00:00:03: Jeder kennt die viel zitierte rosarote Brille am Anfang von Beziehungen.
00:00:08: Alles fühlt sich frisch und aufregend an.
00:00:11: Man verspürt eine ganz besondere Nähe zum Partner oder zur Partnerin.
00:00:14: Und alles ist irgendwie ein bisschen harmonischer, besser, eben rosaroter.
00:00:19: Das alles ist nicht nur Einbildung.
00:00:21: Aber was passiert genau im Körper, dass solche intensiven Gefühle entstehen?
00:00:26: Eins der Zauberwörter lautet Oxytocin.
00:00:29: Auch bekannt als das Kuschelhormon.
00:00:31: Es spielt eine ganz zentrale Rolle in der Paarbindung im Vertrauen und in der sozialen Nähe.
00:00:37: Und es ist der Grund, warum du dich nach einer Umarmung oder nach einem Kuss so geborgen fühlst.
00:00:42: Warum Nähe und Berührung so wohltuend wirken.
00:00:45: Aber die Wirkung von Oxytocin ist nicht nur auf romantische Beziehungen beschränkt.
00:00:50: Es beeinflusst auch unsere Bindung zu Freunden, zu Familie oder sogar zu Tieren.
00:00:55: Heute schauen wir uns genauer an, was solche Botenstoffe, es gibt da nämlich nicht nur das Oxytocin, mit uns machen und warum sie so wichtig für unser Wohlbefinden sind.
00:01:04: Und das weit über die rosarote Anfangsphase einer Beziehung hinaus.
00:01:08: Die absolute Expertin dafür ist die Neurobiologin-Professorin Dr. Inga Neumann.
00:01:13: Hallo Frau Neumann, ich freue mich sehr, dass Sie hier bei mir im Studio sind.
00:01:16: Ja hallo, vielen Dank für die nette Einladung.
00:01:21: Gasthörer.
00:01:28: Ich bin Katharina Herkommer und ich sag natürlich auch hallo an euch, liebe Hörerinnen und Hörer, schön, dass ihr wieder dabei seid beim Gasthörer dem Wissenschaftspodcast der Uni Regensburg.
00:01:38: Frau Neumann, ein Stoff, der Joggen, Chor singen und Stillen verbindet.
00:01:43: Ich finde Ihr Forschungsthema super spannend und da geht es sicher nicht nur mir so.
00:01:49: Sind Sie happy, dass Sie ein Forschungsthema haben, das bestimmt ganz viele Leute neugierig macht oder ist es eher anstrengend?
00:01:57: Also ich bin super glücklich, dass ich ein Forschungsgebiet gefunden habe im Laufe meiner langen Jahre der Forschung nun schon, das mich immer noch erfüllt, dass man aber auch sehr gut an den Mann, an die Frau bringen kann, weil es generell großes Interesse weckt und man sehr gut Vorträge vor Laien halten kann oder vor Zuhörern sprechen kann.
00:02:16: Und man sollte es auch so darstellen, dass man es auch gut verstehen kann, weil das alle interessiert und weil es alle betrifft.
00:02:22: Wir tauchen gleich mit den verschiedensten Beispielen in Ihr Thema ein, vorher darf ich Sie aber wie immer noch ganz kurz vorstellen.
00:02:29: Sie haben in Jena Abitur gemacht und noch vor der Wende in Leipzig Biologie studiert.
00:02:34: Dort an der Uni haben Sie dann auch als Forschungsassistentin gearbeitet und gleichzeitig promoviert.
00:02:39: Direkt nach der Wende sind Sie mit einem Stipendium als PhD für mehrere Jahre an die University of Calgary in Kanada gegangen und zurück in Deutschland ging es für Sie dann in München weiter und zwar am Max-Planck-Institut für Psychiatrie.
00:02:52: Während dieser Zeit haben Sie sich auch an der LMU auf dem Gebiet der Zoologie habilitiert.
00:02:57: Seit 2001 sind Sie Professorin und Lehrstuhlinhaberin für Tierphysiologie und Neurobiologie hier bei uns an der Uni Regensburg.
00:03:05: Damit waren Sie an der Fakultät für Biologie und Vorklinische Medizin, zu der Ihr Lehrstuhl ja gehört, die erste Lehrstuhlinhaberin, also die erste Frau auf so einer Position und im Jahr 2006 haben Sie zusammen mit Kolleginnen und Kollegen den ersten internationalen Elite-Masterstudiengang hier bei uns an der Uni Regensburg ins Leben gerufen.
00:03:25: Sie sind außerdem Sprecherin des Graduiertenkollegs Neurobiologie emotionaler Dysfunktionen und im Jahr 2019 sind Sie in Kopenhagen mit dem European Neuropsychopharmacology Award ausgezeichnet worden.
00:03:38: Ich hoffe, ich hab das richtig ausgesprochen.
00:03:40: Eine hoch angesehene Auszeichnung auf Ihrem Gebiet.
00:03:43: Passt das alles so?
00:03:44: Hab ich irgendwas ganz falsch gesagt?
00:03:45: Alles gut.
00:03:47: Als ich mich mit Ihrem Lebenslauf beschäftigt hab, bin ich erstmal an Ihrer Ausbildung hängen geblieben.
00:03:52: Sie haben in den 80er Jahren in der DDR Bio studiert und alle Ihre Studis heute sind ja lange, lange nach der Wende geboren und haben da gar keinen Bezug mehr dazu.
00:04:02: Die meisten können sich wahrscheinlich wirklich nicht vorstellen, was es alles mit sich gebracht hat, in einem diktatorischen Regime aufzuwachsen.
00:04:08: Deswegen die erste Frage, wollten Sie eigentlich überhaupt Biologie studieren?
00:04:13: Nicht ganz, ich wollte eigentlich Tierärztin werden.
00:04:15: Ich wollte in Leipzig Veterinärmedizin studieren.
00:04:18: Das wurde mir aber dann von staatlicher Seite ausgeredet, weil man da jetzt nicht den Bedarf hatte.
00:04:25: Die Studienplätze wurden nach Bedarf verteilt und es gab dann sogenannte Umlenkgespräche mit dem Rektor der Oberschule, mit der Parteileitung, mit der FDJ-Leitung, also der Jugendorganisation damals.
00:04:39: Und da sollte ich Maschinenbau studieren oder ich sollte Lehrer werden, Bio und Sport und das hat sich natürlich mit meiner politischen Einstellung damals nicht vereinbaren lassen, Lehrer zu werden.
00:04:51: Und ich habe dann so argumentiert, dass ich meinem Staat am besten diene, indem ich das mache, was ich am besten kann, wofür ich brenne und habe mich dann für die Biologie entschieden.
00:05:00: Also wenigstens einigermaßen nah an Ihrem Wunsch, wenn man sagt, Tiermedizin und Biologie, also Sie mussten jetzt nicht was ganz anderes machen.
00:05:07: Trotzdem ist es für die meisten jungen Leute wahrscheinlich wirklich kaum vorstellbar, dass ein Staat mitredet in deiner Studien- und Berufswahl.
00:05:15: Das muss man sich nochmal vergegenwärtigen.
00:05:17: Erinnern Sie sich auch an die Arbeitsbedingungen damals im Labor oder während Ihres Studiums?
00:05:22: Also das Studium war sehr strukturiert.
00:05:24: Wir waren in Seminargruppen organisiert und das habe ich eigentlich durchweg positiv in Erinnerung.
00:05:28: Ich habe dann das Glück gehabt, dass ich eine Assistentenstelle an der damaligen Karl-Marx-Universität Leipzig bekommen habe und dort meine Promotion in der Neurobiologie machen konnte.
00:05:37: Das war auch mein Wunschgebiet und Wunschfach.
00:05:40: Und das war ein Labor mit dem Laborleiter und ich war die einzige wissenschaftliche Mitarbeiterin, also Doktorandin und noch einer TA, also Minimalteam.
00:05:50: Und die Bedingungen waren, naja, haben die Kreativität gefördert, würde ich mal sagen.
00:05:55: Wir konnten ja keine Produkte aus dem westlichen Ausland kaufen wegen Devisenmangel, also Westgeldmangel vielleicht als Übersetzung.
00:06:03: Das heißt, wir mussten kreativ überlegen, wie wir das selber alles basteln und machen, uns eigene Perfusionspumpen in der Werkstatt bauen lassen, selbst designen, bestimmte Apparaturen selber basteln.
00:06:15: Und manches Produkt, was wir damals ersonnen haben, das nutzen wir genauso noch heute, weil es extrem kostsparend und genauso effektiv ist.
00:06:24: Also aus der Not eine Tugend gemacht manchmal.
00:06:26: Ja, kann man so sagen.
00:06:27: Aber es ist ja auch krass, also heute kannst du alles im Wareneinkauf bestellen und das ging bei Ihnen damals eben nicht für alle Sachen so.
00:06:34: Nein, man hatte dann auch die Gelegenheit, also ich war dann auf einem ersten Kongress in Budapest, da durfte man hin, sozialistisches Ausland.
00:06:41: Und da traf ich einen Kollegen, einen gestandenen Kollegen aus Schottland, der unbedingt mit uns kooperieren wollte und der kam dann auch regelmäßig.
00:06:49: Den mussten wir zwar als ja der kommunistischen Partei nahestehend deklarieren, damit er überhaupt die Einreise genehmigt bekam, aber der hat uns dann auch immer mal, wir nannten das dann Hosentaschen Importe mitgebracht und uns mit bestimmten kleinen Materialien ausgestattet.
00:07:05: Dafür haben wir ihn aber auch durchaus sehr gut umhegt und gepflegt mit Karten fürs Gewandhaus, für die Semper-Oper, Besuch auf Moritzburg oder in der Dübner Heide oder sonst wo.
00:07:15: Also die haben wir dann schon sehr gehätschelt und getätschelt, wenn wir westliche Besucher hatten.
00:07:19: Und das hat auch sehr viel Spaß gemacht.
00:07:21: Also Kanülen gegen Konzertkarten.
00:07:22: Ja, so ungefähr.
00:07:25: Und wie war es dann für Sie direkt nach der Wende?
00:07:27: Sie sind ja direkt im Anschluss nach Kanada gegangen.
00:07:29: Das war wahrscheinlich kein Zufall, oder?
00:07:31: Nein, also ich bin ganz bewusst auch nach Kanada gegangen.
00:07:33: Ich habe gedacht, wenn ich jetzt nun schon offene Mauern habe, dann gehe ich auch in ein Land, was ganz besonders schön ist.
00:07:40: Ich hatte auch Angebote in die USA zu gehen als Postdoc, also nach der Promotion.
00:07:45: Mir war klar, ich nehme meinen sechsjährigen Sohn mit und ich hatte damals ein Angebot nach San Diego und das berühmte Scripps Institut und ich hatte keine Ahnung, ich dachte, was so nah an Mexiko, viel zu gefährlich, Drogenhandel, nein um Gottes Willen und habe mich dann für Kanada und Calgary entschieden und das war natürlich grandios, auch der Landschaft wegen und ich empfehle auch heute meinen Doktoranden und Nachwuchswissenschaftlern, sucht euch nicht nur wissenschaftlich einen guten Ort, sucht euch auch einen schönen Ort, wo man was Schönes auch machen kann.
00:08:13: Das prägt ein das ganze Leben und daran erinnert man sich sein ganzes Leben.
00:08:17: Und die Bedingungen dort waren wahrscheinlich dann plötzlich ganz andere als sie vorher hatten.
00:08:20: Selbstverständlich.
00:08:22: Spannend.
00:08:23: Jetzt gehen wir aber wirklich in Medias res und kommen zu ihrer Forschung.
00:08:27: Wir haben gerade schon gesagt, sie haben in Leipzig promoviert und sie haben sich damals schon in der Promotion mit dem gleichen Thema beschäftigt, das sie eigentlich ihr ganzes Berufsleben durchbegleitet, eben mit Oxytocin und Vasopressin.
00:08:40: Was sind denn das für Stoffe und worum geht es da?
00:08:44: Ja, ich werde es ganz einfach versuchen zu erklären.
00:08:46: Vasopressin und Oxytocin sind kleine Eiweiß-Moleküle, die bestehen aus neuen Aminosäuren, also wie auch unser Muskel-Eiweiß ist auch Eiweiß, aber das sind kleine Botenstoffe, die als Hormone aus der Hirnanhangsdrüse ins Blut freigesetzt werden, während bestimmter physiologischer Situationen.
00:09:04: Und als wir damals angefangen haben, die Funktion dieser kleinen Neuropeptide im Gehirn zu untersuchen, war schon einiges bekannt.
00:09:11: Man wusste also, dass Oxytocin beispielsweise ins Blut freigesetzt wird, als Hormon während der Geburt.
00:09:17: Oxytocin ist griechisch und heißt schnelle Geburt, denn während der Geburt fördert Oxytocin die Wehentätigkeit und beschleunigt damit auch den Geburtsvorgang.
00:09:27: Das ist natürlich ganz wichtig für die Mutter, fürs Kind.
00:09:29: Und das ist bei allen Säugetieren so.
00:09:32: Und eine weitere ganz wichtige Funktion ist während des Stillens oder während des Saugens, wenn die Jungen an den Zitzen saugen, wenn das Baby an der Brust nippelt, sage ich mal, dann wird Oxytocin freigesetzt und das ermöglicht überhaupt erst den Milchfluss.
00:09:47: Das heißt, es sind zwei wichtige Funktionen in der Peripherie während der weiblichen Reproduktion.
00:09:51: Zu der Zeit wusste man aber auch schon, dass diese Nervenzellen, die das Oxytocin produzieren im Gehirn, nicht nur zur Hirnanhangsdrüse Verbindungen haben und das ins Blut freisetzen, sondern auch im Gehirn Verbindungen haben.
00:10:06: Aber zu der Zeit wusste man überhaupt nichts darüber, ob das auch im Gehirn als Botenstoff agiert, ob es überhaupt eine Rolle spielt und wenn ja, welche Funktion das im Gehirn hat.
00:10:18: Und das hat mich dann im Prinzip mein ganzes Leben beschäftigt und beschäftigt mich auch heute noch, denn die Funktionen von Oxytocin sind extrem facettenreich, sehr vielfältig und da geht es dann natürlich nicht nur um die Funktionen, es geht dann auch um die molekularen Mechanismen, die Genetik und die Epigenetik und viele andere Aspekte.
00:10:38: Also das heißt, man wusste, dass das, wenn das im Blut ausgeschüttet wird, also körperliche Effekte hat, wie jetzt das Stillen, habe ich das richtig verstanden, und die Wehen.
00:10:47: Und Sie haben dann angefangen zu untersuchen, wenn das dann ins Gehirn kommt, was passiert denn dann?
00:10:52: Genau.
00:10:52: Okay.
00:10:53: Ja, wir haben also untersucht zu der Zeit, wann wird das im Gehirn freigesetzt und da haben wir dann bestimmte sehr detaillierte Methoden angewendet, Mikro-Dialyse zum Beispiel.
00:11:03: Und dann konnten wir zeigen, dass das Oxytocin sowohl während der Geburt, als auch während des Saugens, also diese Versuche werden am Tier durchgeführt, dass das also sowohl ins Blut als auch ins Gehirn freigesetzt wird, aber mit unterschiedlichen Funktionen.
00:11:18: Im Blut ermöglicht es die Geburt, ermöglicht es ja die Ernährung der Nachkommen und im Gehirn fördert es, dass die Mutter auch die Motivation hat, sich um die Jungen zu kümmern, sich um das Kind zu kümmern, die Mutter-Kind-Bindung aufbaut, auch diese Kinder erkennt, die Nachkommen erkennt, da geht es um soziales Gedächtnis und das sind also die Verhaltensfunktionen.
00:11:39: Das ist eine schöne Synergie zwischen der Rolle, die Oxytocin in der Peripherie, also im Körper spielt und der Rolle, die es als Botenstoff im Gehirn spielt.
00:11:49: Und daran haben Sie dann also geforscht, welche Gefühle das auslöst und was das bewirkt?
00:11:55: Ja, wir konnten zum Beispiel zeigen, dass Oxytocin also sehr wichtig ist für diese Mutter-Kind-Bindung oder besser gesagt beim Tier für das mütterliche Verhalten.
00:12:04: Und mütterliches Verhalten, das ist ein Komplex an einzelnen Verhaltensweisen.
00:12:09: Dazu zählt nicht nur, dass die Mutter die Jungtiere leckt, dass sie sie ins Nest sammelt, sondern dazu gehört zum Beispiel auch, dass sie sie verteidigt.
00:12:17: Denn das alles ist wichtig, damit die Jungtiere auch überleben und groß werden.
00:12:22: Das heißt, die Mutter muss auch zu einem bestimmten Grad aggressiv sein, in defensiver Art vielleicht.
00:12:28: Sie muss die Jungtiere verteidigen und das ist bei allen Muttertieren der Welt eigentlich so, bei allen Arten, wo die Mutter sich intensiv um die Jungtiere kümmert und bei Säugern natürlich ganz besonders, dass sie diese auch verteidigt.
00:12:40: Also wenn ich mir da die eine oder andere Mutter vorstelle, sobald es um die Kinder geht, da ist ja davon auch noch was zu sehen.
00:12:46: Und das kommt vom Oxytocin tatsächlich?
00:12:48: Also ich denke Lehrer können davon sicher ein Lied singen, wenn dann die Mütter - auch die Väter - ankommen und für ihre Kinder argumentieren.
00:12:56: Und Oxytocin, aber auch Vasopressin spielt in dem Zusammenhang eine Rolle.
00:13:00: Nicht nur, man kann das niemals nur auf einen Faktor zurückführen, aber sie spielen eine ganz maßgebliche Rolle.
00:13:07: Das heißt der Mutterinstinkt wird geweckt oder verstärkt.
00:13:11: Ich hab's in der Einleitung schon erwähnt, Sie haben es gerade auch nochmal gesagt.
00:13:14: Oxytocin ist aber auch irgendwie für die Paarbindung zuständig.
00:13:18: Wie funktioniert es da?
00:13:20: Ja, also das wäre die andere physiologische Situation, wo Oxytocin auch aktiviert wird.
00:13:24: Die Mutter hatten wir jetzt, Geburt und Stillen, das haben wir.
00:13:27: Und jetzt kommt eine Situation, wo das hoch aktiv ist und das ist während der Paarung.
00:13:32: Also Oxytocin wird sowohl ins Blut freigesetzt als auch im Gehirn freigesetzt während der Paarung.
00:13:39: Beim Menschen weiß man, dass sowohl bei Mann als auch bei der Frau die Oxytocinkonzentration im Blut während des Orgasmus stark ansteigen.
00:13:48: Und da erfüllt Oxytocin bestimmte physiologische Funktionen im Zusammenhang mit den Geschlechtsorganen.
00:13:55: Aber im Gehirn ist es wichtig, dass es hier die soziale Nähe auch fördert, hat noch viele andere Funktionen natürlich auch.
00:14:01: Belohnungssystem wird aktiviert, dass wir bestimmte Situationen als sehr belohnend empfinden und dadurch auch immer wieder das Gefühl haben, wir müssen die wiederholen.
00:14:11: Und hier spielt Oxytocin eine Rolle bei der Paarbindung, zumindest bei monogamen Arten.
00:14:17: Wieso bei monogamen Arten?
00:14:19: Na ja, nur ungefähr 5 Prozent der Säugetiere sind monogam.
00:14:24: Der Mensch ist maximal sozial monogam, das heißt, wir erziehen die Kinder zusammen als Paar, können aber zusätzliche, ja, Sexualkontakte haben.
00:14:33: Das heißt also in der Evolution war die Monogamie, die strikte sexuelle Monogamie nicht unbedingt Teil des Masterplans.
00:14:43: Sexuelle Monogamie ist nicht wirklich verdrahtet in unseren Gehirnen.
00:14:48: Aber trotzdem dient es ja alles dem Fortbestand unserer Art.
00:14:51: Also das heißt, wenn Menschen sich nach dem Sex irgendwie näher fühlen oder sich verbunden fühlen, ist der Masterplan sozusagen, dass man sich geborgen fühlt, dass man sich wohlfühlt, dass man das gerne bald wieder haben will und im Idealfall diese Beziehung so aufrecht erhält, dann sich öfter paart und dann mehr Nachkommen erzeugt?
00:15:10: Also dieser Belohnungsfaktor, der spielt sich in unserem sogenannten Belohnungssystem des Gehirns ab.
00:15:15: Und da werden Verhaltensweisen belohnt, die natürlich auch reproduktiv wichtig sind.
00:15:20: Und das ist natürlich Sex, das ist eine Wohlfühlsituation und die will man gerne wieder erleben.
00:15:26: Und dadurch passiert das eben auch häufiger.
00:15:29: Das ist der eine Aspekt, das andere ist die Paarbindung.
00:15:33: Jungtiere haben eine größere Chance bei monogamen Arten, wenn der Vater sich da mitbeteiligt, natürlich an der Nahrungsbeschaffung, aber auch am Schutz, an der Verteidigung der Jungtiere.
00:15:42: Und beides dient letztendlich dem Fortbestand der eigenen Gene.
00:15:47: Jetzt ist Oxytocin nicht nur für das Verhältnis zwischen Paaren zur Fortpflanzung wichtig, sondern eben auch in allen menschlichen Gefügen.
00:15:58: Also es spielt auch in Freundschaften oder anderen zwischenmenschlichen Beziehungen eine Rolle, oder?
00:16:03: Das können wir so genau nicht sagen, weil man da zu wenige Untersuchungen und zu wenig detaillierte Untersuchungen bei Menschen durchführen kann.
00:16:10: Was wir von Tierversuchen wissen, ist, dass das Oxytocinsystem aktiviert wird, wenn sich einfach Tiere beschnüffeln.
00:16:16: Also wenn sich jetzt zwei Labormäuse beschnüffeln, dann wird das Oxytocinsystem schon erhöht.
00:16:22: Ist auch dafür wichtig, dass die Tiere sich wiedererkennen, was in großen sozialen Gruppen wichtig ist.
00:16:27: Dafür ist das wichtig.
00:16:30: Das geht auch über die Artengrenzen hinaus.
00:16:34: Beim Hund zum Beispiel, es gibt japanische Untersuchungen, die haben gezeigt, dass die Oxytocinwerte im Blut oder im Speichel, sowohl beim Hund als auch beim Herrchen hochgehen, wenn die beiden sich sehr tief in die Augen schauen.
00:16:46: Und nun gab es noch weitergehende Untersuchungen dahingehend, dass die Forscher das sogenannte Nasenspray eingesetzt haben.
00:16:54: Sie haben Oxytocin über die Hundeschnauze verabreicht.
00:16:58: Und das hat dann diesen Augenkontakt noch weiter intensiviert.
00:17:02: Und aus diesen Ergebnissen kann man schlussfolgern, dass jetzt nicht nur zwischenmenschlicher Kontakt durch Oxytocin gefördert wird, sondern auch Kontakt eben mit dem Lieblingshund.
00:17:12: Ob das jetzt für ihr Meerschweinchen auch gilt oder für ihren Lieblingsgoldfisch, das weiß man nicht.
00:17:17: Das müssen wir erst noch rausfinden, denke ich.
00:17:19: Aber das ist ja super spannend.
00:17:20: Also das heißt eine Wechselwirkung.
00:17:23: Wenn Hund und Herrchen oder Hund und Frauchen zusammen spielen, wird in beiden nach dem Spielen höhere Oxytocinlevel gemessen.
00:17:30: Aber andersrum, wenn man dem Hund vorher zusätzlich künstlich Oxytocin gibt, dann zeigt er auch stärkere Bindungsbereitschaft sozusagen und schaut dem Herrchen mehr in die Augen.
00:17:44: Ja, so kann man das genau sagen.
00:17:46: Auch dieses, dass das körpereigene Oxytocin aktiviert wird, ist natürlich eine schöne Folge, des sich in die Augen schauens.
00:17:53: Aber auf der anderen Seite verstärkt es natürlich auch die Mensch-Hund-Bindung.
00:17:57: Und das wird bei Menschen ganz ähnlich sein.
00:18:00: Da gibt es keine ganz genauen Untersuchungen dazu.
00:18:02: Aber alles, was wir wissen, ist, dass gerade durch diese Nasenspray-Gabe, die möglich ist, dass da Sozialverhalten wirklich gefördert wird.
00:18:11: Und dieses Nasenspray, das ist einfach künstlich erzeugtes Oxytocin?
00:18:15: Ja genau, das Nasenspray beinhaltet ein synthetisches Oxytocin.
00:18:19: Das wird schon seit 50 Jahren oder länger in der Geburtshilfe eingesetzt, um die Wehen weiter zu stimulieren oder um den Milchfluss zu erleichtern.
00:18:29: Also dafür ist das designt worden, also synthetisiert worden.
00:18:32: Und daher war auch die Genehmigung durch Ethikkommissionen einfacher, weil das eben auch schon in der Klinik angewendet wird.
00:18:39: Aber jetzt natürlich im ganz anderen Zusammenhang, im Zusammenhang mit Sozialverhalten, Stress, Vertrauen, Kooperation.
00:18:46: Also es gibt Tausende von Studien inzwischen, die von Psychologen, Psychiatern durchgeführt werden, die das Nasenspray nutzen.
00:18:54: Das klingt ja so ein bisschen so, als ob dieses Nasenspray ein Allheilmittel sein könnte.
00:18:59: Ich hab gelesen, dass Oxytocin auch im Zusammenhang mit Autismus irgendwie eine Rolle spielen kann.
00:19:05: Haben Autisten Oxytocin-Mangel?
00:19:07: Weil man sagt ja immer, die können schlecht Leuten in die Augen schauen oder so.
00:19:11: Ja, Autismus ist eine sehr, sehr komplexe Erkrankung, die ja häufiger bei Jungs als bei Mädchen auftritt.
00:19:17: Man sagt hier multifaktoriell, also es können ja genetische Ursachen eine Rolle spielen.
00:19:22: Es können Umweltsachen eine Rolle spielen.
00:19:24: Es kann die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft eine Rolle spielen.
00:19:27: Infektionen der Mutter während der Schwangerschaft.
00:19:29: Es gibt da diverse Hypothesen.
00:19:32: Autismus ist ja vor allen Dingen dadurch charakterisiert, dass die Autisten eben keine Sozialkontakte haben können.
00:19:40: Denen fällt es schon extrem schwer, sich in die Augen zu schauen.
00:19:43: Denen fällt es extrem schwer, die Mimik des Gegenübers zu erkennen, Empathie zu fühlen.
00:19:49: Die können sich alles Mögliche andere merken, aber das fällt ihnen extrem schwer.
00:19:53: Und da ist natürlich eine Herangehensweise, wenn man nun schon so ein tolles sogenanntes prosoziales Molekül hat, wie das Oxytocin, dass man das hier zum Einsatz bringt.
00:20:02: Das hat auch partiell Erfolg gezeigt, zum Beispiel bei autistischen Kindern, dass die doch häufiger einem Bildschirm, wo ein Gesicht drauf ist, dann dem Bildschirm Gesicht in die Augen schauen, was sie sonst meiden, die schauen überall hin, bloß ganz gewiss nicht in die Augen.
00:20:18: Und nachdem die Oxytocin bekommen haben, dann war dieses Symptom etwas abgemildert.
00:20:23: Sie haben dann häufiger in die Augen und dieses Gesicht jetzt geschaut.
00:20:27: Aber auch das muss man mit Vorsicht genießen, denn das sind einmalige Effekte.
00:20:31: Also man würde das jetzt akut geben, einmal Nasenspray applizieren und dann haben die Forscher das dann entsprechend so untersucht.
00:20:38: Wenn man jetzt einen Autisten heilen wollte oder behandeln wollte, müsste man das über viele Tage, viele Wochen, wenn nicht gar Monate tun.
00:20:46: Und da warnen wir davor, denn das körpereigene Oxytocin-System wird durch diese Gabe des synthetischen, des künstlichen Oxytocins ganz bestimmt verändert.
00:20:56: Und wir wissen auch aus der eigenen Forschung, dass das so ist, dass die Erkennungsstrukturen für das Oxytocin im Gehirn dann wirklich runtergefahren werden.
00:21:04: Das heißt, wenn diese Kinder dann Oxytocin absetzen, könnten die Symptome noch viel schlimmer werden.
00:21:10: Und dazu gibt es einfach viel zu wenige Studien.
00:21:13: Superspannend.
00:21:15: Stichwort soziale Interaktionen:
00:21:18: Ich hab mich gefragt, als ich mich vorbereitet hab - die Corona-Pandemie.
00:21:22: Da waren ja sehr viele Leute sehr viel allein, also jetzt gerade auch Singles.
00:21:26: Gibt es da irgendwelche Studien, wissen Sie das?
00:21:29: Haben Leute untersucht, ob da irgendwas passiert ist, zum Beispiel, dass ein Level dauerhaft da runtergegangen ist und ob das dann hinterher wieder auf eine höhere Stufe gekommen ist?
00:21:38: Nein, mir sind dazu keine Studien konkret zum Oxytocin bekannt.
00:21:42: Aber wir haben und sind auch mehrfach eingeladen worden und haben auch da Arbeiten darüber geschrieben, weil wir genau diese Hypothese verfolgt haben.
00:21:49: Denn soziale Isolation macht was mit unseren Gehirnen.
00:21:53: Soziale Isolation verändert das Oxytocin-System im Gehirn, weil eben einfach die Sozialkontakte fehlen, wird es nicht aktiviert.
00:22:01: Und das kann auch dazu führen, dass in dieser Phase verstärkt sogenannte Psychopathologien aufgetaucht sind in der Bevölkerung, also psychische Erkrankungen.
00:22:10: Die Zahl der Depressionen insbesondere bei jungen Leuten nahm sprunghaft zu.
00:22:15: Da hätten jetzt die Psychiater genauere Daten dazu.
00:22:18: Auch Angsterkrankungen nahmen zu, stressbedingte Erkrankungen.
00:22:22: Und dazu kam ja auch noch das Problem, nicht nur, dass die Leute weniger ihrer geliebten Sozialkontakte hatten, sondern auch, wenn man in der Familie zu Hause war, dass die familiäre Spannung oft anstieg.
00:22:35: Die Männer, ich sag's mal ein bisschen jetzt trivial, die Männer konnten nicht mehr in den Sportclub gehen und ihre Energie im Fußball rausbolzen oder mal in der Kneipe um die Ecke sich mit ihren Freunden treffen, sondern das Ganze staut es sich zu Hause im familiären Raum.
00:22:50: Und das ist ja kein Geheimnis, dass da auch die Missbrauchsfälle zu Hause in den Familien, Gewalt gegenüber Frauen und Kindern absolut zunahm.
00:22:58: Und wir wissen, dass genau diese Situation, dieser wir nennen das psychosoziale Stress, also sozialer Stress in den Familien, auch auf Arbeit natürlich in anderen Situationen, aber dass der dazu geführt hat, dass die Anzahl oder die Häufigkeit von solchen Erkrankungen eben zunahm in dieser Corona-Pandemie.
00:23:18: Sie forschen ja auch grundsätzlich an psychosozialem Stress und chronischem Stress vor allem.
00:23:23: Wie forscht man denn so was?
00:23:25: Wie testet man so was?
00:23:26: Ja, also unser Ziel war, dass wir ein Tiermodell aufbauen können, mit dem wir psychosozialen Stress, und zwar chronischen Stress, imitieren können.
00:23:37: Wir wissen, dass chronischer psychosozialer Stress ein hoher Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen ist.
00:23:44: Nicht nur psychische Erkrankungen, wie ich bereits erwähnt habe, sondern auch körperliche Erkrankungen.
00:23:48: Also zum Beispiel für chronische entzündliche Erkrankungen, für Colitis zum Beispiel, also für chronische Darmentzündungen, die schmerzhaft sind, unter denen auch schon Kinder bei großem Stress leiden können.
00:24:00: Oder Arthritis oder Burnout natürlich ohnehin.
00:24:04: Das heißt, chronischer Stress ist klinisch relevant.
00:24:07: Und wir haben dann ein ganz schönes Tiermodell aufgebaut, im Laborjargon genannt: "Four Mice and the Macho". Also vier Mäuse und eine Macho-Maus.
00:24:16: Und das sieht so aus, dass man eine nur eine Woche ältere Maus, ein Männchen, zusammensetzt mit vier Versuchsmännchen.
00:24:24: Und diese ältere Maus ist auch fünf Gramm schwerer, also geringe Gewichtsunterschiede nur vorhanden.
00:24:31: Trotzdem wird diese Maus immer die dominante Maus in dieser Fünfergruppe sein.
00:24:36: Und die wird entsprechend die anderen vier Mäuse, ja, psychisch unter Druck setzen.
00:24:41: Und das ist ein Stress für diese Tiere.
00:24:43: Und wir finden bei solchen Mäusen bereits nach zwei bis drei Wochen genau diese chronische Darmentzündung, wie ich sie eingangs beschrieb.
00:24:51: Und darüber hinaus zahlreiche andere Faktoren, die verändert sind.
00:24:55: Immunparameter sind verändert.
00:24:57: Die Stressachse ist verändert.
00:24:59: Die haben eine höhere Stressreaktion auf einen anderen Stress dann nach der chronischen Stressexposition.
00:25:06: Und wir finden natürlich zahlreiche Veränderungen im Verhalten auch.
00:25:10: Das heißt, wenn die Macho-Maus die anderen unterdrückt, wie muss ich mir das vorstellen?
00:25:13: Was macht die da?
00:25:15: Also ja, in der ersten Stunde wird erstmal die Hierarchie festgeklopft.
00:25:18: Dann ist die aggressiver, die bedroht die anderen, die zwickt die auch mal, drängt die in die Ecke.
00:25:25: Und irgendwann arrangiert sich aber dieses ganze soziale Gefüge.
00:25:29: Wenn man dann in den Käfig guckt, denkt man, die sind doch ganz friedlich, die schlafen ja sogar nebeneinander und die nehmen auch an Gewicht zu.
00:25:36: Aber die vier unterdrückten Mäuse, nenne ich sie jetzt mal, nehmen weniger stark Gewicht zu als die Macho Maus.
00:25:44: Und diese vier Tiere haben eben auch dann die negativen Veränderungen, wie ich sie eingangs beschrieb.
00:25:49: Also das macht was mit den Tieren, auch wenn man es ihnen nicht gleich ansieht.
00:25:53: Das findet nur in der ersten Stunde statt.
00:25:55: Da wird die Hierarchie festgelegt und die bleibt dann auch konstant über die zwei bis drei Wochen bestehen.
00:26:01: Und was hat es jetzt konkret mit Oxytocin zu tun?
00:26:04: Ja, wir haben das Oxytocin-System auch bei diesen unterdrückten Mäusen untersucht und da finden wir tatsächlich Veränderungen, sowohl in der Bildung, in der Synthese des kleinen Moleküls, aber auch in den Erkennungsstrukturen, die nennen wir Rezeptoren.
00:26:18: Die befinden sich auf der Oberfläche von Nervenzellen und wenn das Oxytocin an diese Erkennungsstrukturen bindet, dann werden die Nervenzellen in ihrer Aktivität verändert.
00:26:27: Und da finden wir nach chronischem Stress massive Veränderungen.
00:26:31: Das ist die eine Seite.
00:26:32: Auf der anderen Seite haben wir gesagt, okay, wenn Oxytocin so toll prosozial wirkt und wie wir auch wissen gegen Stress gut ist, dann sollte das doch auch bestimmte Symptomatik dann auch verhindern.
00:26:45: Und dann haben wir denen chronisch über diese ganze Zeit Oxytocin verabreicht und konnten tatsächlich auch bestimmte Konsequenzen von diesem chronischen psychosozialen Stress dadurch vermeiden.
00:26:57: Und da sind wir wieder dann bei Oxytocin vielleicht als Heilmittel?
00:27:01: Ja, durchaus.
00:27:02: Also im amerikanischen System kann man Liquid Trust kaufen.
00:27:06: Das gibt es in rosa Spraydosen für Frauen und in blauen Spraydosen für Männer.
00:27:11: Und da wird das auch Kindern, wenn die eine Mathematik-Schulaufgabe schreiben, wird das tatsächlich den Kindern verabreicht, wie mir Kollegen erzählten.
00:27:19: Und das ist natürlich außerordentlich riskant, weil das immer auch das körpereigene System verändert.
00:27:25: Und wir wissen nicht, welche Konsequenzen das da langfristig haben sollte.
00:27:29: So viele verschiedene Ebenen, auf denen das Oxytocin Auswirkungen hat.
00:27:33: Sie forschen auch zu sozialen Phobien und sozialen Angststörungen.
00:27:38: Auch da hat Oxytocin irgendeine Bedeutung oder eine Rolle. Welche?
00:27:43: Ja, das war mein Ziel.
00:27:45: Wenn man weiß, dass Oxytocin an sich angstlösend ist, was man vor allen Dingen während der Laktationszeit bei Muttertieren weiß, denn die dürfen keine Angst haben, um ihre Jungen zu verteidigen.
00:27:56: Das ist also ein sehr schöner Effekt.
00:27:59: Das ist das eine, es löst Angst, es vermindert Angst.
00:28:02: Auf der anderen Seite wirkt es prosozial, es fördert Sozialverhalten.
00:28:07: Wenn man dies zusammentut, dann war mir klar, dass es insbesondere sehr effektiv sein könnte, im Zusammenhang mit sozialer Angst.
00:28:16: Ja, also dann haben wir beide Aspekte und da brauchte man dann ein entsprechendes Tiermodell.
00:28:21: Das ist unsere Aufgabe als Grundlagenforscher, dass wir Tiermodelle haben, mithilfe derer wir bestimmte Symptome von psychischen Erkrankungen imitieren können.
00:28:33: Und das ist eben die Meidung von Artgenossen.
00:28:35: Also bevor Sie zu den Tieren kommen, Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche, aber damit wir alle auf einer Ebene sind, soziale Angst, vielleicht haben verschiedene Leute verschiedene Vorstellungen.
00:28:43: Also was bedeutet es beim Menschen, wenn man von sozialer Angst spricht?
00:28:46: Ja, soziale Angst ist eine relativ häufige psychische Erkrankung, gehört zu dem großen Feld der Angsterkrankungen.
00:28:52: Und die Symptomatik sieht so aus, dass die Leute ungern mit Leuten sprechen, sich sehr unwohl in solchen typischen Party-Situationen finden, niemals öffentlich sprechen könnten oder sich öffentlich zu Wort melden könnten.
00:29:08: Und das ist natürlich im Alltagsleben, im Arbeitsleben extrem behindernd.
00:29:14: Okay, jetzt habe ich Sie unterbrochen.
00:29:15: Jetzt haben Sie das versucht zu übersetzen in ein Mausmodell.
00:29:18: Ja, genau.
00:29:19: Das Mausmodell, das sieht so aus, dass wir eine Labormaus in eine Apparatur setzen, wo ein kleiner Käfig ist und in dem Käfig sitzt eine andere Maus, ein Artgenosse, wie wir sagen.
00:29:31: Und normalerweise sind Mäuse sehr sozial und die erkunden die dann auch sehr intensiv.
00:29:36: Und das macht die mehrfach und dann wird doch ein anderer Käfig mit einer anderen Maus reingesetzt und die wird wieder beschnüffelt und das machen die sehr gern.
00:29:44: Jetzt in dem Modell wird die Maus bestraft, wenn sie diesen Artgenossen beschnüffelt.
00:29:50: Und das macht sie einmal, da geht sie noch ein zweites Mal hin, bekommt wieder eine Bestrafung und dann lässt sie das sein.
00:29:56: Und das merkt sie sich und wenn wir am nächsten Tag die Maus wieder mit einer anderen Maus zusammenbringen, wird sie weglaufen.
00:30:03: Sie wird diesen Artgenossen meiden.
00:30:05: Sie wird anders als vorher den nicht mehr beschnüffeln.
00:30:09: Und das kann man wiederholen und das nennen wir dann soziale Angstkonditionierung.
00:30:14: Das ist ähnlich wie Pavlov das gemacht hat mit seinen Hunden und seinen Insulin-Freisetzungen.
00:30:19: Also normalerweise würde das Tier den Artgenossen beschnüffeln, wird aber bestraft, wenn er das tut und deshalb entsteht dann das Meideverhalten.
00:30:28: Und wieder die Frage, die ich Ihnen jetzt immer stelle, was hat das jetzt wieder mit Oxytocin zu tun?
00:30:33: Ja, also das war ein sehr, sehr schönes Ergebnis und das können wir auch immer wieder zeigen, in verschiedenen Versuchsansätzen, wenn man den Tieren Oxytocin gibt, dass sie dann diese soziale Meidung komplett vergessen.
00:30:46: Also sie gehen hin, als wäre nichts gewesen und das ist natürlich toll.
00:30:52: Und das konnte partiell auch bei Menschen gezeigt werden, dass Menschen mit sozialer Angst tatsächlich dann durch Oxytocin-Nasen-Spray weniger soziale Angst zeigen.
00:31:01: Also wirklich Ängste, Stress, Bindung, Paarbindung.
00:31:06: Im Prinzip ist es ja alles ähnlich, dass es irgendwie ein positives Verhalten gibt, aber es sind doch so viele verschiedene Ebenen.
00:31:11: Das sind immer wieder die drei Aspekte.
00:31:13: Das eine ist, wir sagen, Anti Stress, Anti Angst und Pro Sozial.
00:31:19: Das sind so die drei Hauptfunktionen im Gehirn.
00:31:22: Dazu gehört natürlich auch, nicht zu vergessen, das Belohnungssystem, was durch Oxytocin angeschaltet wird, damit eben auch soziale Bindungen belohnt werden.
00:31:31: Ob das jetzt Paarbindung ist, ob das Mutter-Kind-Bindung ist, die Mutter profitiert ja auch von dieser Mutter-Kind-Bindung.
00:31:37: Das ist belohnend.
00:31:38: Sie opfert sich auf, zeitaufwändig, nervenaufreibend und trotzdem macht die Mutter das gerne, der Vater natürlich auch.
00:31:46: Auch ein interessantes Thema.
00:31:47: Würde den Rahmen jetzt vielleicht sprengen, wenn wir...
00:31:49: Genau, die Väter lassen wir heute mal raus.
00:31:52: Aber ich möchte noch mal auf den positiven Aspekt zu sprechen kommen, denn wir haben jetzt gerade über Ängste und Stress und was weiß ich was gesprochen.
00:31:58: Aber Sie haben mit Ihrem Team ja auch ganz viele schöne Ausschüttungseffekte von Oxytocin, glaube ich, getestet, wenn ich das richtig weiß.
00:32:05: Ich habe vorher Joggen und Singen erwähnt.
00:32:07: Was haben Sie da gemacht?
00:32:09: Ja, die Frage war folgende:
00:32:10: Man weiß, dass Sport, also beim Laufen beispielsweise, das Oxytocin ins Blut freigesetzt wird.
00:32:16: Da muss man natürlich den Probanden aus der Vene Blut abnehmen.
00:32:21: Das kann man bei bestimmten Patienten nicht so gut tun, zum Beispiel bei Autisten.
00:32:26: Und dann gibt es eine andere Methode, man kann das auch im Speichel bestimmen.
00:32:30: Und dann haben wir gesagt, gut, das ist ein Ansatz, den wir gerne mal verfolgen wollten.
00:32:35: Spiegelt Speichel Oxytocin, spiegelt das auch die Werte wieder, die im Blut vorhanden sind, im Blutplasma insbesondere vorhanden sind?
00:32:44: Und da haben wir eine entsprechende Studie gemacht.
00:32:46: Nein, es sind jetzt inzwischen drei Studien.
00:32:49: Das erste war die Run & Sex-Studie.
00:32:54: Da wurden Probanden gefragt, Speichelproben abzugeben vor und nach dem Laufen, zehn Minuten joggen und auch vor und nach sexueller Interaktion.
00:33:05: Das ist die erste Studie gewesen.
00:33:06: Und da fanden wir wunderbare Anstiege sowohl nach Laufen als auch nach sexueller Stimulation.
00:33:12: Das ist die erste Studie gewesen.
00:33:14: Die zweite war eine, da haben wir das dann noch weitergeführt.
00:33:17: Dann haben wir das noch auf Urin weitergeführt, weil da auch die Diskussion in der Fachliteratur besteht, ob Urin auch diese Werte widerspiegelt im Blut und im Speichel.
00:33:27: Und das war dann die Run & Pee-Studie.
00:33:29: Da haben wir dann sowohl Saliva als auch Urinproben vor und nach dem Laufen gesammelt.
00:33:35: Und das gab auch einen schönen Korrelationseffekt.
00:33:37: Also das im Urin spiegelt mit zeitlichen Unterschieden, auch das im Speichel wieder.
00:33:42: Und eine dritte Studie, die ein bisschen abseits steht in dem Zusammenhang, ist eine Chor-Studie gewesen, hier mit unserem Universitätsstudentenchor durchgeführt.
00:33:53: Da haben wir diesmal nicht Urinproben, sondern Speichelproben gesammelt, vor, während und nach dem Singen. Chor singen oder Solo singen.
00:34:02: Und hier war nun wiederum der Aspekt, spielt das soziale, gemeinsame Singen eine Rolle?
00:34:09: Und das scheint es nicht zu tun.
00:34:11: Interessanterweise singen, egal ob Solo oder im Chor, erhöht die Lebensfreude, verringert Ängste, erhöht das Wohlgefühl und auch die Kooperation, das Zusammengehörigkeitsgefühl beim Chor singen.
00:34:26: Und das Oxytocin geht tatsächlich auch hoch.
00:34:29: Interessanterweise gehen Stresshormone nach dem Singen runter, obwohl man sich eigentlich auch physisch anstrengt.
00:34:35: Es ist ja auch eine physische Aktivität.
00:34:38: Ja, man muss sich konzentrieren, man muss intensiv und richtig atmen.
00:34:43: Und wer mal so eine Bach-Motette oder Oratorium mitgesungen hat, weiß, dass das auch körperlich anstrengend ist.
00:34:49: Und trotzdem ging nach dem Singen und ich glaube der Chor, passend jetzt zur Advents- und Weihnachtszeit, hatte damals das Weihnachtsoratorium geprobt und einstudiert.
00:34:57: Und da gingen die Stresshormonwerte tatsächlich runter.
00:35:01: Interessant.
00:35:02: Also spannende Tests mit LäuferInnen und Chorsängern und Chorsängerinnen.
00:35:07: Wir haben vorher aber schon andere Tests angesprochen, wo sie von Mausmodellen gesprochen haben.
00:35:11: Und das ist ein Elefant im Raum.
00:35:13: Wir sprechen von Tierversuchen und Tierversuche gibt es eben auch hier an der Uni Regensburg.
00:35:18: Ich weiß selber gar nicht so richtig, wo mein eigener Standpunkt ist beim Thema Tierversuche.
00:35:24: Es ist ein umstrittenes Thema und es ist auch ein sehr vielschichtiges Thema, zu dem es auch sehr viele Vorurteile und viele Mythen gibt.
00:35:32: Und deshalb habe ich meine Kollegin Annika Schuppe gebeten, uns mal einige Informationen zum Thema Tierversuche hier bei uns an der Uni Regensburg zusammenzutragen.
00:35:43: An der Universität Regensburg führen drei Fakultäten Tierversuche durch.
00:35:48: Die Fakultäten für Medizin, Biologie und Vorklinische Medizin sowie Chemie und Pharmazie.
00:35:54: Die Versuche dienen vor allem der Grundlagenforschung.
00:35:57: Es gibt aber auch Schwerpunkte in der angewandten Forschung, also zum Beispiel zur Therapie von menschlichen Krankheiten.
00:36:04: Konkrete Forschungsgebiete, bei denen Tiere zum Einsatz kommen, sind unter anderem die Tumorforschung, Herzkreislauferkrankungen und eben auch die neurobiologische Grundlagenforschung.
00:36:14: Tierversuche sind unerlässlich, um die Entstehung und Auswirkungen von Krankheiten genau zu erkennen und daraus bessere Behandlungsmöglichkeiten abzuleiten.
00:36:23: Unser hoher medizinischer Wissensstand basiert hauptsächlich auf Tierversuchen.
00:36:27: Für die meisten Versuche werden Labornager wie Mäuse und Ratten eingesetzt, ganz selten auch Kaninchen.
00:36:33: An der Uni Regensburg gibt es keine Versuche mit Hunden, Katzen oder Primaten.
00:36:38: Zur Einordnung helfen vielleicht ein paar Zahlen:
00:36:41: 95 Prozent der Tiere, die in Deutschland getötet werden, sterben für unsere Ernährung, landen also im Kochtopf und auf unseren Tellern.
00:36:49: Etwa 5 Prozent der getöteten Tiere werden zu Hunde- und Katzenfutter verarbeitet und weit weniger als 1 Prozent müssen für wissenschaftliche Zwecke getötet werden.
00:36:58: Tierversuche sind in Deutschland sehr streng geregelt.
00:37:01: Kein Wissenschaftler kann einfach so einen Tierversuch starten.
00:37:05: Jede Testreihe muss bei der zuständigen Regierungsbehörde viele Monate vor Versuchsbeginn beantragt und ausführlich begründet werden.
00:37:12: Eine Ethikkommission bewertet die Anträge noch zusätzlich.
00:37:16: Während des Versuchs wird jedes Versuchstier genauestens dokumentiert.
00:37:20: Alle, die an der Uni Regensburg mit Tieren arbeiten, sind für den Umgang mit Tieren geschult und müssen sich regelmäßig weiterbilden.
00:37:27: Tierversuche sind für die Tiere nicht grundsätzlich mit Schmerzen verbunden.
00:37:31: Oft schauen die Forschenden sich auch einfach das Verhalten der Tiere an.
00:37:34: Oder ein Eingriff ist für das Tier nicht schlimmer als eine Spritze beim Tierarzt.
00:37:39: Trotzdem verzichten die Forscherinnen und Forscher der Uni Regensburg so oft wie möglich auf Tierversuche und nutzen alternative Methoden, zum Beispiel Computermodelle oder einfache Versuchsansätze mit einzelnen Zellen und Zellverbänden.
00:37:57: Frau Neumann, auch wenn vieles dafür getan wird, um möglichst wenige Tierversuche zu machen, Sie finden bei uns an der Uni statt und Sie sind ein umstrittenes Thema.
00:38:06: Wie stehen denn Sie dazu?
00:38:07: Für Sie ist es ja doch täglich Brot, oder?
00:38:10: Ja, also unbedingt.
00:38:11: Die meisten Biologie-Studenten fangen dieses Studium an, weil sie tierlieb sind, weil sie die Natur mögen und vor allen Dingen Tiere gerne mögen.
00:38:19: Und so hab auch ich angefangen.
00:38:20: Und dann steht man im Labor und muss auf einmal Tierversuche machen.
00:38:25: Und das fiel mir am Anfang überhaupt gar nicht leicht.
00:38:28: Aber wenn man sich intensiv damit beschäftigt, sind Tierversuche in der biomedizinischen Grundlagenforschung unumgänglich.
00:38:36: Insbesondere natürlich jetzt im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen brauchen wir ja sich bewegende, gesunde Tiere zunächst, die wir untersuchen, bei denen wir das Verhalten aufzeichnen können, deren Angstverhalten oder Stressbewältigung, Depressionsverhalten, Sozialverhalten, Paarungsverhalten, mütterliches Verhalten und so weiter untersuchen können, um daraus dann ableitend eben auch Situationen zu induzieren und zu imitieren, die der psychiatrischen Erkrankung irgendwie näher kommen.
00:39:08: Postpartum-Depression, klinisch manifeste Depression, Schizophrenie, soziale Phobie oder was auch immer.
00:39:15: Und dazu braucht man das sich bewegende, sich verhaltende Tier.
00:39:20: Niemand würde sich selber oder seinen Kindern gar Medikamente geben, die nicht im Tierversuch getestet worden sind, abgesehen davon, dass man gar keine Medikamente erst oder neue Medikamente erst entwickeln könnte, wenn wir nicht dazu in der Lage sind, wirklich die zugrunde liegenden Mechanismen aufzuklären.
00:39:38: Und das kann man nur am Tier.
00:39:41: Bei Menschen können wir Blut nehmen und wir können bestimmte Imaging, Bildgebungsverfahren anwenden, aber wir können nicht wirklich an die zelluläre Basis gehen, an die molekulare oder genetische Basis gehen.
00:39:54: Das geht nur am Tier und dafür müssen Tiere sterben und auch an der Universität Regensburg.
00:40:00: Aber wir haben ja die Zahlen gehört.
00:40:02: Hier geht es um kleine Nager, Maus und Ratte.
00:40:05: 95 Prozent der Tiere, die in Deutschland getötet werden, das sind eben große Säugetiere.
00:40:11: Das sind Huftiere, das sind Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine.
00:40:15: Hochintelligente Tiere, die da für uns und für unser Wohl getötet werden.
00:40:19: Und hier sind es Tiere, die für unser medizinisches Wohl getötet werden.
00:40:24: Heute als Professorin stehen Sie ja nur noch selten im Labor und machen selber Tests.
00:40:28: Das machen ja jetzt eher Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
00:40:31: Aber trotzdem haben Sie das Gefühl, man gewöhnt sich auch irgendwie dran oder ist es schon für Sie immer noch ein Thema gewesen?
00:40:38: Also hatten Sie das immer präsent, dass das jetzt Lebewesen sind?
00:40:41: Also diese Präsenz muss unbedingt sein.
00:40:43: Diese Wertschätzung vor diesen Tieren muss unbedingt sein.
00:40:47: Das spiegelt sich zum Beispiel auch dadurch wieder, dass wir die Studenten anleiten, ganz achtsam mit den Tieren umzugehen.
00:40:54: Jeder Versuch exakt muss so durchgeführt werden, wie er geplant war.
00:40:59: Da darf nicht irgendwie mal rumprobiert, rumgespielt werden.
00:41:02: Das verbietet natürlich auch schon das Tierschutzgesetz.
00:41:05: Aber da legen wir sehr großen Wert drauf.
00:41:07: Also die Tiere müssen getötet werden am Ende des Versuchs natürlich.
00:41:11: Die müssen so eingesetzt werden, dass es maximalen Erkenntnisgewinn auch geben kann, unbedingt.
00:41:17: Und nie leichtfertig.
00:41:19: Ja, also die werden niemals leichtfertig getötet.
00:41:23: Wobei man sich als Forscher natürlich auch dahingehend dran gewöhnt, dass man diese Tiere als Versuchsmaterial doch irgendwo auch sieht, mit dem man sehr sorgsam umgeht.
00:41:33: Trotzdem verliert man seine grenzenlose Tierliebe nicht.
00:41:37: Lassen Sie uns noch mal kurz auf Ihre Forschung zurückkommen.
00:41:41: Ich hab vorher schon gesagt, Sie beschäftigen sich schon Ihr gesamtes Berufsleben mit Oxytocin und mit diesen Themen drum herum.
00:41:49: Und Sie sind ja nicht die Einzige mit Ihrem Team, die daran arbeiten, sondern es sind weltweit Teams, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
00:41:57: Wie ist denn das für Sie?
00:41:58: Ich hab zum Beispiel jetzt gelesen, dass 2023 die Uni Basel Ergebnisse zur Auswirkung von Oxytocin-Mangel veröffentlicht hat.
00:42:06: Wenn Sie sowas sehen, dass ein anderes Team in einem ähnlichen Feld fischt, ist es für Sie Stress und eine Konkurrenzsituation?
00:42:11: Oder ist es für Sie eher, dass Sie sagen, cool, da hat jemand anderes Ergebnisse, mit denen kann ich jetzt weiterarbeiten?
00:42:17: Also erstmal sind wir schon, gehören wir sicherlich schon zu den Wegbereitern der Oxytocin-Forschung.
00:42:22: Und für mich war das ganz besonders erfreulich.
00:42:24: Das 2003 war das wohl die erste humane Studie, also am Menschen durchgeführte Studie erschien.
00:42:31: Die zeigte, dass Oxytocin als Nasenspray verabreicht, bestimmte Wirkung hat.
00:42:35: Damals ging es um Vertrauen, dass das Vertrauen seinen Mitspielern, es ging um Geldspiele am Computer -
00:42:41: die Details sind jetzt nicht so wichtig - dass Oxytocin Vertrauen fördert.
00:42:45: Und das war die Basis oder der erste Schritt zu den vielen Humanversuchen mit dem Nasenspray.
00:42:53: Die stützen sich natürlich irgendwo immer auch auf unsere Befunde, dass Oxytocin im Gehirn wirkt.
00:42:59: Aber wir sind nicht allein, wie Sie das schon richtig gesagt haben.
00:43:01: Es gibt immer konkurrierende Gruppen.
00:43:03: Und gerade, weil Oxytocin immer noch so ein heißes Thema ist in der neurobiologischen Forschung, ist es schön, dass es viele Gruppen gibt, die sich unter ganz unterschiedlichen Blickwinkeln auch mit der Fragestellung beschäftigen, was Oxytocin nun im Gehirn macht und wie es genau wirkt.
00:43:20: Und da gibt es so viele Facetten, die könnten wir gar nicht alle alleine untersuchen.
00:43:23: Insofern belebt Konkurrenz immer das Geschäft.
00:43:26: Und man tauscht sich sehr, sehr gerne aus.
00:43:29: Man kooperiert auch miteinander.
00:43:31: Wir haben über die vielen Jahre Kooperationen mit dem Vereinigten Königreich gehabt, mit Frankreich, USA, Kanada, Australien, Italien, Israel.
00:43:40: Also das sind alles sehr wertvolle wissenschaftliche, aber auch menschliche Kontakte, die man da im Laufe der Zeit geknüpft hat.
00:43:47: Und man trifft sich auf Kongressen oder man kooperiert auch so zwischendrin natürlich.
00:43:52: Und das ist immer gut.
00:43:53: Und mich freut es immer, wenn andere unsere Ergebnisse reproduzieren.
00:43:57: Bestenfalls nachdem wir unsere Ergebnisse publiziert haben.
00:44:01: Weil das auch immer zeigt, dass unsere Daten auch valide sind.
00:44:04: Dass die wirklich nicht nur in Regensburg unter unseren Bedingungen jetzt hier so gefunden werden konnten, sondern auch in einem anderen Labor, bestenfalls in einem anderen Land genauso funktionieren.
00:44:13: Das ist für mich immer ein Highlight.
00:44:14: Boah, die haben genau das bestätigt.
00:44:16: Vielleicht noch erweitert dann natürlich irgendwie basieren auf unseren Daten.
00:44:20: Und Sie haben jetzt gerade von sehr vielen Kooperationen und verschiedenen Projekten gesprochen.
00:44:23: Wir haben ja auch vorher schon gehört, auf wie vielen verschiedenen Bereichen Sie da schon geforscht haben.
00:44:28: Ist es diese Vielseitigkeit, die Sie dann über so eine lange Zeit auch bei der Stange gehalten hat?
00:44:33: Oder haben Sie auch zwischendurch mal gedacht, boah, jetzt mach ich mal was ganz anderes.
00:44:36: Keine Lust mehr auf Oxytocin.
00:44:38: Also ich fühl mich außerordentlich privilegiert, dass ich das Glück hatte, an so einem Forschungsthema arbeiten zu können, dass so viele Facetten hat.
00:44:46: Das ist ja nicht nur das Oxytocin.
00:44:47: Also wir sprechen ja über Neuropeptide.
00:44:50: Dazu gehört Oxytocin und Vasopressin, was auch schon erwähnt wurde, die ganz ähnlich in der Struktur sind, auch in ihrem Wirkungsspektrum ähnlich sind.
00:44:57: Aber es gibt auch andere Neuropeptide, die hier eine Rolle spielen.
00:45:00: Ich nenne mal jetzt das Neuropeptid Y oder das Neuropeptid S.
00:45:05: Ist jetzt egal, was die machen.
00:45:07: Das sind alles Neuropeptide.
00:45:08: Insofern rankt sich meine Forschung schon um das Neuropeptid-Thema herum.
00:45:12: Und Oxytocin steht eben doch im Mittelpunkt.
00:45:15: Und das hat so viele Funktionen und so viele Wirkmechanismen.
00:45:20: Zum Beispiel interessieren uns eben auch solche Aspekte, wie genau wirkt Oxytocin auf zellulärer Ebene.
00:45:28: Wenn sich das Oxytocin an seine Erkennungsstrukturen bindet, an den Nervenzellen im Gehirn, was passiert dann in den Nervenzellen?
00:45:36: Und da geht es dann wirklich um molekulare Arbeit.
00:45:40: Also was passiert, welche Kaskaden in der Zelle werden angestoßen, welche Gene werden exprimiert oder werden gehemmt in ihrer Synthesearbeit.
00:45:49: Aber wir sehen das immer in dem Zusammenhang zum Verhalten.
00:45:52: Inwieweit sind diese Mechanismen auf Zellebene eben auch involviert, zum Beispiel in Angstverhalten oder in Aggressionsverhalten?
00:46:00: Das ist das, was uns antreibt.
00:46:02: Also sie sprudeln richtig, was man da alles forschen kann und was man alles vielleicht auch noch machen kann.
00:46:08: Wir wollen ja immer auch ein bisschen den Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin kennenlernen, die hier im Studio mit mir sind.
00:46:15: Also nicht nur die Forschung, sondern auch den Menschen ein bisschen.
00:46:18: Und deswegen habe ich eine kleine Sache mitgebracht, die ich nicht mit Ihnen vorher abgesprochen habe, nämlich ein kleines Spiel A oder B, Hund oder Katze.
00:46:24: Also ich nenne Ihnen immer ein Wortpaar und Sie müssen einfach schnell aus dem Bauch raus mir sagen, welches von beiden.
00:46:29: Also wenn ich jetzt sagen würde Hund oder Katze, dann sagen Sie...
00:46:32: Katze
00:46:32: Wunderbar. Genau. Einfach also keine Erklärung.
00:46:35: Genau. Sind Sie bereit? Darf ich loslegen?
00:46:37: Super.
00:46:38: Kaffee oder Tee?
00:46:39: Tee.
00:46:40: Cola oder Club Mate?
00:46:43: Mate.
00:46:44: Mensa oder Brotzeitdose?
00:46:45: Brotzeitdose.
00:46:46: Leberkäse Semmel oder Couscous Salat?
00:46:47: Couscous Salat.
00:46:48: Anruf oder E-Mail?
00:46:50: Doch eher beides.
00:46:52: E-Mail oder WhatsApp?
00:46:54: Auch beides.
00:46:55: Buch oder Podcast?
00:46:56: Buch.
00:46:56: Zoomen oder Treffen?
00:46:58: Treffen.
00:46:59: Studi oder Prof?
00:47:01: Wen ich lieber mag, das sind dann die Studenten.
00:47:04: Labor oder Hörsaal?
00:47:06: Hörsaal.
00:47:06: Schreiben oder Korrektur lesen?
00:47:08: Schreiben.
00:47:09: Semester oder vorlesungsfreie Zeit?
00:47:11: Beides.
00:47:12: Bio oder vorklinische Medizin?
00:47:14: Bio.
00:47:15: Oxytocin oder Vasopressin?
00:47:17: Oxytocin.
00:47:17: Ratten oder Mäuse?
00:47:18: Mäuse.
00:47:19: Menschen oder Primaten?
00:47:20: Primaten.
00:47:21: Online oder offline?
00:47:23: Offline.
00:47:23: Samstag oder Sonntag?
00:47:25: Sonntag.
00:47:26: Aufstehen oder snoozen?
00:47:27: Aufstehen.
00:47:28: Singen oder tanzen?
00:47:29: Singen.
00:47:30: Musik machen oder Musik hören?
00:47:31: Beides.
00:47:32: Sport machen oder Sport schauen?
00:47:34: Sport machen.
00:47:35: Auto oder Fahrrad?
00:47:36: Fahrrad.
00:47:37: Drinnen oder draußen?
00:47:38: Draußen.
00:47:38: Mann, sind Sie schnell.
00:47:39: Land oder Stadt?
00:47:41: Land.
00:47:41: Alt oder neu?
00:47:43: Alt.
00:47:43: Schwarz oder weiß?
00:47:44: Weiß.
00:47:45: Teilen oder haben?
00:47:46: Teilen.
00:47:47: Herbst oder Frühling?
00:47:48: Frühling.
00:47:49: Frühmorgens oder spät abends?
00:47:51: Frühmorgens.
00:47:52: Aufzug oder Treppe?
00:47:53: Treppe.
00:47:53: Jena oder Regensburg?
00:47:56: Beides.
00:47:57: Sierra Leone oder Sinzing?
00:48:00: Auch beides.
00:48:02: Und Barock oder Beton?
00:48:04: Barock.
00:48:05: Sie haben es geschafft. Vielen Dank. Wow.
00:48:07: Also so schnell da durch gerattert, Respekt.
00:48:10: Ganz zum Schluss hab ich noch eine Frage.
00:48:12: Sie sind ja nicht nur in Anführungszeichen Forscherin und in Sachen Verhaltensbiologie unterwegs, sondern Ihnen, Sie haben es gerade vorher auch schon gesagt, liegt auch einfach die Umwelt und Naturschutz sehr stark am Herzen.
00:48:24: Und Sie engagieren sich da auch über Ihr Berufsleben hinaus.
00:48:28: In welcher Form?
00:48:29: Was machen Sie hier in der Umgebung?
00:48:31: Ja, also ich denke, dass die Bewahrung unserer Umwelt eine der größten Herausforderungen ist, vor der die Menschheit steht.
00:48:39: Und das treibt mich an, dass man sich dahingehend auch engagiert.
00:48:42: Das ist natürlich immer schwierig.
00:48:44: Man ist voll im Beruf, man hat wenig Zeit, aber trotzdem kann man kleine Dinge voranbringen.
00:48:50: Also es ist so die Idee der kleinen Schrittchen, die man vielleicht gehen kann, mit denen man einen kleinen Beitrag leisten kann.
00:48:58: Und wenn das auch nur die Vorbildrolle ist, oh, die macht das noch, na dann könnte man das vielleicht auch machen.
00:49:03: Also das eine ist, dass man, ich wohne in einem kleinen Dorf außerhalb von Regensburg, dass man da lokal wirklich kleine Sachen voranbringen kann, zum Beispiel, es gab diese Bienenumfrage in Bayern und dann hatte ich mir gedacht, okay, vielleicht könnte man ja die lokalen Landwirte dafür gewinnen, dass sie extensiv bewirtschaftete Flächen partiell verpachten für fünf Jahre oder dann noch länger, auf denen man Blühwiesen anbauen könnte.
00:49:30: Und da habe ich dann eine Spendenaktion gestartet, die sehr erfolgreich war.
00:49:34: Inzwischen haben wir zwei große solcher Blühwiesen.
00:49:36: Dann kam der Blühpakt der bayerischen Regierung.
00:49:40: Und da haben wir uns vor zwei Jahren gemeldet und haben dann einen Antrag gestellt, drei oder vier weitere Blühflächen zu generieren.
00:49:47: Und das ist uns auch gelungen.
00:49:48: Das läuft gerade.
00:49:49: Also das sind so die Aktionen, die ich vor Ort gerne mache.
00:49:51: Dazu natürlich auch mal, wie man in Bayern sagt, so eine Ramadama zu organisieren.
00:49:56: Das heißt also Müll zu sammeln entlang der Donauufer oder auch der anderen Bäche, die bei uns fließen.
00:50:03: Das ist immer eine schöne Aktion das Wochenende vor Ostern, so nach dem Winter, dass man da ein bisschen reine macht.
00:50:08: Und das war zu Corona-Zeiten der Schlager.
00:50:11: Da kamen so viele Leute, die endlich irgendeine Aktion hatten, die sie durchführen konnten.
00:50:16: Und das behalten wir bei.
00:50:18: Also das ist so das eine, das andere ist, dass ich für die Grünen im Gemeinderat sitze.
00:50:21: Und da kann man natürlich nicht so viel tun, weil natürlich die CSU, die Freien Wähler, da die Mehrheit der Stimmen haben.
00:50:29: Aber man kann zumindest seine Stimme einbringen, dass bei all den Bauprojekten, all den Projekten, die die Gemeinde so vorhat, dass man den Aspekt Umweltschutz, Klimaschutz nicht vernachlässigt.
00:50:40: Und Biodiversität natürlich dazu.
00:50:42: Das sind jetzt alles Sachen hier in der Umgebung.
00:50:44: Sie haben aber auch noch ein Herzensprojekt weiter weg.
00:50:48: Und wer genau zugehört hat, dem ist vielleicht aufgefallen, Sierra Leone und Primaten sind in der A oder B Frage nicht ganz zufällig vorgekommen.
00:50:55: Was ist Ihr Herzensprojekt da?
00:50:57: Ja, also in der Tat, ich engagiere mich da in Sierra Leone auf einer Schimpansen-Auffangstation.
00:51:03: Sierra Leone ist das drittärmste Land dieser Welt, gebeutelt durch den langen Bürgerkrieg, gebeutelt durch die Ebola-Pandemie 2015-16.
00:51:15: Und da kann man den Menschen nicht verdenken, dass die in den Regenwald gehen, in ihre verbleibenden Regenwälder gehen und sich eben diverse Tiere schießen zur Ernährung ihrer großen Familien.
00:51:26: Und dazu gehören eben auch Schimpansen.
00:51:28: Und wenn das die Mütter trifft, dann fallen die Jungtiere zu Boden oder klammern sich noch an die dann erschossene Mutter.
00:51:35: Und wenn sie Glück haben, werden diese Jungtiere dann auf diese Primatenstation gebracht, auf diese Auffangstation.
00:51:41: Wenn sie weniger Glück haben, ja vegetieren sie in den Dörfern, in irgendwelchen kleinen Eisenkäfigen oder an eine Kette gefesselt, dann an einen Baum gebunden vor sich hin.
00:51:53: Die werden natürlich größer.
00:51:54: Schimpansen sind sehr aggressiv.
00:51:56: Schimpansen können Menschen töten.
00:51:58: Also das sind keine Kuscheltiere.
00:52:00: Schimpansen werden aber auch als Babys ins Ausland exportiert, eben genau als Kuscheltiere, weil die Babys ja so süß sind und sie sind wahrhaftig unglaublich süß.
00:52:12: Also die auf der Station sind, inzwischen sind es über 120.
00:52:15: Als ich das erste Mal dort war, waren es noch 85.
00:52:19: Das nimmt also pro Jahr zu.
00:52:20: Also pro Jahr werden ungefähr zehn Tiere dorthin gebracht, als sehr kleine Jungtiere.
00:52:26: Und die werden dort aufgepäppelt.
00:52:28: Die werden veterinärmedizinisch versorgt.
00:52:30: Die werden natürlich auch dahingehend behandelt, dass sie ihr Trauma vergessen.
00:52:34: Die sind hoch traumatisiert.
00:52:35: Nicht nur, dass die Mutter erschossen wurde, sondern meist kommen die ja dann auch über diese angrenzenden Dörfer, über die Dörfer dann irgendwie, sind die schlecht behandelt worden, dorthin.
00:52:44: Ja, und das Projekt, was ich da versuche voranzutreiben, ist, dass man sich überlegt, Oxytocin - stresslösend, angstlösend und prosozial - dass das Trauma, das die Erlitten haben, durch Oxytocin vielleicht reduziert werden könnte.
00:53:00: Man muss aber dazu sagen, dass Takugama, also diese Schimpansen-Auffangstation sich nicht nur um diese Jungtiere kümmert und die nun hochbringt und die werden ja immer älter dort.
00:53:09: Die dienen natürlich als Botschafter für die Regenwälder auch irgendwo, sondern Takugama setzt sich sehr präventiv ein.
00:53:18: Umweltbildung steht ganz, ganz im Vordergrund.
00:53:20: Die engagieren sich in den Schulen von Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, die bilden Ranger in den Dörfern aus, die rings um die Regenwälder liegen und fördern da Schulen.
00:53:32: Und auch dort geht es wieder um Umweltbildung der Kinder in den Schulen.
00:53:35: Also ein sehr umfangreiches Programm.
00:53:38: Und ja, alles, was man hat, kann man dahinspenden, weil man weiß, dort kommt es eins zu eins genau der Sache zugute, für die man ja eigentlich selber brennt.
00:53:47: Und das ist Artenschutz, das ist Erhaltung der Regenwälder und das ist Umweltschutz.
00:53:51: Das verlinken wir natürlich auch sehr gerne in den Show-Notes, wer sich da weiter informieren möchte.
00:53:56: Wirklich ein tolles Projekt, wie ich finde.
00:53:58: Und ich finde es auch einfach immer total schön und spannend zu sehen, was unsere Profs so jenseits der Hörsäle sonst noch so machen.
00:54:06: Wir sind am Ende dieser Folge angekommen, Frau Professorin Neumann.
00:54:10: Ganz, ganz herzlichen Dank, dass Sie hier bei mir im Studio waren.
00:54:12: Es hat wirklich großen Spaß gemacht.
00:54:13: Ich hoffe, Sie mochten es auch.
00:54:15: Sehr gerne, ja, war ein schönes Gespräch mit Ihnen.
00:54:18: Und hoffentlich war es auch für euch wieder interessant, liebe Hörerinnen und Hörer, was nehmt ihr mit?
00:54:23: Was hat euch besonders überrascht oder interessiert?
00:54:26: Schreibt uns gern an kontakt@ur.de.
00:54:29: Dort sind wir natürlich auch immer offen für jede Form von Anregungen oder Kritik.
00:54:34: Wenn ihr den Gasthörer mögt, freuen wir uns natürlich auch extrem, wenn ihr uns weiterempfehlt.
00:54:37: Mund zu Mund Propaganda ist das Beste, was uns passieren kann.
00:54:41: Ich bin Katharina Herkommer und ich sage danke, dass ihr dabei wart.
00:54:44: Tschüss und bis zum nächsten Mal, liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.
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