Zu alt zum Lernen? HIRNFORSCHUNG mit Dr. Sebastian Frank

Shownotes

Bildbeschreibung

Dr. Sebastian Frank arbeitet mit seiner Emmy-Noether-Forschungsgruppe am Psychologischen Institut der Universität Regensburg. Zusammen mit seinem Team forscht er daran, wie sogenanntes visuelles Wahrnehmungslernen funktioniert - also wie aus einer Sinneserfahrung eine bleibende Erinnerung wird. Die Ergebnisse, die er jetzt schon vorzuweisen hat, helfen uns nicht nur dabei zu verstehen, ob und warum Kinder leichter lernen als Erwachsene. Sondern sie dienen Sebastian Frank gleichzeitig als Grundlage für sein aktuelles Forschungsprojekt, nämlich die Frage, was im Gehirn bei Demenzpatient*innen passiert und wie diesen vielleicht geholfen werden könnte.

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00:00:03: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.

00:00:05: Ein alter Spruch, aber stimmt der denn?

00:00:08: Habe ich meine Chance verpasst, italienisch zu sprechen, Posaune zu spielen oder Akrobatik zu machen, nur weil ich nicht schon als Kind oder Jugendliche damit angefangen hab?

00:00:17: Ist unser Gehirn als Erwachsene wirklich so unflexibel?

00:00:21: Darum geht's in dieser ersten Folge vom Gasthörer, dem neuen Wissenschaftspodcast der Uni Regensburg.

00:00:27: Ich bin Katharina Herkommer und im Wechsel mit meinem Kollegen Jan Kleine

00:00:31: präsentieren wir aus der Kommunikation euch von jetzt an in diesem Podcast regelmäßig die interessantesten neuen Themenfelder, mit denen sich Forschende hier an der Uni Regensburg beschäftigen.

00:00:41: Für jede Folge laden wir eine Wissenschaftlerin oder einen Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Fachbereichen zu uns ins Studio ein.

00:00:48: Und dann wollen wir nicht nur wissen, woran sie ganz aktuell arbeiten und was sie Neues rausgefunden haben, sondern auch, was das mit uns zu tun hat und wer die Leute sind, die sie hier an der Uni so intensiv einem ganz bestimmten Thema verschrieben haben.

00:01:01: Es wird also spannend und vor allem abwechslungsreich hier im Gasthörer.

00:01:04: Und los geht's heute mit meinem ersten Gast:

00:01:07: Dr. Sebastian Frank vom Psychologischen Institut.

00:01:09: Willkommen an Sie, Herr Dr. Frank.

00:01:12: Und natürlich auch nochmal willkommen an euch, liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.

00:01:15: Schön, dass ihr dabei seid.

00:01:18: Gasthörer

00:01:26: Herr Frank, Sie haben hier an der Uni Regensburg Psychologie studiert und sich dabei schon ziemlich früh auf die Hirnforschung spezialisiert.

00:01:33: Warum, wie sind Sie zu diesem Spezialgebiet gekommen und was ist daran für Sie so spannend?

00:01:39: Ja, also ich habe mich damals für das Psychologiestudium entschieden, weil ich verstehen wollte, wie der Geist des Menschen funktioniert.

00:01:45: Am Anfang habe ich mich gar nicht besonders für das Gehirn interessiert, sondern ich dachte, ich möchte einfach verstehen, wieso denken die Menschen, wie sie denken? Wieso fühlen die Menschen, wie sie fühlen? Wieso nehmen die Menschen wahr, wie sie eben wahrnehmen?

00:01:57: Und dann habe ich mein Psychologiestudium begonnen und habe dann herausgefunden, dass heute die Psychologie ja eine Naturwissenschaft ist und auch mit Methoden und Ansprüchen der Naturwissenschaften untersucht wird.

00:02:08: Das heißt, man macht Experimente, man verwendet moderne Methoden und man konzentriert sich auch darauf, zu verstehen, wie bestimmte Prozesse, also Wahrnehmung, Denken, Fühlen, Handeln im Gehirn funktionieren.

00:02:21: Und für mich war ein einschneidendes Erlebnis, wie ich zum ersten Mal als Versuchsperson bei einem MRT-Experiment mitgemacht habe.

00:02:27: Da ging es um Gesichterwahrnehmung im Scanner und da lag ich zum ersten Mal in einem MRT-Gerät drinnen.

00:02:33: Und das fand ich total faszinierend.

00:02:35: Auch danach haben mir die Versuchsleiter ein Bild von meinem Gehirn gezeigt und ich konnte auch ein bisschen mir die Aktivierung in meinem Gehirn anschauen.

00:02:41: Und in dem Moment hat es mich sozusagen ergriffen und ich bin nicht mehr von der Hirnforschung losgekommen.

00:02:47: In dem Moment war sozusagen meine Seele der Gehirnforschung gewidmet.

00:02:52: Also es war eine langsame, graduelle Entwicklung mit einem Meilenstein.

00:02:55: Das war für mich damals das erste Mal, wo ich selber im MRT-Gerät war und an so einem Experiment mitgemacht habe.

00:03:00: Also in der Röhre haben sie da gelegen.

00:03:02: Genau, in der Röhre, richtig.

00:03:03: Man merkt ihre Leidenschaft.

00:03:05: Sie kriegen blitzende Augen, wenn sie von der Hirnforschung sprechen.

00:03:10: Sie waren dann in den USA und haben dort ihre Doktorarbeit gemacht, zuerst in New Hampshire und danach waren sie dann noch als Postdoc an der Brown University im Bundesstaat Rhode Island.

00:03:19: Und dort haben sie sich mit visuellem Wahrnehmungslernen beschäftigt.

00:03:22: Können Sie mir erst mal ganz kurz, bevor wir auf die einzelnen Versuche kommen, erklären, was ist visuelles Wahrnehmungslernen?

00:03:29: Ja, also jeder von uns nimmt natürlich die Welt wahr, mit all unseren Sinnen, also mit unserem Sehsinn, mit unserem Tastsinn, mit unserem Hörsinn und so weiter.

00:03:38: Und eine Frage der Wissenschaft war für lange Zeit, ob diese Wahrnehmungsprozesse in irgendeiner Form veränderbar sind.

00:03:46: Das heißt, ob man sie modulieren kann durch Erfahrung.

00:03:48: Das heißt, wenn ich zum Beispiel oft mich mit bestimmten visuellen Mustern beschäftige, ob dann meine Wahrnehmung für diese visuellen Muster besser werden könnte.

00:03:56: Und interessanterweise hat man für lange Zeit geglaubt, dass sich visuelle Wahrnehmungsprozesse relativ wenig modulieren lassen oder relativ wenig verändern lassen.

00:04:05: Und man hat sich halt meistens die visuelle Wahrnehmung herausgenommen als Paradebeispiel.

00:04:10: Einfach weil visuelle Wahrnehmung im Normalzustand, im Gehirn relativ gut schon verstanden ist.

00:04:14: Also man weiß, welche Teile des Gehirns dafür verantwortlich sind.

00:04:17: Man weiß, welche Prozesse bei visueller Wahrnehmung stattfinden.

00:04:21: Und darum hat man das als Beispielmodell herausgenommen, um zu verstehen, wie sich visuelle Wahrnehmung verändern lässt.

00:04:27: Und das war dann auch das Thema während meines Postdocs.

00:04:30: Also ich habe mich mit der Frage beschäftigt, wie kann man visuelle Wahrnehmung trainieren?

00:04:34: Welche Mechanismen sind darin involviert?

00:04:37: Und wie kann man diese Trainierung auch optimieren und verbessern?

00:04:41: Also jetzt nochmal kurz eingehakt für mich als Laien.

00:04:43: Sie haben sich jetzt mit visuellem Wahrnehmungslernen auseinandergesetzt, nicht weil es bei den anderen Sinnen keine solchen Fortschritte im Gehirn gibt oder so,

00:04:48: sondern einfach weil man sie da am besten beobachten kann, weil man schon am meisten darüber weiß.

00:04:54: Genau so ist es.

00:04:55: Also man weiß sehr gut, wie visuelle Wahrnehmung im Gehirn funktioniert.

00:05:00: Visuelle Wahrnehmungsexperimente kann man auch sehr gut designen, sagen wir.

00:05:03: Das heißt, man kann sie sehr gut experimentell kontrollieren.

00:05:06: Dass also nur dieser Aspekt, der mich interessiert, in meinem Experiment untersucht wird und kein anderer.

00:05:12: Und es ist einfach auch jetzt mal banal gesprochen, am einfachsten visuelle Wahrnehmungsprozesse zu untersuchen und zu verstehen, wie sie sich verändern lassen.

00:05:19: Aber dieses Wahrnehmungslernen gibt es in allen Sinnen, also mit unserem taktilen Sinn, mit unserem Hörsinn.

00:05:26: Es findet in allen Sinnessystemen statt.

00:05:28: Es ist bloß am einfachsten, es im visuellen System zu untersuchen.

00:05:32: Und wie sah denn der Versuch aus, den sie da in Amerika gemacht haben?

00:05:35: Also das Experiment bestand aus zwei Sitzungen an zwei verschiedenen Tagen.

00:05:40: In der ersten Sitzung fand das Training statt.

00:05:42: Und da haben die Versuchspersonen eine ganz einfache visuelle Aufgabe bearbeiten müssen.

00:05:47: Und zwar wurden in jedem Durchgang schnell hintereinander zwei Bilder präsentiert.

00:05:51: Ein Bild hatte ein Orientierungsmuster, das war in schwarz-weiß, zum Beispiel in der Orientierung nach rechts oder nach links oben.

00:05:58: Und das andere Bild bestand nur aus zufällig angeordneten Pixels, also schwarz-weißen Pixels.

00:06:04: Und die Bilder, wie gesagt, wurden schnell hintereinander präsentiert.

00:06:07: Und danach sollten die Versuchspersonen angeben, ob das erste Bild oder das zweite Bild dieses Orientierungsmuster beinhaltet hat.

00:06:14: Und diese Aufgabe haben die Versuchspersonen mehrmals hintereinander gemacht.

00:06:17: Die Sitzung hat ungefähr so 20 Minuten gedauert.

00:06:20: Und die Aufgabe hat sich der Performanz der Versuchspersonen angepasst.

00:06:24: Das heißt, wenn die Versuchspersonen hintereinander häufig richtig geantwortet hat, das heißt, wenn sie die Aufgabe gut konnte, dann wurden mehr schwarz-weiße Pixel auf dieses Orientierungsmuster selber draufgelegt, sodass das immer schwieriger zu unterscheiden war von diesem reinen Rauschbild.

00:06:39: Und am nächsten Tag, nachdem also dieses Training vorbei war, kamen die trainierten Versuchspersonen noch einmal ins Labor und haben noch einmal diese Aufgabe durchgeführt.

00:06:48: Und dann haben wir uns angeschaut, wie hat sich die Performanz von der ersten Sitzung, in der das Training stattfand, zur zweiten Sitzung verändert.

00:06:55: Und unsere Hypothese war, wenn durch dieses Training wirklich Neuroplastizität im Gehirn angeregt wird, in visuellen Teilen des Gehirns, dann sollte sich die Performanz der Versuchspersonen in der zweiten Sitzung verbessern, verglichen mit der ersten Sitzung.

00:07:09: Sie haben gerade den Begriff Neuroplastizität verwendet.

00:07:12: Neuroplastizität oder neuronale Plastizität, das ist ein Fachbegriff, der im Verlauf des folgenden Gesprächs glaube ich immer wieder fallen wird.

00:07:19: Und damit jeder mitkommt und wir da alle auf einem Level sind, habe ich meinen Kollegen Jan Kleine gebeten, für uns ein bisschen zu recherchieren und uns da alle auf den gleichen Stand zu bringen.

00:07:33: Neuronale Plastizität ist eine besondere Fähigkeit unseres Nervensystems.

00:07:37: Das zentrale Nervensystem ist eine der komplexesten Regionen des menschlichen Körpers.

00:07:42: Es liegt im Gehirn und im Rückenmark und ist für die Reizverarbeitung verantwortlich.

00:07:46: Es koordiniert also alle Informationen, die aus dem gesamten Körper dort einlaufen und wertet sie aus.

00:07:51: Außerdem wird aus dem zentralen Nervensystem unsere gesamte Motorik ausgelöst.

00:07:55: Alle Bewegungen und körperlichen Reaktionen auf unsere Umwelt haben dort ihren Ursprung.

00:08:00: Und natürlich ist unser Gehirn auch der Ort für alles bewusste und unbewusste Denken.

00:08:05: Bis vor einigen Jahrzehnten ging man davon aus, dass alle neuronalen Strukturen, also alle Spezialfunktionen, Ausprägungen und Verknüpfungen von Nervenzellen schon vor der Geburt fertig entwickelt sind.

00:08:15: Dass sie dann genau in dieser Form über unser gesamtes Leben statisch bestehen und sich bis zu unserem Tod nicht mehr ändern.

00:08:22: Forschungen auf diesem Gebiet haben aber etwas ganz anderes gezeigt.

00:08:25: Es stimmt zwar, dass Säuglinge schon kurz nach der Geburt auf wahrscheinlich um die 100 Milliarden Nervenzellen zurückgreifen können.

00:08:32: Und das sind etwa genauso viele wie im Gehirn eines gesunden Erwachsenen.

00:08:36: Aber die Nervenzellen eines Säuglings sind noch klein und vor allem noch wenig vernetzt.

00:08:41: Mit dem Älterwerden und ganz besonders mit jedem Lernprozess reifen die Nervenzellen, werden spezialisierter und bilden immer mehr Verknüpfungen untereinander.

00:08:49: Diese Fähigkeit unseres Nervensystems, sich je nach Verwendung immer wieder neu umzubilden, nennt man neuronale Plastizität.

00:08:56: Eine solche Umbildung kann einzelne Nervenzellen betreffen, aber auch ganze Hirnareale.

00:09:01: Das Ziel unseres Körpers ist dabei immer, das Nervensystem an neue Begebenheiten anzupassen.

00:09:07: Durch die neuronale Plastizität wird die Arbeitsweise unseres Gehirns also ständig passend zum aktuellen Bedarf optimiert, um seine unterschiedlichen Funktionen zu erhalten oder zu erweitern.

00:09:17: Unsere Nervenstrukturen bekommen permanent ein Update.

00:09:25: Jetzt haben wir also gerade gehört, dass unser Hirn permanent neu strukturiert wird, neue Verknüpfungen lernt, neue Fertigkeiten ausbildet.

00:09:34: Das ist bewiesen und das ist schon eine ganze Weile bewiesen.

00:09:37: Und interessanterweise ist eine der früheren Studien in diesem Bereich und eine der wichtigen Studien hier an der Uni Regensburg entstanden.

00:09:46: Das war schon im Jahr 2004, also eine ganze Weile vor ihrer Forschung, Herr Frank.

00:09:50: Und es soll keiner sagen, dass wissenschaftliche Studien immer langweilige Inhalte haben.

00:09:54: Junge Leute sollten jonglieren lernen.

00:09:57: Die Versuchspersonen konnten nicht jonglieren, bevor sie mit dem Versuch angefangen haben.

00:10:01: Ihr Hirn wurde gescannt.

00:10:03: Dann haben sie drei Monate jonglieren geübt, wurden dann wieder in den MRT-Scanner gelegt und es hat sich gezeigt, verschiedene Hirnareale, die eben für das Jonglieren wichtig sind, waren deutlich vergrößert.

00:10:14: Also da hat sich extrem was getan in der Zeit, wo die Leute jonglieren gelernt haben.

00:10:19: Dann hat man die gleichen Leute gebeten, einfach wiederum drei Monate nicht mehr zu jonglieren oder auch nichts Neues beim Jonglieren dazuzulernen, hat sie wieder gescannt und es stellt sich heraus, diese Hirnareale, die vorher gewachsen sind, sind wieder geschrumpft.

00:10:32: Sie sind zwar nicht so weit zurückgegangen, dass es aufs Ausgangsstadium zurückging, aber solange sie sie nicht mehr benutzt haben, hat sich da auch wieder was zurückgezogen.

00:10:41: Also es ist klar, es tut sich was, es ist schon seit einigen Jahren klar.

00:10:45: Warum haben Sie dann jetzt so einen Versuch gemacht und worauf wollten Sie damit raus?

00:10:49: Ja, also meine Motivation dahinter war, diese oft verbreitete Annahme, dass Kinder effizienter lernen als Erwachsene.

00:10:58: Wenn man mit Menschen redet, vor allem Menschen, die im Lehrberuf tätig sind, hört man das sehr oft, dass der Eindruck da ist, Kinder lernen irgendwie anders und vor allem besser als Erwachsene.

00:11:08: Und dann habe ich mir mal die Literatur zu dem Thema ein bisschen angeguckt und gesehen, dass es eigentlich relativ wenig Forschung zu diesem Bereich gibt und auch zum Teil widersprüchliche Befunde.

00:11:17: Also einige Studien konnten Evidenz dafür finden, dass Kinder tatsächlich besser lernen als Erwachsene und andere Studien haben genau das Gegenteil gezeigt.

00:11:24: Und was mich am meisten überrascht hat war, dass wenig verstanden zu sein scheint, wenn es denn so ist, dass Kinder effizienter lernen als Erwachsene, welche neuronalen Prozesse bei ihnen denn anders sind, also welche Neuroplastizitätsprozesse bei ihnen anders sind, als bei Erwachsenen, die das effizientere Lernen erklären könnten.

00:11:42: Also da gab es noch gar nicht so richtige Forschung?

00:11:44: Da gab es ganz wenig dazu.

00:11:46: Und das hat mich überrascht, weil das eigentlich eine wichtige Frage ist und eigentlich gar nicht so schwer zu untersuchen.

00:11:52: Und dann dachte ich mir, na gut, nehmen wir das Wahrnehmungslernen als Modell her, als Beispiel und untersuchen das bei Kindern und Erwachsenen und schauen uns zwei Aspekte an.

00:12:00: Erstens finden wir Evidenz dafür, dass Kinder effizienteres Wahrnehmungslernen zeigen als Erwachsene?

00:12:06: Und zweitens, falls ja, was ist bei ihnen im Gehirn anders, das diesem effizienteren Lernen zugrunde liegen könnte?

00:12:12: Das heißt, der Versuch mit den Bildern, den sie vorher beschrieben haben, den haben sie dann sowohl Kinder machen lassen, als auch Erwachsene machen lassen?

00:12:18: Exakt.

00:12:19: Und dann haben sie die Ergebnisse verglichen?

00:12:20: Genau.

00:12:21: Und was kam da raus?

00:12:22: Ja, also dazu muss man wissen, dass wenn neues Lernen stattfindet, und es ist jetzt eigentlich egal, ob das Wahrnehmungslernen ist oder das Lernen von einer Sprache oder vom Fahrradfahren oder was auch immer,

00:12:32: dieses Lernen ist zunächst in einem relativ fragilen Zustand, wenn das Lernen vorbei ist.

00:12:37: Und es dauert eine gewisse Zeit, bis dieses Lernen zu einer dauerhaften Gedächtnisspur wird.

00:12:42: Und man bezeichnet diese Zeit vom Lern-Ende bis zum Aufbau einer dauerhaften Gedächtnisspur als Konsolidierungsphase.

00:12:51: Also bis es verankert ist irgendwie.

00:12:52: Genau, also bis es verfestigt ist im Gehirn.

00:12:55: Und jetzt haben wir in dieser Studie zwei wichtige Befunde gehabt.

00:12:59: Und zwar zum einen scheint es so zu sein, dass Kinder neues Lernen viel viel viel schneller konsolidieren oder wie wir gesagt haben verankern als Erwachsene.

00:13:07: Das heißt sie vergessen viel weniger als Erwachsene.

00:13:10: Und basierend auf dem Befund haben wir uns dann überlegt, ok, irgendwas muss in ihrem Gehirn anders sein.

00:13:16: Etwas muss anders sein in dem Gehirn, wenn das Lernen vorbei ist bei Kindern als bei Erwachsenen.

00:13:21: Und tatsächlich haben wir dann im MRT Gerät, also im Scanner, herausgefunden, dass diese Konsolidierungsprozesse bei Kindern für die Inhibition durch GABA, einem wichtigen inhibitorischen Neurotransmitter im Gehirn, eine wichtige Rolle spielt, dass diese Inhibition bei Kindern viel viel stärker nach dem Lernen ausgeprägt ist als bei Erwachsenen.

00:13:39: Und durch diesen starken Schuss an Inhibitionen, wenn man das ein bisschen so sprichwörtlich sagt, in das Gehirn von Kindern nach Lernen, wird effizienteres Lernen bei Kindern möglich.

00:13:48: Und aus irgendeinem Grund scheint dieser GABA Schuss, der nach dem Lernen bei Kindern auftritt, im Erwachsenen Gehirn nicht mehr aufzutreten.

00:13:55: Okay, ich übersetze jetzt mal nochmal, soweit ich das verstanden habe.

00:13:58: Sie korrigieren mich.

00:13:59: GABA, habe ich gelesen, ist eine Aminosäure und die brauchen wir, um Gelerntes zu verarbeiten.

00:14:04: Ist das richtig?

00:14:05: Genau, GABA spielt eine wichtige Rolle bei der Konsolidierung von Gedächtnis Inhalten.

00:14:09: Und das war aber vorher schon klar.

00:14:10: Das war bekannt aus Tierversuchen.

00:14:13: Okay und Kinder bekommen beim Lernen einfach einen viel größeren Einschuss von dieser Aminosäure im Hirn als Erwachsene und können dadurch schneller das Gelernte verarbeiten und verankern?

00:14:24: Genau, also Kinder zeigen nach dem Lernen eine viel stärkere GABAerge Antwort im Gehirn, also einen viel höheren Anstieg von GABA in trainierten Teilen des Gehirns als Erwachsene.

00:14:34: Und dieser starke Anstieg von GABA im Gehirn von Kindern könnte dem effizienteren Lernen bei Kindern zugrunde liegen.

00:14:42: Und das hat vorher noch nie jemand beobachtet gehabt?

00:14:44: Das war vorher soweit noch nicht bekannt, weil diese Methode, mit der man GABA-Konzentration im Gehirn messen kann, erst seit kürzerer Zeit in der Forschung eigentlich eingesetzt wird, vor allem in der Lernforschung eingesetzt wird, und man hat bisher noch keine Kinder bei solchen Lernaufgaben untersucht.

00:15:01: Das heißt, unsere Studie war die erste, soweit wir wissen zumindest, die sich das tatsächlich mal angeguckt hat, wie sich die Konzentration von GABA im Gehirn beim Lernen bei Kindern verändert.

00:15:12: Und wo kommt dieses GABA her?

00:15:13: Ich habe keine Ahnung, muss ich leider zugeben.

00:15:15: Ist das aus einer Drüse oder?

00:15:18: Es gibt bestimmte Arten von Nervenzellen im Gehirn.

00:15:21: Man nennt die inhibitorische Interneurone.

00:15:23: Die benutzen GABA als ihren Botenstoff.

00:15:25: Und damit kontrollieren sie die Aktivität von erregenden Nervenzellen im Gehirn.

00:15:31: Und dieses Zusammenspiel zwischen Erregung und Hemmung ist eben hochbedeutsam für die Konsolidierung von neuen Gedächtnisinhalten.

00:15:38: Und aus irgendeinem Grund scheint es eben so zu sein, dass diese inhibitorischen GABAergen Antworten bei Kindern viel, viel stärker ausgeprägt zu sein scheinen als bei Erwachsenen.

00:15:49: Also sie haben als Erste sozusagen rausgefunden: Okay, es ist wahr, dass Kinder leichter lernen, schneller lernen als Erwachsene.

00:15:57: Und sie haben auch schon gefunden, was dazu führt, nämlich dass die diesen Stoff, den man braucht, um das Gelernte zu verankern, mehr vorhanden haben, während dem Lernen im Gehirn.

00:16:08: Die Frage ist, was macht man jetzt damit?

00:16:10: Und da kommt jetzt ihre Stelle hier in Regensburg ins Spiel.

00:16:14: Denn sie sind ja vor noch gar nicht so langer Zeit aus Amerika zurückgekommen, hier nach Regensburg, weil sie von der deutschen Forschungsgemeinschaft die Leitung einer Emmy Noether-Forschungsgruppe übertragen bekommen haben.

00:16:24: Und sie haben sich entschieden, diese Gruppe hier in Regensburg anzusiedeln.

00:16:29: Warum sind sie zurückgekommen nach Regensburg?

00:16:31: Also es gab nicht nur den einen Grund, es gab eine Vielzahl von Gründen.

00:16:34: Wie sie am Anfang schon gesagt haben, ich habe in Regensburg studiert ursprünglich, das ist also meine Alma mater, und habe in Regensburg auch zum ersten Mal Kontakt gehabt mit den kognitiven Neurowissenschaften und auch mit so MRT-Scannern und was man damit machen kann, wie man die Daten auswertet und wie man Experimente in dem Scanner durchführt.

00:16:51: Und wie ich dann die Förderzusage von der deutschen Forschungsgemeinschaft bekommen habe, war mir eigentlich relativ schnell klar, ok, Regensburg soll es werden, weil hier die Infrastruktur für kognitive Neurowissenschaften und für Hirnforschung wirklich hervorragend ist.

00:17:06: Ich würde sogar sagen, zum Teil besser als in den USA.

00:17:08: Der Zugang zu den Geräten ist einfacher und man hat die neuesten Sequenzen an diesem MRT-Scanner, um zum Beispiel auch solche GABAergen-Antworten zu messen.

00:17:17: Und all das spricht natürlich sehr stark für den Forschungsstandort Universität Regensburg.

00:17:22: Und dann gab es natürlich noch auch persönliche Gründe.

00:17:24: Also ich komme ursprünglich aus der Oberpfalz, meine Familie lebt hier, meiner Frau gefällt es hier sehr gut.

00:17:29: Und dann war für mich klar, ich komme gerne nach Regensburg zurück, um hier meine Forschung weiter zu verfolgen und das weiter aufzubauen.

00:17:36: Und das können Sie jetzt eben machen, aufbauend auf den Ergebnissen, die Sie in dem Bereich jetzt schon publiziert haben, weiterarbeiten.

00:17:43: Was machen Sie mit diesen Erkenntnissen, dass GABA, diese Aminosäure, irgendwie für das Lernen verantwortlich ist?

00:17:49: Auf was wollen Sie raus? Was sind Ihre Ansätze? Was wollen Sie untersuchen?

00:17:53: Also, das Ziel meiner Emmy Noether Gruppe ist zu verstehen, wie sich Lernen und Gehirnplastizität über die Lebensspanne verändern.

00:18:00: Das heißt, von der Kindheit zum jungen Erwachsenenalter und dann zum späteren Erwachsenenalter.

00:18:04: Und welche Rolle Veränderungen in inhibitorischer Verarbeitung, vor allem GABA betreffend, dieses Lernen in verschiedenen Lebensabschnitten modulieren.

00:18:13: Und ein besonderer Schwerpunkt meiner Forschung wird eben vor allem auf der Frage liegen, was passiert, wenn Alterungsprozesse nicht ungefähr so ablaufen, wie man sich das wünscht, dass man also gesund altert, sondern wenn es zu pathologischen Alterungsprozessen kommt.

00:18:28: Also Stichwort Demenz. Sind Patienten mit Demenz noch zu neuem Lernen fähig?

00:18:34: Falls ja, welche Rolle spielt GABA in ihrem Gehirn?

00:18:37: Und könnte man Lernmechanismen, wie wir sie bei Kindern jetzt gesehen haben, also mit diesen GABAergen Antworten, die nach dem Lernen auftreten, könnte man vielleicht solche GABAergen Antworten durch gezieltes Training bei Menschen mit einer Demenz wieder induzieren?

00:18:50: Also das heißt, dass sie wieder zu besserem Lernen fähig sind.

00:18:53: Das heißt, sie haben wirklich gleich ein wichtiges Anwendungsgebiet für ihre Ergebnisse jetzt schon gefunden, dass sie jetzt nicht sagen, okay, es ist ja schön und gut, dass wir rausgefunden haben, Kinder lernen gut mit GABA.

00:19:03: Aber könnte GABA auch eine Rolle spielen für Demenzkranke, für deren Therapie oder wie auch immer.

00:19:10: Demenz, ich muss ehrlich zugeben, ich schwimme immer ein bisschen beim Begriff Demenz.

00:19:14: Ich denke dann immer, ist es jetzt gleichzusetzen mit Alzheimer oder nicht oder wie?

00:19:19: Damit wir auch da alle auf dem gleichen Stand sind, von was wir überhaupt sprechen, hat mein Kollege Jan Kleine noch mal ein bisschen Hintergrundwissen für uns zusammengetragen.

00:19:31: Demenz ist ein Sammelbegriff, unter dem man verschiedene Symptome von unterschiedlichen Krankheiten zusammenfasst.

00:19:36: Allen gemeinsam: Es handelt sich um Erkrankungen des Gehirns, die immer eine Verschlechterung von geistigen Fähigkeiten mit sich bringen.

00:19:43: Das spiegelt sich auch schon im lateinischen Begriff: Demenz, heißt wörtlich ohne Verstand.

00:19:49: Bei Demenzkranken verschlechtern sich die kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten.

00:19:54: Das Kurzzeitgedächtnis funktioniert nicht mehr gut und nach und nach nimmt allgemein das Denkvermögen ab.

00:19:59: Auch die Sprache und Motorik der Patienten sind betroffen und werden immer schlechter.

00:20:03: Bei einigen Demenzformen verändert sich sogar die Persönlichkeit der Patientinnen oder Patienten.

00:20:08: Nach Angaben der Deutschen Alzheimergesellschaft waren in Deutschland Ende 2018 fast 1,6 Millionen Menschen an Demenz erkrankt.

00:20:16: Das ist etwa jeder oder jede Fünfzigste.

00:20:19: Je älter ein Mensch wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass er oder sie an Demenz erkrankt.

00:20:24: Von den über 90-Jährigen in Deutschland sind mehr als 40 Prozent betroffen.

00:20:28: Und weil unsere Gesellschaft immer älter wird, ist die Zahl der Demenzerkrankungen auch deutlich steigend.

00:20:34: Insgesamt zeigen die Statistiken sehr viel mehr Frauen als Männer mit einer Demenzerkrankung.

00:20:39: Das kann aber auch einfach daran liegen, dass Frauen im Durchschnitt eben älter werden.

00:20:43: Die häufigste und bekannteste Ursache ist die Alzheimer-Krankheit.

00:20:47: Weit mehr als die Hälfte der Demenzpatienten weltweit haben Alzheimer.

00:20:51: Es gibt aber noch viele andere Krankheiten, die zu einer Demenz führen.

00:20:54: Zum Beispiel die gefäßbedingte vaskuläre Demenz.

00:20:58: Und auch Krankheiten wie Epilepsie oder multiple Sklerose können eine Demenz mit sich bringen.

00:21:03: Einfach gesagt, werden bei einer Demenzerkrankung im Laufe der Zeit immer mehr Gehirnzellen zerstört.

00:21:09: Die Ursachen dafür sind bei ein paar Demenzformen geklärt.

00:21:12: Bei vielen anderen Formen weiß man dagegen noch gar nicht, oder nicht genau, warum das passiert oder was dazu führt.

00:21:18: Bewiesen ist, dass Menschen mit einer gesunden Lebensweise seltener an Demenz erkranken.

00:21:23: Wer Sport macht, sich gesund ernährt, wenig Alkohol trinkt und nicht raucht, hat eine bessere Chance im Alter von Demenz verschont zu bleiben.

00:21:30: Ist man aber erst einmal betroffen, gibt es momentan bei fast keiner der Krankheiten die Hoffnung auf Heilung.

00:21:36: Eine Behandlung kann in einzelnen Fällen den Krankheitsverlauf verlangsamen oder bestimmte Symptome hinaus zögern.

00:21:42: Aber in den allermeisten Fällen gilt: Wenn man nicht weiß, wo es herkommt, kann man auch nichts dagegen tun.

00:21:53: Es hieß gerade nach dem aktuellen Forschungsstand, aber Sie haben ja gesagt, GABA könnte vielleicht irgendwie eine Rolle spielen in diesem ganzen Zusammenhang.

00:22:03: Was denken Sie da?

00:22:04: Also könnte man GABA künstlich erzeugen und den Leuten irgendwie spritzen, damit sie weiterhin gut lernen?

00:22:10: Oder könnte man die körpereigene Produktion von GABA irgendwie anregen?

00:22:14: Oder wie könnte das denn funktionieren? Haben Sie da Ideen?

00:22:17: Es gibt natürlich verschiedene Ansätze, um GABA-Antworten im Gehirn zu erhöhen.

00:22:21: Es gibt medikamentöse Ansätze, um das zu machen.

00:22:24: Es gibt trainingsbasierte Ansätze, um das zu machen.

00:22:26: Und wir wollen uns vor allem auf diesen trainingsbasierten Ansatz stützen.

00:22:30: Das heißt, unsere Hypothese ist, dass wir durch gezieltes Wahrnehmungstraining bei älteren Patientinnen und Patienten mit einer Demenz es vielleicht schaffen, die Aktivität von GABAergen, Nervenzellen in ihrem Gehirn wieder anzuregen.

00:22:44: Das heißt, dass diese Zellen schneller wieder solche GABAergen-Antworten zeigen nach dem Lernen, wie im jungen Erwachsenenalter oder vielleicht sogar wie bei Kindern.

00:22:53: Und dass durch solche stärkeren inhibitorischen Antworten sich auch allgemeine

00:22:57: Lern- und Gedächtnisprozesse bei diesen Patientinnen und Patienten verbessern.

00:23:01: Das wäre unsere Hoffnung und unser Ziel.

00:23:04: Aber das ist jetzt noch Zukunftsmusik.

00:23:06: Erstmal müssen sie herausfinden, wenn ich das richtig verstanden habe, was passiert eigentlich bei Demenzkranken im Hirn?

00:23:11: Ist da überhaupt noch GABA vorhanden?

00:23:13: Könnte GABA denen was bringen und so weiter, bevor man dann über Therapieansätze nachdenken kann?

00:23:18: Genauso ist es.

00:23:18: Also meine Gruppe und ich möchten erstmal verstehen, sind ältere Patientinnen und Patienten mit einer Demenz überhaupt noch zu visuellem Wahrnehmungslernen fähig?

00:23:27: Und falls ja, welche Prozesse finden in ihrem Gehirn während und nach diesem Lernen statt?

00:23:32: Und welche Rolle spielt GABA bei diesen älteren Patienten, wenn sie neues Lernen und wenn dieses Lernen konsolidiert werden soll?

00:23:40: Und uns interessiert vor allem eine Gruppe von Demenzpatienten.

00:23:44: Das ist ein Frühstadium der Demenz, das man als mild cognitive impairment im Englischen bezeichnet, also milde cognitive Beeinträchtigung im Deutschen.

00:23:52: Das ist ein Anfangsstadium der Demenz, bei der die Patientinnen und Patienten noch keine großen Ausfallserscheinungen haben, aber selektive Beeinträchtigungen in ihren Lern- und Gedächtnisfähigkeiten zeigen.

00:24:04: Und dieses Stadium ist deswegen so interessant, weil die Patientinnen und Patienten da eigentlich noch eine Chance haben, durch gezieltes Training, das ist zumindest unsere Hoffnung, entweder in diesem Stadium der MCI zu bleiben oder im besten Fall vielleicht dieses Stadium zu verlassen und wieder ein normales, gesundes Altern zu zeigen.

00:24:23: Und daher ist dieses Frühstadium der MCI für uns von besonderem Interesse.

00:24:27: Wäre ja fantastisch.

00:24:28: Wir haben vorher in den Hintergrundinfos gehört, es gibt für viele Demenzen noch keine Heilung.

00:24:33: Also vielleicht, wenn sie da spannende Ergebnisse zutage fördern, könnte sich das in naher oder fernerer Zukunft durch ihre Forschung auch ändern.

00:24:44: Vieles von dem, was sie sagen, klingt für mich nach extremem Medizinfachwissen.

00:24:48: Sie haben eingangs gesagt, die Psychologie ist ja eine Naturwissenschaft.

00:24:51: Aber ich habe das Gefühl, sie bewegen sich sehr stark an interdisziplinären Grenzen.

00:24:56: Also sie arbeiten eng mit Medizinern zusammen.

00:24:59: Physik spielt wahrscheinlich auch sehr oft eine wichtige Rolle.

00:25:01: Wie ist denn das für sie? Kommen sie da manchmal auch an ihre Grenzen?

00:25:04: Weil sie sind ja einfach von Haus aus Psychologe und nicht Mediziner oder Physiker.

00:25:08: Haben sie irgendwie Mediziner ihres Vertrauens, einen Telefonjoker oder wie funktioniert das?

00:25:13: Ja, also diese ganze Forschung spielt sich interdisziplinär ab.

00:25:16: Zu einem gewissen Grad verstehe ich, wie solche Gerätschaften wie z.B. ein MRT-Gerät funktionieren.

00:25:22: Zu einem gewissen Grad verstehe ich auch, wie bestimmte neuronale Prozesse im Gehirn ablaufen.

00:25:28: Aber natürlich gibt es für jeden Aspekt hiervon noch Fachexpertinnen und Fachexperten, die mir bei meiner Forschung helfen und mich darin auch unterstützen.

00:25:37: Also zum Beispiel MRT-Experimente ohne einen guten Physiker wären unmöglich, weil man einen Experten oder eine Expertin braucht, die diese Sequenzen am MRT, die wir benutzen, auch programmieren.

00:25:48: Dann auch im medizinischen Bereich, also gerade wenn es um GABA geht, das ist ja eigentlich auch ein interessanter Botenstoff in der Forschung in der Biologie und auch in der Chemie.

00:25:56: Und auch da tauscht man sich natürlich aus und man lernt von anderem Fachwissen und versteht dann auch besser seine eigenen Daten.

00:26:03: Und im medizinischen Bereich, weil wir vorhin ja über MCI gesprochen haben, MCI ist oftmals auch mit einem Risikogen assoziiert.

00:26:11: Also das war das Frühstadium der Demenz?

00:26:13: Exakt, mit einem Risikogen assoziiert, das man in Blutproben bei den Patientinnen und Patienten bestimmen kann.

00:26:21: Und hierfür braucht man Mediziner und Chemiker, die einem diese Daten analysieren und die einem auch sagen, okay, diese Person hat dieses genetische Risiko für eine MCI oder nicht.

00:26:32: Und so spielt sich eben diese Forschung in einem wissenschaftlich-interdisziplinären Raum ab.

00:26:37: Und ich möchte auch nochmal dazu sagen, weil wir ja Kinder messen, es ist nicht nur Leute aus dem eigenen universitären Umfeld, sondern auch lokale Grundschulen und dort die Lehrkräfte,

00:26:44: die Schulämter, die uns unterstützen in unserer Forschung und uns Zugang sozusagen zu diesen speziellen Populationen von Kindern geben, ohne den wir unsere Forschung nicht durchführen könnten.

00:26:58: Also kein Wissenschaftler im Elfenbeinturm, der alleine vor sich hin forscht?

00:27:01: Überhaupt nicht, sondern es spielt sich alles im interdisziplinären Raum ab.

00:27:06: Und ohne die Unterstützung von vielen Seiten wäre diese Forschung unmöglich.

00:27:11: Bleiben wir im Medizinbereich.

00:27:13: Sie haben mir von einem Forschungsgebiet erzählt, was ich persönlich wirklich super wichtig und auch super spannend finde.

00:27:19: Und das sind Mammographien, also Früherkennung von Brustkrebs.

00:27:23: Was hat jetzt Hirnforschung mit Brustkrebs zu tun?

00:27:26: Ja, also die Fragestellung war: Könnte man jetzt Wahrnehmungs-Lernprozesse, wie wir sie im Experiment verstanden haben, wirklich auch für ein reales Problem einsetzen?

00:27:36: In dem Fall war das reale Problem die Früherkennung von Läsionen in Mammographiebildern, die ein Indiz für Brustkrebs sein könnten.

00:27:44: Also Veränderungen vom Gewebe oder so?

00:27:46: Genau, exakt.

00:27:46: Und die Frage war, könnte man Laien, völlig naive Versuchspersonen, daran trainieren, Expertinnen und Experten bei der Früherkennung von solchen Läsionen in Mammographiebildern zu werden?

00:27:57: Und könnte man hierfür Prinzipien, die man aus dem visuellen Wahrnehmungsbereich kennt, einsetzen, um dieses Lernen möglichst effizient zu gestalten?

00:28:05: Und haben die Laien Veränderungen im Gewebe wahrgenommen?

00:28:08: Wir konnten in der Tat herausfinden, dass nach einigen Trainingssitzungen diese Versuchspersonen immer besser darin wurden, diese Läsionen zu erkennen, obwohl sie vorher in ihrem Leben noch nie ein Mammographiebild gesehen haben und es etwas völlig Neues für sie war.

00:28:21: Und das zeigt eben die Macht von diesem Wahrnehmungslernen, wenn man es gezielt einsetzt und die Prinzipien, die ihm zu Grunde liegen, effizient nutzt, kann man wahrscheinlich jede und jeden zu einer Expertin oder Experten in einem bestimmten Wahrnehmungsbereich machen.

00:28:37: Das heißt, man könnte auch Ärztinnen und Ärzte, die das ja normalerweise erkennen sollten, dann gezielter schulen, dass sie sowas noch besser erkennen?

00:28:45: Das war eine der Grundmotivationen, dieses Experiment zu machen.

00:28:48: Also wir haben dort mit einem Radiologen, das war ein Experiment in den USA, zusammengearbeitet, der über 20 Jahre schon Erfahrung hatte in der Auswertung von solchen Mammographiebildern.

00:28:57: Und er hat uns erzählt, dass er bei seinen Studentinnen und Studenten immer bemerkt hat, dass die sich schwer tun, diese Läsionen zu erkennen, aus zwei Gründen.

00:29:05: Zum einen, weil diese Läsionen sehr selten auftreten in so Mammographie-Screenings.

00:29:10: Wir reden ja hier von Probandinnen, die eine Routine-Untersuchung machen für eine Mammographie, die also keine Symptome noch zeigen.

00:29:16: Also diese Läsionen treten sehr, sehr selten auf.

00:29:18: Und dann zum zweiten, wenn sie auftreten, sind sie oft kaum zu unterscheiden vom normalen Gewebe.

00:29:23: Und er kam dann auf uns zu und hat uns gefragt, können wir mit visuellem Wahrnehmungslernen irgendein Trainingsprogramm entwickeln, um diesen jungen Studierenden zu helfen, darin eben diese Läsionen besser zu erkennen in Mammographie-Screenings.

00:29:37: Aber das klingt doch gerade im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nach einem riesen Geschäftsmodell, oder?

00:29:42: Ja, es ist so, also wir haben die Hoffnung, dass solche Trainingsprogramme in Zukunft eingesetzt werden bei den Studierenden.

00:29:50: Man muss natürlich auch dazu sagen, dass inzwischen sich die Technologie weiterentwickelt hat und dass künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle darin spielt, schon mal automatisch etwas zu erkennen, wenn etwas nicht stimmen sollte in einem Mammographiebild.

00:30:02: Und ich denke, in Zukunft wird es so sein, man muss sich das vielleicht so vorstellen wie im Flugzeug, dass man einen Autopiloten hat.

00:30:08: In dem Fall der Algorithmus, der detektiert automatisch, ob in einem Mammographie-Screening etwas falsch ist oder nicht falsch ist.

00:30:15: Und dann aber trotzdem auch noch einen Radiologen hat oder eine Radiologin, die sich das nochmal anschaut und die auch selber nochmal durch die Bilder durchgeht, die da erhoben wurden, um exakt zu bestimmen mit dem Expertenwissen, jawohl, das ist etwas, auf das man achten sollte oder eben nicht.

00:30:28: Also ich denke, dass das so ein Paradebeispiel dafür ist, wie sich der Mensch und künstliche Intelligenz effizient ergänzen können.

00:30:35: Das heißt, es ist für Sie jetzt keine verlorene Arbeit irgendwie, wenn man sagt, das können inzwischen alles Maschinen oder so.

00:30:42: Wie ist denn das für Sie?

00:30:43: Ich denke, als Forscher, man hat lange Versuchsreihen und dann kommt auch manchmal nicht genau das raus, was man sich gewünscht hat.

00:30:49: Sind Sie da resistent dafür? Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?

00:30:53: Ja, Rückschläge gehören in diesem Beruf leider zum Alltag.

00:30:57: Viele dieser Experimente scheitern in den ersten Anfangsphasen aus verschiedenen Gründen.

00:31:02: Zum Beispiel weil das Design des Experiments nicht optimal ist, weil zum Beispiel im Bereich von Lernen die Trainingsdauer nicht lang genug ist.

00:31:09: Und man muss viele Pilotversuche machen, um wirklich zu verstehen, was ist jetzt der optimale Versuchsaufbau für das Hauptexperiment, das ich machen möchte.

00:31:19: Und mir hat mal jemand in meinem Studium gesagt, Forschung ist ein Marathon, kein 100-Meter-Lauf.

00:31:24: Und da ist wirklich etwas Wahres dran.

00:31:26: Man muss also lernen, mit Frustration und mit Rückschlägen umzugehen und vor allem aus ihnen zu lernen.

00:31:31: Weil aus Rückschlägen lernt man meist mehr als aus Dingen, die geklappt haben.

00:31:36: Also wo von vornherein alles perfekt gelaufen ist.

00:31:39: Muss man sich aber dann in dem Moment wahrscheinlich selber auch immer wieder sagen, oder?

00:31:42: Also was treibt sie an, was lässt sie weitermachen?

00:31:44: Wollen sie die Welt verbessern mit ihren Forschungen, oder?

00:31:47: Also ich hoffe, dass ich zumindest in meinem kleinen Bereich etwas dazu beitragen kann, Lernen und Gehirnplastizität besser zu verstehen.

00:31:54: Und das treibt mich wirklich an.

00:31:55: Das ist meine Passion und dafür lebe ich, und dafür brenne ich.

00:31:59: Und dafür bin ich auch bereit, Rückschläge in Kauf zu nehmen.

00:32:02: Rückschläge in Kauf nehmen, das müssen wir beim Lernen als Erwachsene, also tatsächlich öfter als Kinder, das haben sie bewiesen.

00:32:08: Aber das heißt nicht, dass wir auch wenn wir älter sind nichts Neues mehr dazulernen können.

00:32:13: Und vielleicht kann man ihre Ergebnisse in Zukunft dafür nutzen, dass auch älteren oder ganz alten Menschen das Lernen irgendwann doch erleichtert werden kann.

00:32:22: Ganz herzlichen Dank an Sie, Herr Dr. Frank,

00:32:23: dass Sie heute hier bei mir im Studio waren und uns von Ihrer Forschung erzählt haben.

00:32:28: Ich hoffe, es hat Ihnen auch Spaß gemacht.

00:32:30: Und wenn euch diese erste Folge gefallen hat, liebe Hörerinnen und Hörer, abonniert den Gasthörer doch einfach direkt und empfiehlt uns gerne weiter.

00:32:37: Ich bin Katharina Herkommer und ich sage bis zum nächsten Mal mit einem neuen, spannenden Gast und seiner oder ihrer Forschung hier an der Uni Regensburg.

00:32:45: Tschüss, liebe Gasthörerinnen und Gasthörer.

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