, A oder B.

00:53:03: Also wenn ich zum Beispiel sag Hund oder Katze, dann sagen sie...

00:53:06: Ah, ähm...

00:53:07: Hund oder Katze?

00:53:08: Äh, Kanarienvogel.

00:53:09: Okay. Idealerweise einen der beiden Begriffe, die ich nenne.

00:53:12: Aber sie dürfen auch kreativ werden.

00:53:13: Genau, aber es gibt keine Erklärungen dazu, weder zur Frage noch zur Antwort.

00:53:17: Einfach ein Paar nach dem anderen.

00:53:19: Sind Sie bereit?

00:53:20: Absolutely.

00:53:21: Great.

00:53:22: Ich fang an.

00:53:23: Kaffee oder Tee?

00:53:24: Tee.

00:53:24: Aber ich hasse Heißgetränke.

00:53:26: Mensa oder Brotzeitdose?

00:53:28: Mensa.

00:53:29: Leberkäse Semmel oder Couscousalat?

00:53:31: Leberkäse.

00:53:32: Anruf oder E-Mail?

00:53:34: E-Mail.

00:53:34: E-Mail oder WhatsApp?

00:53:36: E-Mail.

00:53:37: Buch oder Podcast?

00:53:38: Buch.

00:53:38: Buch lesen oder Buch schreiben?

00:53:41: Buch lesen.

00:53:42: Schreiben oder unterrichten?

00:53:43: Unterrichten.

00:53:44: Republikaner oder Demokraten?

00:53:47: Das kann kein Professor beantworten, der seine Glaubwürdigkeit behalten will.

00:53:51: Föderalismus oder Zentralismus?

00:53:53: Föderalismus.

00:53:54: Bürokratie oder Anarchie?

00:53:55: Anarchie.

00:53:56: Wahlkampf oder Wahltag?

00:53:58: Wahlkampf.

00:53:59: Semester oder vorlesungsfreie Zeit?

00:54:01: Vorlesungsfreie Zeit.

00:54:02: Online oder offline?

00:54:04: Offline.

00:54:04: Samstag oder Sonntag?

00:54:05: Samstag.

00:54:06: Aufstehen oder snoozen?

00:54:07: Aufstehen.

00:54:08: Auto oder Fahrrad?

00:54:09: Fahrrad.

00:54:10: Singen oder tanzen?

00:54:11: Tanzen.

00:54:11: Schwammerl suchen oder Schwammerl essen?

00:54:14: Oh, beides.

00:54:15: Eine Einheit.

00:54:16: Ich esse nur die eigengesuchten Schwammerl.

00:54:19: Land oder Stadt?

00:54:22: Oh Gott.

00:54:23: Ich komm vom Land und möchte nie wieder dort leben, aber ich möchte es auch nicht missen.

00:54:26: Alt oder neu?

00:54:28: Alt.

00:54:28: Schwarz oder weiß?

00:54:30: Weiß.

00:54:30: Frühmorgens oder spät abends?

00:54:33: Kommt darauf an, was ich tun will.

00:54:34: Aber ich würde sagen frühmorgens.

00:54:35: Aufzug oder Treppe?

00:54:37: Treppe.

00:54:38: New York oder Washington?

00:54:39: New York.

00:54:40: USA oder Deutschland?

00:54:41: USA.

00:54:42: München oder Regensburg?

00:54:44: Regensburg.

00:54:44: Barock oder Beton?

00:54:46: Barock.

00:54:47: Sie haben es geschafft, vielen Dank.

00:54:49: Sehr schön schnell geantwortet, super.

00:54:53: Wir waren gerade ganz tief in den Problemen der Spaltung und Sie haben gesagt, dass diese Polarisierung immer größer geworden ist.

00:55:02: Lassen Sie uns von diesen Dystopien vielleicht hoffentlich wegkommen.

00:55:06: Haben Sie denn einen Lösungsansatz?

00:55:08: Haben Sie eine Idee, wie sich das auch zum Positiven irgendwann wieder entwickeln könnte oder gibt es keine Lösung?

00:55:14: Doch, es gibt Lösungen.

00:55:15: Die Zukunft ist offen und das ist das Schöne.

00:55:19: Wir können sie selbst gestalten.

00:55:21: Also nichts ist Gott gegeben oder Teufel gegeben, sagen wir es mal so.

00:55:26: Das heißt, mit manchen Phänomenen müssen wir zurechtkommen.

00:55:30: Nehmen Sie nur die sozialen Medien, die ganz dramatisch hinter dieser Polarisierung stehen, weil sie im Grunde nur Emotio gesteuert und Klick gesteuert sind.

00:55:41: Und viele dieser Entwicklungen, die ich jetzt so abstrakt geschildert hab, vielleicht nicht zu abstrakt, hoffe ich für die Zuhörer, aber doch dramatisch verstärken.

00:55:51: Ohne die wäre ein Trump nicht wirklich vorstellbar.

00:55:54: 2017 nach dem Wahlsieg hat Trump gesagt, er habe gewonnen wegen Twitter, weil er ja der Twitter-Master war.

00:56:01: Jetzt müsste man sagen X. Das müssen wir einfach als Realität annehmen.

00:56:09: So ist es.

00:56:10: Aber wir müssen umzugehen lernen und wir müssen es auch zu regulieren lernen.

00:56:14: Ich bin zum Beispiel für ein Verbot von sozialen Medien für unter 18-Jährige.

00:56:19: Ich bin für eine sehr starke Reglementierung der sozialen Medien.

00:56:24: Das wäre eine Lösung, von der ich nicht glaube, dass ich Mehrheiten gewinnen werde damit.

00:56:30: Wir können mal schauen, Australien hat es ja jetzt gerade eingeführt.

00:56:33: Australien hat es für unter 16-Jährige eingeführt.

00:56:35: Ja, das ist zumindest ein Lösungsansatz.

00:56:39: Ich weiß nicht, ob er eine große Lösung bietet, aber die Verblödung durch die sozialen Medien ist grenzenlos.

00:56:45: Und die Vereinfachung der Welt durch soziale Medien ist grenzenlos.

00:56:48: Und dem müssen wir entgegenwirken.

00:56:51: Die zweite Geschichte ist, dass die Bevölkerung der USA, und über die sprechen wir ja, eigentlich nach Umfragen gar nicht so gespalten ist, wie die Politiker uns glauben machen möchten.

00:57:04: Das heißt, in manchen Fragen sehen wir sogar Annäherungen, gerade auch in diesen Kulturkampffragen, die ich ausgeführt hab, etwa im Moment auch bei der Abtreibungsfrage, wo selbst Trump versucht immer mehr in die Mitte zu kommen, weil er merkt seit dem Supreme Court Urteil von 2022, dass das auch in seiner eigenen Partei nicht sehr gut ankommt, vor allem auch bei republikanischen Frauen.

00:57:26: Das heißt, hier geht man ein bisschen mehr in die Mitte.

00:57:28: Die Demokraten merken, dass man vielleicht vor allem in der Frage der illegalen Immigration weiter Richtung Trump marschieren muss, um die Nöte und Sorgen der Bevölkerung aufzunehmen.

00:57:39: Das heißt, das ist wirklich politisch veränderbar.

00:57:43: Man muss einige heilige Kühe dafür schlachten, in beiden Parteien.

00:57:48: Aber kluge Politik wäre das zu tun.

00:57:50: Und die Wähler, glaube ich, sind im letzten das einzige Korrektiv, das wir haben in der Demokratie.

00:57:56: Es liegt an uns.

00:57:58: Die Politiker würden uns gerne in irgendwelche Dinge reintreiben, die ihnen Wählerstimmen bringen.

00:58:03: Aber wir sollten zu clever sein, um da nicht darauf reinzufallen, sondern in Amerika sehen wir in der Tat einige Tendenzen, dass sich einige dieser Kulturkampfthemen auch erledigen.

00:58:16: Die andere Geschichte ist, dass wir in - das führt uns schön zurück an den Anfang unserer Diskussion - in einer Welt leben, wo auch Populisten sehr schnell wieder abwirtschaften.

00:58:28: Das heißt, ich möchte mich nicht zurücklehnen und sagen, nach vier Jahren sind wir den Trump los.

00:58:33: Nicht nur wegen der Amtszeitbegrenzung, sondern auch weil er sich dann verbraucht haben wird.

00:58:38: Das ist eine zu heiße Kiste, als dass man das wirklich moralisch und als Wissenschaftler schon gar nicht machen könnte.

00:58:45: Wir können uns nie leisten, uns zurückzulehnen.

00:58:47: Aber wir können darauf vertrauen, dass es einfach auch wieder Normalisierungstendenzen in Demokratien gibt.

00:58:56: Wenn es die nicht geben sollte, dann schmieren wir alle ab in die Diktatur.

00:59:01: Aber wir können uns offenbar mit diesen Brandmauern auch nicht ewig schützen, weil hinter der Brandmauer die Flut immer höher steigt.

00:59:09: Also müssen wir wahrscheinlich sie auch früher versuchen, irgendwie in die politische Verantwortung zu nehmen.

00:59:15: Auch wenn es als Schocktherapie für deren eigene Wählerschaft nur dient, dass nicht alles das, was sie versprechen, wirklich eingelöst werden kann und dass es als Bestätigung funktioniert, dass Demokratien, die so alt sind wie die amerikanische oder auch so alt sind mittlerweile wie die deutsche, wir haben ja auch 75 Jahre auf dem Buckel, nicht vor jedem dahergelaufenen AfD-Gröler im Parlament irgendwie einknicken wird.

00:59:42: Also da vertraue ich im Letzten in die Freiheitsliebe der Menschen und dass sich Gesellschaften auch von innen heraus reformieren können.

00:59:52: Das ist die große Hoffnung und dafür bin ich bei Ihnen.

00:59:56: Dafür kämpfe ich und das ist überhaupt nicht nur für den Politikwissenschaftler, sondern auch für den Bürger Bierling das wichtigste Unterfangen überhaupt seines Daseins.

01:00:07: Also ein positiver Blick in die Zukunft der Optimismus, dass sich auch einiges wieder drehen und ändern kann.

01:00:14: Dafür verantwortlich ist vor allem die nächste Generation, Herr Bierling.

01:00:18: Und wenn man sich so im Internet informiert, dann sieht man sehr deutlich, dass Ihnen nicht nur die Politik und Politikwissenschaft selbst am Herzen liegt, sondern auch das Vermitteln.

01:00:28: Und zwar entweder in den Medien, in Vorträgen, in Diskussionsrunden, aber eben auch an Ihre Studierenden.

01:00:36: Ihnen ist die Lehre auch unheimlich wichtig, oder?

01:00:39: Absolut.

01:00:39: Also ohne Lehre wäre ich in diesem komischen Metier Wissenschaft gar nicht geblieben.

01:00:45: Ich könnte mir nicht vorstellen an einem Forschungsinstitut zu sein, ne.

01:00:49: Das, was mich als Student schon immer begeistert hat, waren Leute, die sich für die Sache interessieren, für die ich mich auch interessiert habe.

01:00:56: Und das finde ich jetzt wieder mit meinen Studenten.

01:01:00: Das ist die größte, schönste Sache, das größte Geschenk, das man überhaupt bekommen kann.

01:01:06: Es ist nicht selbstverständlich, sich mit internationaler Politik, mit Sicherheitsfragen, mit Krieg zu beschäftigen.

01:01:13: Aber es ist der Teil, den ich eben gewählt habe vor 30, 40 Jahren.

01:01:18: Ich hätte mir nicht gedacht, dass es so dramatisch werden würde, weil in den 90er Jahren hatten wir so ein wunderbares Jahrzehnt, wo sich die Demokratie ausbreitete, wo wir insgesamt relativ friedlich miteinander umgingen, wo die großen Schurken dieser Welt, China und Russland noch nicht so schurkisch waren und vor allem sie waren schwach.

01:01:35: Das war auch sehr schön und wo wir als Westen so stark waren.

01:01:37: Das hat sich alles geändert.

01:01:39: Aber natürlich dieses Gefühl, dass jetzt wirklich sehr viel auf dem Spiel steht.

01:01:44: Das macht meine Studenten, gerade die Generation, die ich jetzt zu unterrichten das Privileg habe, zu einer ganz besonderen Generation.

01:01:53: Also ich hatte noch nie so viel klarsichtige, kluge, engagierte, motivierte Studenten innerhalb der Seminare, bei unseren Exkursionen, aber auch die sich selbst organisieren.

01:02:06: Wir haben so eine Hochschulgruppe Sicherheitspolitik, die sich gegründet hat vor einem guten Jahr, wo es 70 Mitglieder mittlerweile gibt.

01:02:12: Und die ein Programm auf die Beine stellen, da kann ich mir als Dozent die Finger danach abschlecken.

01:02:18: Also das ist fantastisch.

01:02:19: Das heißt, die Ernsthaftigkeit der Situation ist jetzt da.

01:02:23: Und das ist schon ein bisschen was anderes als in den 90er und den Nullerjahren, wo wir ja so ein bisschen Generation Love Parade waren und Guido Mobil, die älteren erinnern sich vielleicht noch, als die FDP so einen Spaßwahlkampf machte.

01:02:36: Spaß ist das jetzt alles nicht mehr.

01:02:38: Das ist ernst.

01:02:39: Warum?

01:02:40: Weil wir drohen die schönste Phase der Weltpolitik.

01:02:46: Und das meine ich über die ganze Geschichte.

01:02:49: Der letzten 600.000 Jahre des Menschseins würde ich fast sagen.

01:02:53: Und zwar von 1945 bis in die Jetztzeit zu verlieren.

01:02:58: Wir waren nie so frei, wir waren nie so wohlhabend, wir waren nie so sicher wie in diesen letzten 75 Jahren.

01:03:05: Und das steht auf dem Spiel und das merken die Studenten auch.

01:03:08: Deshalb ist Politikwissenschaft nicht nur das schwerste Fach an der Uni, sondern es ist auch das wichtigste Fach an der Uni und vor allem die internationale Politik.

01:03:17: Wir sind fast am Ende angelangt, Herr Prof. Bierling.

01:03:21: Eine Frage habe ich aber noch und die passt jetzt gerade sogar ziemlich gut.

01:03:24: Sie finden Politikwissenschaft ist das schwerste Fach.

01:03:27: Ich habe mir das tatsächlich auch überlegt, aber ich meine jetzt nicht aus wissenschaftlicher Sicht, da würde ich mir jetzt keine Abstufung erlauben, sondern für Sie als Forscher.

01:03:36: Denn bei vielen Themen, also wenn ich jetzt hier eine Quantenphysikerin vor mir habe, die wird wahrscheinlich nicht so oft in die Verlegenheit kommen, über ihr Fachgebiet am Abend bei einer Cocktailparty fachsimpeln zu müssen.

01:03:46: Oder wenn ich einen Musikwissenschaftler hab, der sich mit der Polyphonie des frühen Palestrina auseinandersetzt oder so, werden wahrscheinlich jetzt auch die wenigsten in der Diskussion einstimmen.

01:03:56: Bei Ihnen, es ist was, was alle Leute betrifft und wozu sehr viele Leute auch eine Meinung haben.

01:04:02: Ist es ein Fakt, der Sie eher nervt und ausbremst oder ist es was, was Sie anstachelt und bereichert?

01:04:08: Es stachelt mich schon an, weil es gibt eigentlich keine Trennung zwischen meinem Job und meinem Privatleben.

01:04:16: Also die Zeitungen, die ich lese zur Vorbereitung, die wissenschaftlichen Zeitschriften, die ich lese, die würde ich auch so lesen, weil mich das Thema einfach so interessiert und ich glaube, das geht allen meinen Kollegen in welchem Fachbereich sie immer unterrichten genauso.

01:04:31: Wir sind im besten Sinne Überzeugungstäter.

01:04:35: Wir sind ein bisschen verrückt alle an der Universität.

01:04:39: Warum?

01:04:39: Weil unsere Maßstäbe im wahrsten Sinne des Wortes verrückt sind von den normalen Maßstäben.

01:04:43: Wir streben, die Dinge irgendwie aufdecken zu wollen, die wir glauben, dass sie verborgen sind mit mehr und weniger Erfolg.

01:04:51: Und insofern bei jeder Diskussion natürlich werde ich angesprochen auf Amerika.

01:04:57: Und das ausgerechnet Trump sein muss, ist jetzt mal dahingestellt, aber dass es Themen gibt, die die Leute begeistern,

01:05:04: das ist etwas Wunderbares und das motiviert mich auch einfach nach draußen zu gehen.

01:05:08: Ich bin hier oft an der Berufsoberschule, hier gegenüber vom Campus und bei Gymnasien und bei so kleinen historischen Vereinen.

01:05:17: Also ich mache nicht nur sozusagen Politikberatung und Vorträge für Fachkollegen und sowas, sondern das ist eine allumfassende Geschichte und die Gier der Leute diese Themen aufbereitet zu bekommen und mit meinen Ideen versehen zu bekommen.

01:05:35: Das will ich befriedigen, solange ich es kann.

01:05:38: Vielleicht ist man irgendwann nicht mehr gefragt, aber im Moment ist es Tag ein, Tag aus mein Business.

01:05:45: Dann wünsche ich Ihnen, dass es noch lange Ihr Business bleibt und dass Sie auch noch lange so viel Spaß dran haben, wie Sie ganz eindeutig haben.

01:05:51: Herr Prof. Bierling, ganz herzlichen Dank, dass Sie heute hier bei mir im Studio waren und ich Ihnen Löcher in den Bauch fragen durfte.

01:05:57: Hat mir wirklich Spaß gemacht.

01:05:58: Vielen Dank für die Einladung und an alle Hörer, wenn Sie auf unsere Website gehen, sehen Sie immer, was wir haben an Gastreferenten kommen Sie einfach mal vorbei, meine Vorlesungen sind für alle offen, da sind Sie immer sehr gern gesehen.

01:06:10: Herzlichen Dank für das Gespräch und die Einladung.

01:06:13: Das verlinken wir natürlich sehr gern auch hier unten in den Show Notes.

01:06:16: Wir setzen den Link zu Ihrem Fachbereich.

01:06:19: Ich freue mich auch, dass ihr wieder dabei wart, liebe Hörerinnen und Hörer.

01:06:23: Wenn ihr Fragen habt oder Anregungen, wir freuen uns immer über euer Feedback entweder hier in den Kommentaren bei eurer Lieblings-Streaming-Plattform oder per Mail an kontakt@ur.de.

01:06:35: Wenn ihr uns nicht mehr verpassen möchtet, dann abonniert den Gasthörer doch einfach und empfehlt uns auch jederzeit gerne weiter.

01:06:42: Mund zu Mund Propaganda ist das Beste, was uns passieren kann.

01:06:46: Ich bin Katharina Herkommer und ich freue mich schon auf euch und auf meinen nächsten Gast im Februar.

01:06:50: Bis dann und tschüss liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.

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